A propros Traumata.
Ich habe da ein kleines Ding mit kleinen Insekten. Und zwar habe ich im Kindergartenalter einmal bei einer Freundin übernachtet, die in so einer Wohnung wohnte, wie es sie damals im Ruhrgebiet (vielleicht auch anderswo, das weiß ich nicht) häufiger gab: eine normale Wohnung mit Küche, Bad, 1-2 Zimmern und dann über den Hausflur hinweg noch zwei kleine Zimmer, die Kinderzimmer. Bei meinen Eltern im Haus gab es das auch, dort hieß es "Gesellenzimmer", unten im Haus war eine Bäckerei, darüber verschiedene Wohnungen und eben zwei Gesellenzimmer für die Gesellen, die am Mittagstisch des Bäckermeisters mitaßen. Die Toilette war eh im Treppenhaus und im Gesellenzimmer war ein Handwaschbecken, duschen/baden ging man in der Badeanstalt, so hat Papa N. es mir erzählt, der dieses Gesellenzimmer bis zu seiner Hochzeit mit Mama N. bewohnte.
So eine Wohnung war es und eins der kleinen Zimmer gehörte meiner Freundin und eins ihrem Bruder, der Bruder war älter und hatte einen Fernseher und abends schaute er einen Film und wir schauten heimlich durch die einen Spalt weit geöffnete Tür mit. Bei dem Film handelte es sich - das habe ich mir Jahre später ergoogelt - um Phase IV. Die Handlung ist recht einfach: Ameisen mutieren und fressen alle anderen Lebewesen auf.
Ich entwickelte daraus ein ziemliches Problem mit kleinen Insekten, dass noch in derselben Nacht begann, mit Alpträumen von Ameisen nämlich, die meine Hand und meinen Kuschelhund auffraßen und leider auch nicht mehr weggingen. Es folgten sehr unruhige Nächte für meine Eltern, viele davon, ich erinnere mich an Ameisenstraßen auf meiner Bettdecke, auf dem Fußboden, auf meinen Armen, auf meinen Eltern. Meine älteste Schwester tauschte dann mit mir das Bett - wir teilten uns ein Hochbett und sie versicherte mir glaubhaft, dass es den Ameisen absolut unmöglich sei, ihre Krabbelfüße auf die obere Etage des Hochbettes zu setzen, es sei völlig ausgeschlossen. Sie hatte recht, dort war ich in Sicherheit und dort harrte ich aus wenn ich nachts aufwachte, bis in der Küche immer gegen 3 Uhr morgens das Licht anging, weil Papa N. dann zur Arbeit musste. Er schaute nach uns, sah mich wach im Bett sitzen, hob mich heraus und wir kontrollierten die ganze Wohnung auf Ameisen. "Keine da", sagte er, aber das stimmte nicht, sie waren überall, und so saß ich mit angezogenen Beinen auf der Bank neben dem Ofen und aß Joghurt, während er seine Arbeitssachen zusammenpackte. Richtig erklären konnte ich das alles nicht, dazu war ich vermutlich einfach noch zu klein und den Film hatte ich auch längst vergessen, aber irgendwann kamen die Ameisen auch tagsüber und dann wurde der Kinderarzt eingeschaltet und es gab kleine blaue Pillen.
Ob die blauen Pillen wirkten oder ob sich im Gehirn irgendwelche Selbstheilungskräfte aktivierten, ich weiß es nicht, aber die Ameisen wurden weniger, wurden zu einem gelegentlichen Alptraum, und traten schließlich an Platz zwei hinter einen neuen, häufigeren Alptraum, von Saurons Auge nämlich, zurück, das ich immer dann sah, wenn ich die Augen ganz lange ganz fest zusammenkniff. Probieren Sie das mal aus, da sieht man doch wirklich ein gruseliges Auge! Der Herr der Ringe hat mir übrigens im Grundschulalter die Schwester vorgelesen, die mir vorher noch so fürsorglich ihr oberes Hochbett überlassen hatte.
Letztendlich waren aber sowohl die Ameisen als auch Saurons Auge unter Kontrolle, es blieb nur ein Problem mit gehäuftem Auftreten kleiner Tiere. Dann kam es zu einer unfreiwilligen Reizkonfrontationstherapie: Mit etwa 16 Jahren holte ich eine große, eingelagerte 5 kg-Dose Tierfutter vom Dachboden. Und sie kam mir schon so merkwürdig leicht vor, dass ich mich beim Öffnen wirklich gut darüberbeugte, ja fast den Kopf hineinsteckte, um auch alles ganz genau sehen zu können, als ich die Dose öffnete. Futter war nicht mehr viel darin. Lebensmittelmotten dann auch nicht mehr, die flogen nämlich in einer dunklen Wolke in mein Gesicht, verfingen sich in meinen Haaren und saßen später in jeder Ecke meines Zimmers. In der Dosen waren nur noch ziemlich viele Larven.
Es gibt ja diese Momente im Leben, in denen man sich entscheiden muss: verliert man jetzt den Verstand oder nicht. (Jetzt nicht frech werden!). Ich ging aus dem Zimmer, schloss vorsichtig die Tür hinter mir, wusch mir die Haare und teilte meinen Eltern mit, es gäbe ein Problem. Den Rest der Motten übernahm Mama N. und den Rest der Kleintiere-in-großen-Mengen-Problematik übernahmen die Mehlwürmer etwa weitere zehn Jahre später. Seitdem könnten Sie mich insektentechnisch ruhig ins Dschungelcamp stecken, das wäre alles gar kein Problem. Ich kann mittlerweile sogar Krabben essen, wenn sie halt irgendwo mit drin sind.
Nur mit den Ameisen ist es so eine Sache. Ich habe mittlerweile Phase IV noch zweimal angeschaut (und bin beide Male dabei eingeschlafen) und Empire of the Ants gelesen. Und trotzdem: manchmal sehe ich aus dem Augenwinkel zwei, drei Ameisen die Wand neben mir hochkrabbeln. Ich weiß dann, dass sie nicht da sind. Ich weiß dann aber auch, dass es an der Zeit ist, insgesamt ein bisschen langsamer zu machen.
Heute vor zig Jahren:
Nichts besonderes.
Es ist ja so - also, ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber bei mir ist es so, dass Interessen unvermittelt urknallmäßig aus dem Nichts entstehen. Beispielsweise wenn man mit dem Kind eine Kindersendung schaut und da ist Reinhold Messner und man denkt sich, boah, Reinhold Messner, den kenne ich ja total und weiß eigentlich rein gar nichts über ihn (tatsächlich noch nichtmals, ob sich der Vorname mit ai oder ei schreibt) außer dass er Berge hochklettert. Und man liest sich kurz im Internet ein und denkt sich, oh, hochinteressant, und bestellt sofort ein Buch. Mal sehen, ob es nach dem Buch dann gut ist oder ob ich auch noch selber auf Berge klettern muss, so genau weiß man das vorher ja nie.
Heute vor zig Jahren:
Pe fährt Montag zum Schüleraustausch und wir haben Stress weil sie meint ich soll nicht ohne sie weggehen während sie weg ist. Ich hatte als sie sich zu dem Austausch angemeldet hat gedacht dass ich dann viel für die Schule mache, dann hätte ich hinterher Lorbeeren zum drauf ausruhen, aber jetzt hab ich dazu keine Lust mehr. Und außerdem finde ich, dass ich das selbst entscheiden kann.
In dem Haus, in dem ich wohne, fühlt man sich normalerweise nicht allein. Es gibt insgesamt 7 Kinder, die auf der Treppe poltern oder durch den Hof flitzen, es gibt eine WG mit ständig wechselnden Bewohnern, es gibt eine Hausmeisterin mit Argusaugen, zusätzlich sind 4 Klaviere im Haus vorhanden, eine Raucherin und eine Viel-und-laut-Telefoniererin sowie im Hinterhaus eine Firma, die rund um die Uhr arbeitet.
Heute aber waren Mademoiselle und ich anscheinend ganz allein. Gut, es war Samstag und nicht Sonntag, so fiel der Kirchgang der obersten Etage aus. Und die Kinder der Raucherin sind samstags nicht da, so dass sie dann in der Wohnung raucht und nicht auf dem Balkon. Aber ist Samstag nicht der ideale Tag zum Klavierüben oder Telefonieren?
Als ich mittags beschloss, heimlich (das Kind ist dagegen) die Osterdekoration wegzuräumen und die Treppe hinunterging, um nach Werbezeitungen zum Einwickeln der zerbrechlichen Teile Ausschau zu halten, hatte ich mich extra vorher ordentlich bekleidet. Völlig unnötig, ich traf niemanden, tatsächlich gab es noch nicht einmal Werbezeitungen. Am frühen Abend brachen Mademoiselle und ich zu einem Regenausflug auf und in den Briefkästen steckte noch die Post. Bei der Rückkehr waren wir beide so durchnässt, dass ich mich nicht mich Schuhbändern und -schnallen abmühen wollte, und gestattete es Mademoiselle ausnahmsweise, mit den Inlinern bis in die Wohnung zu stapfen. Das ist sonst ein absoluter Garant, die Hausmeisterin auf den Plan zu bringen. Aber: nichts. Stille.
Eine ähnliche Situation wie manchmal, sehr selten, im Rapunzelturm, wenn es neblig ist und man den Boden nicht sehen kann und für ein paar Stunden ganz konzentriert und ohne jegliche Unterbrechung hinter geschlossener Tür etwas gearbeitet hat. Dann stehe ich auch plötzlich am Fenster und frage mich: leben die anderen noch? Hat möglicherweise irgendeine komische Zeitverschiebung stattgefunden und die sind alle nur noch Staub? Und das Interessanteste daran: nur mit einer unglaublichen Motivierung meiner pragmatischsten Seite traue ich mich dann, die Tür zu öffnen und nachzuschauen, anstatt mich in einer Ecke zu verkriechen und mit Rip-van-Winkle-Szenarien im Kopf abzuwarten, ob vielleicht doch noch einmal das Telefon klingelt.
Heute vor zig Jahren:
Wir gehen in die Altstadt und treffen einen, der uns irgendwie bekannt vorkommt. Es stellt sich heraus, dass es ein Freund von Hühnchen ist, den wir auf der Fete beim Kuli kennengelernt hatten und der Nero heißt.
Beim Lästern gemeinsam mit der Technikerin in der Mittagspause fiel plötzlich der Groschen. Es gibt da einen alljährlich wiederkehrenden Prozess, der - trotz ganz einfacher Ausgangslage - unglaublich zeit- und nervenaufwendig ist, weil wir jedes Mal von Pontius zu Pilatus geschickt werden, wobei Pontius nur mit der Technikerin spricht und Pilatus nur mit mir. Und so kam mir die glorreiche Idee, in Zukunft schlichtweg weder Pontius noch Pilatus zu befragen und die Angelegenheit selbst zu regeln. Jeder wird sowieso annehmen, der andere habe sich damit befasst und sein Okay gegeben und sich freuen, nicht selbst involviert worden zu sein. Rein logisch betrachtet bringt also der neue Weg allen nur Vorteile.
Und bis überhaupt frühstens in ein paar Jahren jemandem auffällt, dass etwas anders ist, hat sich das längst so etabliert.
Heute vor zig Jahren:
Den ganzen Tag Latein üben.
Es ist wirklich höchst merkwürdig. Seit ein paar Tagen fährt nachmittäglich eine Frau mit dem Fahrrad einmal den Gehweg längs eines Schulhofes mit schweifendem Blick ab, dreht dann um, parkt das Fahrrad hinter einer Mauer, prüft den Blick aufs Schultor, schaut auf die Uhr und entspannt sich. Wühlt in ihrer Tasche, liest ein bisschen, sortiert ein paar Einkäufe, schaut wieder auf die Uhr, wird hibbelig und späht auf Zehenspitzen in den Schulhof. Arrangiert blindlings die Einkäufe auf dem Rad ohne das Tor aus dem Auge zu lassen, steigt aufs Rad, steigt wieder ab, wippt ein bisschen auf den Fußballen, schaut auf die Uhr, schaut aufs Schultor, duckt sich, taucht nach 20 Sekunden wieder auf, reißt das Rad herum und fährt in vollem Tempo in die Richtung, aus der sie gekommen ist, davon.
Das liegt daran, dass Mademoiselle nun darauf besteht, den Heimweg allein zurückzulegen und mir das Loslassen noch ein ganz geringfügiges bisschen schwerfällt...
Heute vor zig Jahren:
Wir holen uns in der Altstadt Bier und gehen in den Hofgarten.
Neue Entwicklungen in Sachen Vodafone, und zwar in Form einer Rechnung für den im Februar stornierten Vertrag, dessen Erlöschen Mitte April für Mitte Januar schriftlich bestätigt wurde, die eine Belastung für April aufweist in Verbindung mit einer Gutschrift für Januar (keine Ahnung warum) sowie auch Gutschriften für die unberechtigt und rechnungslos eingezogenen Beträge von Februar und März und auch für den mit vorliegender Rechnung belasteten April-Betrag. Das so entstandene Guthaben würde mit der nächsten Rechnung verrechnet.
Wieso nächste Rechnung? Kann man das nicht alles auch geringfügig einfacher abwickeln, quasi ohne eine unendliche Veranstaltung daraus zu machen? Möchte man als Telekommunikationsanbieter denn wirklich auch nicht ein kleines bisschen ernst genommen werden?!
Das ist doch alles eine abgekarterte Strategie, um mich um den Verstand zu bringen.
Heute vor zig Jahren:
Nichts besonderes.
Selten fühlt sich die Mutterrolle so vertraut und natürlich an, wie wenn das Kind an einem Sommerabend völlig erledigt und verdreckt vom Spielen draußen hereinkommt, in die Badewanne verfrachtet wird und man ihm dort wegen akuter Gefahr zu Verhungern in mundgerechte Bissen geschnittenes belegtes Brot ("Hoppemäxkes") anreicht.
Heute vor zig Jahren:
Pe und ich gehen spazieren und machen Fotos.
Den ganzen Tag über heute bedauerte ich mich ein bisschen. Zunächst darüber, dass ich eine Party am Samstag verpasst hatte, weil ich ja verreist war um mich mit Papa N. über Kaffeetassen und Socken auseinanderzusetzen. Dann darüber, dass ich heute in den Mai tanzen könnte bzw. da ich selten stark tendierend zu nie tanzen gehe, weil mir das zu laut ist, könnte ich in den Mai Bier trinken, das Wetter fordert definitiv dazu auf.
Nur nimmt dummerweise die Biertrinkerin aufgrund unüberbrückbarer Differenzen an meinem Leben nicht mehr teil. Das hätte man zeitlich auch besser planen und die Trennung beispielsweise auf den Herbst legen können, nicht zu Beginn der Biergartensaison. Egal, zu spät.
So überlegte ich hin und her, mit wem ich gerne in den Mai Biertrinken würde und auch wo, mailte die einen an und erhielt "Kannleidernichts", verwarf andere und kam schließlich auf die Nachbarin, mit der ich sowieso schon lange gerne wieder einmal ausgehen möchte, was zeitlich schwierig ist, weil sie eigentlich nur alle zwei Wochen Freitagabends ausgehen kann und ich meistens genau an diesen Freitagen verreist bin.
Also bedauerte ich mich ein bisschen weiter, ging nach dem Büro einkaufen, verfolgte dann heimlich das Kind auf seinem ersten allein zurückgelegten Schulheimweg, war dann beim Töpfern und seufzte dann ein bisschen, als dort erzählt wurde, wer heute wo in den Mai tanzt. Ich wurde eingeladen, mitzukommen, lehnte jedoch ab - die Töpferfrauen kennen mich (glaube ich) nicht, ich habe sie aber alle schon mindestens einmal, teilweise häufiger, unbekannterweise in der Öffentlichkeit gesehen und sie sind mir aus verschiedenen Gründen aufgefallen. Keiner dieser Gründe war positiv.
Als ich mit Mademoiselle um kurz vor acht zu Hause ankam, klingelte das Telefon. Die Nachbarin war am Apparat und fragte, ob ich mit ihr und ein paar Freundinnen in den Mai tanzen wollte.
Jetzt fragen Sie sich vermutlich, warum ich das nicht gerade tue. Das liegt daran, dass ich gemütlich auf der Couch sitze und das exakt so goldrichtig finde. Ich glaube, ich hatte überhaupt keine Lust, mit der Nachbarin in den Mai zu tanzen, ich wollte nur mit der Nachbarin in den Mai tanzen können.
Ist man nicht manchmal merkwürdig?
Heute vor zig Jahren:
In der Altstadt essen wir Pizza und trinken von der Tanke ne Cola. Da kommen ein paar Punks und labern uns an und fragen uns so'n bisschen aus. Zuerst fragen sie nach Geld und dann nach Tabak aber wir haben nichts. Was wir denn haben, brüllt uns eine von denen an und ich sage "naja uns". "Und wie kommt ihr damit zurecht?" fragt sie und ich sage "ganz gut". Worauf sie sich auf mich stürzt, mir auf den Rücken haut und sagt/brüllt "Die ist in Ordnung". Dann fragt sie ob meine Jacke neu ist und setzt sich neben uns. Die anderen stellen sich alle vor uns auf und sagen, dass wir scheiß Schuhe anhaben und scheiß Haare und starren uns die ganze Zeit an. Wir starren zurück. Dann streckt uns einer von denen die Zunge raus und alle müssen lachen und der eine setzt sich neben mich und haut auf meiner Tolle rum und sagt "Was hast du denn in den Haaren? Was ist denn da für'n Kleister drin? Wieso machst Du das?" Ich sage, dass mir das besser gefällt als so strähnige, runterhängende Haare wie er hat und das findet er total lustig. Er sagt, wir sollten uns noch ein paar Tattoos machen lassen. Dann gehen sie und meinen "man sieht sich!". Wir holen uns noch ein Bier.
Sie kennen sicher diese Kneipen, in denen man kein leeres Glas Bier auf dem Tisch stehen lassen kann, ohne dass es sofort durch ein volles ersetzt wird. Im Haus der Novemberregeneltern ist das fast genauso, nur ein bisschen anders: Dort kann man keine volle Kaffeetasse unbeobachtet stehen lassen, ohne dass sie umgehend entsorgt wird.
In den letzten Jahren war es möglich, in dieser Hinsicht zu Absprachen zu gelangen. Man konnte einen Rahmen - entweder zeit- (z.B. "2 Stunden") oder handlungsorientiert (z.B. "bis ich geduscht habe") absprechen, innerhalb dessen der Kaffee unangetastet blieb. Leider scheint diese Verständigungsmöglichkeit nicht mehr zu funktionieren.
Frau N: Wo ist denn mein Kaffee?!
Mama und Papa N: räumen die Küche auf und tun so als wäre ich Luft.
Frau N: Hallo, Eltern? Habt Ihr den Kaffee woanders hingestellt? Den, der eben noch hier auf dem Tisch stand und über den ich gesagt hatte, dass ihr ihn bitte stehen lassen sollt, weil ich ihn noch trinken will?
Mama N: Das war ja bevor Du Mademoiselle ins Bett gebracht hast!
Frau N: Genau, und ich habe gesagt, dass ich ihn danach weitertrinken möchte.
Mama N: Das war aber vor über einer halben Stunde!
Frau N: Nunja, so lange hat es eben gedauert.
Papa N: Den habe ich weggekippt.
Frau N: Aber ich hab doch extra gesagt...
Papa N: Aber dann hast Du noch einen Schluck getrunken eben!
Frau N: Ja - und?
Papa N: Das war der letzte Schluck!
Frau N: Also - offensichtlich, ja, aber das war nicht so geplant!
Papa N: Ich hab das gleich gesehen. Und außerdem hat die Spülmaschine genau auf diese Tasse gewartet.
Frau N: Wie bitte?! Hömma...
Papa N: Sonst wäre sie nicht voll gewesen. Du bekommst eine neue Tasse.
Frau N: Aber eine neue Tasse nützt mir nichts, so lange da kein Kaffee drin ist, guck, hier (nimmt eine neue Tasse aus dem Schrank, setzt sie an den Mund und schlürft verzweifelt), das ist nicht dasselbe wie mit der alten mit dem Kaffee drin, (regt sich unheimlich auf) und wenn wir hier jetzt Kaffee reinmachen, haben wir dasselbe wie vorher, also hättest Du dann auch gleich die neue Tasse aus dem Schrank in die Spülmaschine stellen können, das wäre genauso sinnvoll gewesen!
Papa N, zu Mama N: Guck mal, wie sie sich aufregt. Und da will sie noch mehr Kaffee trinken!
Mama N, zu Papa N: So war sie ja immer schon.
Papa N, zu Mama N: Nee, die Große war doch die Laute. Die Kleine war doch immer friedlich.
Mama N, zu Papa N: Am Anfang war die Kleine friedlich, dann nicht mehr. Die Große war immer laut. Die Mittlere war die brave.
Frau N: Hallo???
Mama N: Die Tasse war sowieso mal reif für die Spülmaschine.
Frau N: War sie nicht, sie war noch in Gebrauch!
Mama N: Komm, Du hast da schon seit heute Nachmittag draus getrunken. Die war voller Bakterien!
Frau N: Mir war nicht klar, dass meine Tassen hier als Gesundheitsrisiko angesehen werden!
Mama N: Weil Du auch immer barfuß läufst. Deshalb hast Du auch immer Halsschmerzen.
Frau N: Was haben meine Füße denn mit dem Hals zu tun?
Mama: Jetzt kannst Du sowieso keinen Kaffee mehr trinken, sonst kannst Du nicht schlafen.
Frau N: Mama, Du weißt genau, dass ich immer schlafen kann!
Papa N: Kaffeezeit ist vorbei. Du kannst ein Bier haben.
Frau N: (nimmt seufzend Bier).
Papa N, nachtretend: Un trekk dich wat anne Fööß!!
Heute vor zig Jahren:
Schulfrei - wir holen uns wieder einen Kellergeister und gehen damit auf das Dach vom Parkhaus und bauen uns ein kleines Lager da. Ist total genial.
Mit Wochenenden bei den Eltern ist es so: ich bin gleichzeitig Mutter und gleichzeitig Kind. Und diese Parallelität gegensätzlicher Rollen ist manchmal ein ziemliches Gezerre, und manchmal ist kann man sich aber auch von beidem das Beste herauspicken. Und meist wechselt es vom einen zum anderen binnen Sekunden.
Heute vor zig Jahren:
Wir haben frei wegen Elternsprechtag. Am Schlosspark kaufen wir uns einen Kellergeister und trinken ihn in der Stadt. Das Wetter ist genial und wir legen uns ans Denkmal und sehen Luftmoleküle.