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    Mittwoch, 26. Februar 2020

    An meinem Küchentisch sitzt Frau Fragmente und bloggt, ich sitze an meinem Küchentisch und blogge über Frau Fragmente. Sie hatte erst keine Lust auf dieses Projekt (ich glaube, hauptsächlich nicht auf ihren aktiven Bloganteil) tat das lautstark kund, aber es bedurfte nur einer entschiedenen Ansage und schon tippte sie drauf los. Ich glaube, sie wollte doch.

    Sehr in sich ruhend wirkt sie auf mich heute. Ob das nur im Vergleich auf mich zutrifft, ist für mich schwer einzuschätzen, ich bin heute nämlich sehr wackelig, nicht schlecht gelaunt wackelig, aber es ist einer dieser Tage, an denen ich über die Worte stolpere und über die Füße, an denen der Deckel in hohem Schwung vom Salzbehälter fliegt und das Salz in die Nudelsoße, an denen die Sahneflasche aus dem Kippeln nicht wieder ihre Mitte findet sondern umstürzt, an denen ich mit dem Küchentuch den Bruchteil der Sekunde zu spät an der Arbeitsplatte bin und die Tropfen auf den Boden fallen. Das stört mich alles nicht sehr, es sind Kleinigkeiten und erst in der Summe läuft mein Fass über, die Summe war bisher heute nicht allzu groß und der Tag ist schon fast um, also ist es mir egal, ein wenig belustigt es mich auch.

    Worüber Frau Fragmente schreibt, weiß ich noch nicht. Sie kündigte diverse Ideen an und am meisten interessierte mich der Bruch, der Riss, der Moment, in dem sie an Karneval mit Hasenöhrchen vor den nicht verkleideten Chefs gesessen hätte, aber wenn ich es richtig verstanden habe, gab es den nicht.

    Sie schreibt jedenfalls sehr zielstrebig. Jetzt bin ich froh, dass mir das Wort zielstrebig eingefallen ist, sie ist nämlich nicht im Flow aber lässt sich absichtlich nicht ablenken, obwohl ich bekanntlich die Meisterin der ablenkenden blöden Witze bin, sie will aber halt nicht. Zielstrebig ist exakt das richtige Wort. Frau Fragmente ist ein zielstrebiger Mensch. Tippelditipp, tippelditipp macht es und ich bin echt neugierig, worüber sie schreibt! Und auch neidisch, denn obwohl schon Abend ist, sieht sie total frisch und schick aus. Im Gegensatz zu mir, ich bin heute extrem zerrauft, ich habe mir schon mittags in der Kantine Tomatensoße auf die Bluse getropft, musste seither also mit geschlossenem Bürojäckchen herumlaufen und war dadurch verschwitzt, mittlerweile habe ich in ein ausgeleiertes riesengroße schwarzes Sweatshirt, auf dem "Schlummerforschung" steht gewechselt und beim Abendessen geriet mir noch irgendwas ins Auge, das musste ich auswaschen, weshalb ich jetzt Pandaaugen und teilweise nasse Haare habe. Ist manchmal so, wie gesagt, es ist einer dieser Tage. Sowieso auch ein Hin- und Herrenntag, die Uhr zeigt schon um die 17.000 Schritte an, dabei war heute nichts, ich war noch nicht einmal draußen in der Mittagspause, mir fällt nur einfach ständig noch was ein und ich kann den Aufspringimpuls nicht kontrollieren. Seit wir hier sitzen und bloggen bin ich schon vier Mal aufgesprungen - einmal um die Spülmaschine einzuschalten, einmal um Dinge in die Waschmaschine zu stopfen, einmal um die Katze zu suchen, einmal um ein Soufflé in den Ofen zu stellen. Zusätzlich habe ich eine Tischdecke auf den Tisch gelegt, Sachen auf dem Tisch herumgeräumt, eine Bierflasche geöffnet.

    Aber Frau Fragmente lässt sich nicht beirren, sie schaut noch nicht einmal, was ich mache, vermutlich könnte sie mit dieser entschlossenen Konzentration perfekt in einem Großraumbüro arbeiten! Das mag sie aber nicht. Auch ein Unterschied zwischen uns, ich finde Großraum okay und liebe Büros mit Glastüren, meins hat eine Holztür und wenn ich die schließen muss, weil ich telefoniere oder sowas, fühle ich mich sofort eingesperrt und einsam. Büros mit Glastüren oder -wänden finde ich deshalb super, man kriegt alles mit aber trotzdem können Gespräche nicht mitgehört werden.

    Jetzt schaut Frau Fragmente ein bisschen skeptisch, nicht auf mich natürlich, sondern auf ihren Text. Auf mich hat sie vorhin nur etwas besorgt geschaut, als alles heruntergefallen ist, da hat sie etwa von einem "langen Tag" gemurmelt. Ich muss gleich unbedingt noch einen zusammengehörigeren Eindruck hinterlassen, sonst sorgt sie sich noch. Dabei gibt es keinen Grund zur Sorge, es war noch nicht einmal ein langer Tag. Es ist einfach nur einer dieser Tage, an denen alles nicht ganz so elegant glatt läuft wie gewohnt.

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