Langsam füllt sich der Kalender wieder und das ist schön, aber auch unglaublich anstrengend.
Wie war das bloß damals, als ich mich fast jeden Abend Verabredungen oder Kurse hatte, wie habe ich das zeitlich hinbekommen, war ich da nicht dauermüde (nicht, dass ich es jetzt nicht wäre)? Es ist fast unvorstellbar, aber nur ein paar Monate her.
Ich kann noch immer nicht glauben, dass die Sommersonnenwende schon stattgefunden hat. Normalerweise jammere ich zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa einem Monat über Hitze. Jetzt sind 1/3 der für mich nervigen Monate schon rum, ohne, dass ich es bemerkt hätte.
Was aber schön ist am Sommer: dass meine Sonnengläser nachts immer leuchten (ok, ich könnte sie auch per USB aufladen, aber das ist was anderes). Und dass die Amsel abends so schön singt.
Eins der Themen, die meiner Ansicht nach völlig unterkomplex betrachtet werden, ist: Home Office: hat ja gut geklappt, warum machen wir da jetzt nicht immer? Achso, weil der Arbeitgeber misstrauisch denkt, man arbeitet da nicht. Deshalb jetzt bitte gesetzliches Recht auf Home Office für alle!11
Ich finde eher, Home Office funktioniert nicht rein dadurch, dass alle nun von zu Hause arbeiten. Sicher ist der physische Aufenthaltsort das offensichtlichste Merkmal, aber die Thematik hat sich dadurch noch nicht erschöpft (dass das ganze Konstrukt sowieso nur einen Brucheil der Erwerbsarbeitenden betrifft und davon nochmal nur für einen Bruchteil räumlich in Frage kommt, lasse ich mal außen vor).
Was muss - außer der reinen physischen Präsenz und der (technischen) Befähigung, die Aufgaben von einem anderen Ort auszuführen - noch alles bedacht werden?
Einmal ganz praktische Fragen, da gibt es eine Vielzahl, mir ist bestimmt (zu Hause) nur ein Bruchteil an Fragen eingefallen, die es zu beantworten gälte.
Ganz vorne dabei: wie ist es mit der Vertraulichkeit? Ich gehe viel mit Personaldaten um, mein Arbeitgeber befasst sich insgesamt viel mit Insiderinformationen (in Bezug auf Börsenhandel, keine Geheimagenten, leider). Was mache ich mit Akten oder Ausdrucken, wo kommen die hin, brauche ich abschließbare Schränke? Schließlich sind weitere Familienmitglieder anwesend, manchmal hat man auch Besuch (zu Coronazeiten natürlich eher nicht). Was ist bei vertraulichen Gesprächen, Telefonaten, Videokonferenzen, muss ich da das Fenster oder die Balkontür schließen, muss ich die Tür zum Arbeitszimmer schallsichern, wie hellhörig sind die Wände, wer überprüft das? Was mache ich mit Papiermüll? Welche Haftungsfragen ergeben sich?
Von der Arbeitsplatzsicherheit (und Überprüfung derselben) will ich gar nicht anfangen, das ist jederzeit anstrengendes Thema. Aber was ist bei Kündigung oder langer Krankheit, geht dann wer in die Privatwohnung und holt Unterlagen da heraus, wie würde das funktionieren?
Dann die zwischenmenschlichen Fragen: wie mache ich es mit der Kommunikation? Gerade mit der informellen, die sonst zwischen Tür und Angel passiert oder während man auf jemanden wartet oder im vorbeigehen was fragt oder gemeinsam in die Mittagspause geht oder was man bei offener Tür so an Flurfunk mitbekommt. Was man nicht hört sondern sieht und manchmal auch nur spürt. Diese informelle Kommunikation braucht Räume, sie ergeben sich bei räumlich verteiltem Arbeiten nicht (oder nicht so schnell) von selbst, sie müssen bewusst geschaffen werden.
Was ich mich in der Rolle des Arbeitgebers auch fragen muss: wie weit gehe ich denn den Weg? Sollen alle generell immer von woanders arbeiten (das wollen glaube ich gar nicht mal so viele) würde das bedeuten, dass ich das meiste Equipment nur einmal brauche und dass ich die "offizielle" Bürofläche auf ein Minimum reduzieren kann. Wenn ich aber eine Mischform habe, brauche ich einige Sachen mehrfach (oder die Bereitschaft der Mitarbeiter*innen, immer recht viel zu tragen - kommt also vielleicht auch auf die Art der Anreise an den Arbeitsplatz an, Autofahrer*innen möglicherweise schlepp-bereiter als ÖPNV-Nutzer*innen?) Und wie gehe ich dann mit den Büroflächen um? Ich halte ja nicht für jeden ein schickes Einzelbüro vor, wenn die Hälfte die Hälfte der Zeit nicht da ist, das ist völlig ineffizient. Da würde ich dann doch eher mit flexibler Platzwahl und Desk Booking Tool arbeiten - und wie groß ist dafür dann die Toleranz? Das ist natürlich auch überall unterschiedlich, aber in meinem Umfeld denke ich, diejenigen, die ich durch Flexibilisierung des Arbeitsortes gewinne verliere ich andersherum wieder an der Stelle, an der sie ihre Diplome nicht mehr an die Wand hängen und keine Pflanzen mehr aufstellen können.
Verwaltungskrempel wäre zusätzlich zu berücksichtigen: wer hat den Überblick, wer wann wo ist (gibt sicher eine technische Lösung), wie viele Getränke und wie viel Klopapier muss ich im Büro vorrätig halten.
Überlegungen für mich persönlich: mir fehlten zu Hause die Dehnungsfugen des Alltags. Der Fußweg zur Bahn, das Lesen in der Bahn, die Kollegin, die mich zum Essen abholt, Menschen sehen, draußen sein (in der Pandemie natürlich nochmal verstärkt, weil ich während der Home Office Zeit ohne konkreten Anlass nicht rausgegangen bin, das wäre normal natürlich anders).
Wichtig ist: all diese Fragen kann man natürlich klären, Regelungen und Lösungen finden. Technische Lösungen, Lösungen durch Aufmerksamkeit für das Problem, durch Schulungen, durch Beratung, durch Veränderung einer Kultur., durch Arbeit an mir selbst. Aber halt nicht “mal so eben”; ich denke, das ist eher ein Projekt.
Als Arbeitgeber muss ich mich natürlich fragen: will ich mir dieses Projekt leisten (das kostet ja Geld, irgendwer muss auch bezahlt werden, um sich darum zu kümmern und zwar aus verschiedenen Bereichen: IT, HR, Leute die Schulungen machen, Leute die Compliance machen und so weiter)? Was bringt mir das?
Weitere Überlegung - jetzt speziell für mein Büroumfeld - wäre: was bedeutet das für die Personenstruktur? Wir sind z.B. so organisiert, dass es einen Teil an Leuten gibt, die durch ihre Arbeit Geld reinbringen und damit einen anderen Teil querfinanziert, der Geld kostet - zum letzteren Teil gehöre natürlich auch ich. Der zweitgenannte Teil ist also nur sinnvoll, wenn er massiv dazu beiträgt, das “Geldreinbringen” des ersten Teils zu fördern. Alles, was kein Geld bringt, soll der Geldreinbringteil einfach gar nicht machen, auch wenn er es natürlich könnte.
Wenn ich jetzt also z.B. eine Geldreinbringerin im Home Office habe, wie ist das dann, wenn sie einen Kaffee will? Holt sie sich selbst klar, kann sie ja, meine Güte, erwachsener Mensch, wird sich wohl Kaffee holen können, muss man nur richtig erziehen. Bringt sie in der Zeit Geld rein? Nein, tut sie nicht. Betrag x verloren, Betrag x steht also weniger für die Querfinanzierung des unterstützenden Bereichs zur Verfügung. Übertragen Sie Kaffee auf alle anderen Sachen, die eine Geldreinbringerin im Home Office selbst macht, weil sie es ja auch kann und weil es sonst auf physische Distanz zu umständlich, zu kompliziert, zu langsam wird.
Natürlich lässt sich ein Büro auch ganz anders organisieren, es ist einfach ein Frage von “wie stelle ich mich auf” mit den entsprechenden Konsequenzen für den Personalbedarf.
Wie gesagt, das kann man alles überlegen, abwägen, diskutieren, technisch oder strukturell oder kulturell einrichten aber: es ist nicht mit dem reinen “zu Hause sein” getan. Und nun schlicht ein etwas schräges Lob auf das Home Office singen und dabei in Moll die Klage anführen, dass “der Arbeitgeber” ein Kontroletti ist, übersieht die Komplexität des Themas.
Heute Morgen aufgewacht, barfuß auf dem Balkon gestanden und mich gefreut, dass alles so gut geregelt ist gerade, alles, was getan werden muss, im grünen Bereich, seit langem mal kein Grund, sonderlich unentspannt zu sein.
Heute Abend gedacht, wie viel zu erledigen ist, wie chaotisch alles ist, über was ich alles grübeln könnte.
Zwischen diesen beiden Momentaufnahmen hat sich rein gar nichts geändert. Außer offensichtlich irgendwas in meinem Kopf. Total absurd.
Ich wachte heute morgen gegen 5 Uhr auf, weil ein Herr auf der Straße sehr laut "Rivers of Babylon" sang. Man könnte sagen: grölte. Amüsiert schlief ich wieder ein.
Als ich gegen 7 Uhr vom Wecker erwachte, sang er immer noch. Er hatte zwischenzeitlich etwas umgedichtet und sang "Rivers of Offenbach" und sehr oft kam auch "schalalalala" vor. Weiterhin amüsiert stand ich auf, erledigte die Körperpflege, fütterte die Katzen, groß den Balkon und kehrte schließlich in ein Zimmer der Wohnung zurück, das zur Straße hinausgeht. Der Herr sang noch immer. Meine Güte.
Als ich das Haus verließ, hatte er aber aufgehört.
Als ich abends zurück kam, fuhr die Nachbarin von schräg unten drunter gerade in den Hof und rief durch das Autofenster, ob wir wenn sie geparkt habe kurz sprechen könnten. Ich bejahte und ging, während sie in die Garage fuhr, die Optionen im Geiste durch. Müllvergehen hatte ich keine begangen (der Feigenbaum ist noch nicht in der Biotonne versenkt), sowieso ist diese Nachbarin auch keine Müllkontrolliererin, so weit ich weiß. Post hatte ich keine angenommen, auch keine Zeitungen gestohlen, wenn ich Blumen gieße tropft es auf der Seite, auf der ihr Balkon nicht ist, es wurde nicht übermäßig gegrillt, niemand hat geraucht, das Garagentor ist geölt. Hm hm.
Dann stieg sie aus dem Wagen, ich fragte "Wie geht's euch denn?" und sie sprach, mit Leidensmiene: "Völlig gerädert, das ist ja schlimm momentan und besonders heute Morgen!" Sie sprach vom singenden Herrn und von anderen laut sprechenden Herren und manchmal auch Damen, die sich wohl häufig am Kiosk am Eck versammeln und von der Polizei, die sie dann ruft und die immer erst nach einer Stunde oder zwei kommt aber dann mit Martinshorn, so dass man dann auch wieder senkrecht im Bett steht.
Und ich muss leider sagen: außer von dem Babylon-Mann wusste ich von nichts. Ich dachte, der Kiosk habe sowieso aufgrundderaktuellensituation pleite gemacht oder mindestens derzeit geschlossen. Die letzte Ruhestörung, an die ich mich erinnere, war als vor zwei Jahren ebenfalls ein Mann in den frühen Morgenstunden gerne "Angela Merkel ich liebe dich" in Sprechgesang intonierte (ich habe den stimmlichen Verdacht, es könnte derselbe Sänger wie der von "Rivers of Babylon gewesen sein - gesehen habe ich aber beide nicht).
Es ist echt faszinierend, wie unterschiedlich das Empfinden für Lärm ist.
Frau Fragmente sitzt in ihrem Schlafzimmer am Schreibtisch und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente. Ich sehe heute zum ersten mal ihre Tischplatte aus der Nähe. Eiche würde ich sagen.
Frau Fragmente trägt heute ein Headset: große Kopfhörer und ein Mikro vor dem Mund. Es sieht sehr professionell aus. Ich selbst bin heute zerrauft, was zum einen daran liegt, dass ich zweimal in den Regen gekommen bin, zum anderen daran, dass ich bis eine Sekunde vor unserem Treffen noch in einer konkurrierenden Videoveranstaltung war und dann sind meine Haare auch noch zu lang. Aber das wird morgen behoben.
Ansonsten hatte ich heute einen recht entspannten Tag. Es gab wenige akute Fälle und ich hatte Zeit, mich komplexeren Themen zu widmen, mehrere Stunden am Stück in Unterlagen abzutauchen und so etwas. Das führt bei mir meistens dazu, dass ich die Zeit vergesse und mich auch später nicht mehr so genau erinnern kann, was ich gemacht habe. Aber was im Kopf ist, ist im Kopf, darauf wollen wir einfach mal vertrauen.
Frau Fragmente trinkt Cola glaube ich, vermutlich Cola Zero, die trinkt sie nämlich immer. Das erinnert mich daran, dass ich neue Getränke bestellen muss bzw. bestellen möchte, ich muss natürlich nicht, es gibt ja Wasser aus der Leitung, aber ich möchte auch Cola Zero haben. Allerdings kam ich diese Woche an jedem Abend zu spät nach Hause.
Ich trinke alles Mögliche, ich habe nämlich heute eine Aufgabe, die mich quasi am bloggen hindert: ich muss sehr viel aufessen. das liegt daran, dass die Gemüsekiste kam und die ist im Sommer immer viel umfangreicher, als ich es erwarte. Ich bin gedanklich ja noch im März, daher hatte ich mit der Sommerkiste nicht gerechnet. Nun ist diverses Zeug in den Kühlschrank zu packen und anderes muss heraus, außerdem war ein wirklich ganz riesiges Brot in der Kiste, von dem ich die Hälfte einfrieren muss und daher muss auch aus dem Eisschrank etwas raus. Aus dem Eisschrank musste Bananen-Joghurt-Eis raus, das ist schon aufgegessen. Nun habe ich das letzte Glas Apfelsekt (die Flasche musste raus) und eine Schale Ananas mit Melone (war schon essfertig vorbereitet und muss weg), mit Sahne (über das Ablaufdatum) und später sollte es im Idealfall noch Bananenmilchshake (sind sehr braun) geben. Wenn möglich wären zwischendurch noch einige runzlige Äpfel zu essen. Sie sehen, es gibt viel zu tun.
So, was noch? Frau Fragmente hat wieder ein Zöpfchen und hinter ihr steht eine Schublade ein wenig auf, an der Kommode, die möglicherweise Hemnes ist. Warum steht das auf? Hat sie da vorhin etwas rausgeholt? Als ich von meinem Webinar zu ihr wechselte, lief sie noch durch die Wohnung, holte die Tastatur und Ähnliches. Vielleicht ist die Schublade der Aufbewahrungsort der Tastatur. Über der offenen Schublade liegt eine Pappverpackung, es sieht verdächtig nach einer Amazon-Bestellung aus. Dahinter ist etwas Grünes aufgetaucht, auf die Ferne wirkt es wie ein Aufsteller mit Prospekten, aber das hat man in Privathaushalten ja eher nicht.
Meine Güte, Frau Fragmente tippt und tippt und tippt. ich sehe mich gewissermaßen unter Zugzwang, habe aber eigentlich heute echt einen chilligen Tag und will das am Abend nicht aufgeben. Worüber schreibt sie bloß? Ich hatte ja kurz überlegt, über das Thema "Home Office" zu schreiben, irgendwo habe ich dazu sogar ein Textfragment, das ich getippt habe, als ich mich einmal allzu sehr aufgeregt habe. Aber das ist jetzt auch schon wieder ein paar Tage her.
Oh, entweder ist das Bild eingefroren oder Frau Fragmente tippt jetzt einhändig so schnell wie sonst mit 6 Fingern. Mit der rechten Hand kratzt sie sich nämlich gerade am Kopf, die Tippgeräusche klingen aber munter weiter. "Man denkt, man kennt die Leute, aber dann erfährt man so etwas", sagte Fragmente vorhin noch als ich erwähnte, dass ich keine Minze mag. Also ich kann Minze durchaus essen, kein Problem, am Liebsten aber pur, denn ich finde, keine Speise und kein Getränk der Welt werden durch ihre Zugabe von Minze in irgendeiner Weise verbessert. Das hat Frau Fragmente erstaunt. Sie reagierte mit einem speziellen Blick, es ist ein kurzes Innehalten, ein Blickkontakt, der ein paar Millisekungen länger ist als normal, das ergibt ein Gefühl, als würde die Situation eingloggt, bestätigt, einmal Enter gedrückt. Novemberregen mag keine Minze [Blick] [Enter], für alle Ewigkeit gespeichert.
Frau Fragmente schreibt noch eifrig, aber mir reicht es für heute. Sowieso dachte ich ja über Nacht, mein Blog sei voll. Also vollgeschrieben, fertig, Ende. Weil die Einträge sich plötzlich im Header zeigten, es lief also über. Es hatte eine ganz andere Ursache, aber da ich mich nun eine Nacht darauf eingestellt hatte, vielleicht noch ein paar Tage unter sparsamer Verwendung von Buchstaben im Header weiterzuschreiben bis dann gar nichts mehr geht, bin ich mental noch nicht ganz von dem Thema weg und möchte heute nicht übertreiben.
Ich muss noch etwas schreiben, sonst kann ich nicht schlafen, denn ich habe gerade einen Brief vom Finanzamt geöffnet, "Rückfragen zu Ihrer Einkommenssteuererklärung 2018" und nun bin ich furchtbar freudig aufgeregt, denn ich kann alle Fragen sofort und aus dem Stehgreif beantworten. Nicht nur das: ich weiß sogar ohne zu schauen, wo die Unterlagen sind, die das belegen. Ich könnte Sie sogar - also genau Sie - anweisen, die bei mir zu finden: gehen sie ins Arbeitszimmer, setzen Sie sich an den Schreibtisch, linker Hand unter dem Schreibtisch steht ein Karton, darin ein graues Ablagekörbchen. In dem Körbchen sind jeweils Plastikhüllen betitelt "Steuererklärung 2020", "Steuererklärung 2019", "Steuererklärung 2018", "Steuererklärung 2017". Umgekehrt chronologisch, 2020 liegt ganz oben. Nehmen Sie also 2018 heraus, unter den ersten 10 Blättern im Stapel ist die erste geforderte Unterlage und die zweite müsste etwa mittig sein, wenn nicht ganz mittig so tendenziell noch in der ersten Hälfte.
Ich kann es gar nicht erwarten, das dem Finanzamt alles genau mitzuteilen, selten war ich so enorm gut vorbereitet, ich fühle mich wie manche der Kinder im Home Office, nein, Home Schooling, die alle Aufgaben und alle Zusatzaufgaben ganz und gar selbständig gemacht haben und nun hören, dass einfach durchweg alle versetzt werden - ich hoffe, das Finanzamt enttäuscht mich nicht in ähnlicher Weise.
Weil ich die Freude, zu antworten noch aufschiebe (ich soll bis zum 3.7., nächster Stapel-des-Grauens-Termin ist aber deutlich vorher, ich werde overperformen!), überlege ich derweil meine einleitenden Sätze für das Schreiben:
"Sehr geehrte Damen und Herren, besten Dank für Ihr Schreiben vom 15.06., das mich überrascht und enttäuscht" - nein, natürlich nicht, "überrascht und erfreut"? Aber Überraschung wäre zu viel, so überraschend ist es ja nicht, dass das Finanzamt nachfragt. Vielleicht "Ich freue mich über Ihr Interesse an meiner Einkommenssteuererklärung"? Das würde mir die Möglichkeit geben, wenn für 2019 auch noch etwas angefordert wird, zu schreiben "Ich freue mich über Ihr auch in diesem Jahr fortgesetztes Interesse an meinen Unterlagen". Aber es könnte sein, dass die Finanzbeamt*innen das falsch verstehen, am Ende noch ironisch auffassen. Naja, ich habe ja noch Zeit, darüber zu reflektieren. Weiß gar nicht, ob ich jetzt gleich zum entspannten Einschlafen Drosten höre oder über weitere Möglichkeiten des ersten Satzes im Schreiben nachdenke.
Über die Grußformel am Ende werde ich mir auch noch Gedanken machen, das übe ich derzeit in der beruflichen Korrespondenz mit Frau Fragmente und ich bin schon recht gut, die Ideen fließen, man muss nur einmal richtig loslassen, dann macht der Körper von selbst, das sagt auch der Gesangslehrer.
Insgeheim neidisch bin ich aber auf eine Grußformel der virtuellen Bürokollegin, die ich nie anwenden können werde. Sie lautet "Gruß, [Nachname]", zu verwenden als ultimativer Tadel am Ende eines schmallippigen Schreibens. Man muss dazu den richtigen Nachnamen haben, meiner ist nicht richtig, er ist zu lang und zu umständlich für einen knappsten Gruß. Ich kann Ihnen natürlich keine weiteren Hinweise auf den Nachnamen der virtuellen Bürokollegin geben, aber seien Sie versichert, dass die Emotion absolut rüberkommt wie ein Peitschenhieb. Wie gesagt, diese Möglichkeit steht mir nicht zur Verfügung jedenfalls nicht bis zum 3.7. (allzu weit in die Zukunft zu blicken habe ich mir 2020 gründlich abgewöhnt), aber ach fast schon wieder vergessen, ich wollte ja nett schreibejn, gar nicht tadelnd sondern freundlich-begeistert-aber-nicht-merkwürdig.
Das Lustiges ist, dass M momentan dienstags immer um Punkt 10 im Bett liegt und, wenn ich frage "gehst du schon schlafen?" empört sagt: "Ich habe morgen Schule!"
So, also ob sie nicht die letzten Jahre jeden Abend erst gegen oder nach Mitternacht geschlafen hätte, obwohl sie da immer am nächsten Morgen Schule hatte.
Wie es jetzt dazu kommt, dass ich montags schon so müde bin als wäre eine 100tägige Woche gewesen, erschließt sich mir nicht. Aber es ist so.
Vor ein paar Tagen ging mein Laptop kaputt, wobei man vielleicht auch sagen könnte, dass er schon vor ein paar Wochen kaputt ging, da fiel nämlich die ä-Taste ab und ließ sich nicht mehr befestigen. Nach ein paar Tagen der Eingewöhnung hat mich das nicht mehr gestört.
Dann brach aber eines der Gelenke am Bildschirm ab, der Laptop lässt sich also nicht mehr zuklappen und auch nur noch schlecht herumtragen, wurde also in der Benutzung sehr unkomfortabel. Und zum Schluss war noch der Stromanschluss so ausgeleiert, dass ich das Kabel beim Laden festhalten musste, sonst bekam es keinen Kontakt mehr. Auf Dauer keine gute Situation.
Erst wollte ich ein neues Gerät kaufen, fand dann aber ein von Mademoiselle abgelegtes Notebook in einem Schrank, es ist metallic-rot, das gefällt mir sehr gut. Allerdings ist es auch sehr langsam, was mich irritiert, denn ich habe alle Programme runtergeworfen außer Chrome. Mehr brauche ich ja nicht. Was kann da noch langsam sein?
Momentan (wir sind an Tag 3) habe ich noch die Hoffnung, dass das Gerät ständig irgendwelche Updates im Hintergrund zieht. Es war zwischen 2018 und letztem Freitag nicht eingeschaltet, vielleicht dauert da manches etwas länger. Sollte das alles so langsam bleiben, sehe ich keine große gemeinsame Zukunft für mich und Rot-Metallic. Dass es kein Bluetooth hat kann ich noch so gerade verschmerzen, aber langsam geht halt einfach gar nicht.
Wenn ich sehr viel neue Dinge höre oder erlebe, sehr viel sehe, sehr viel Input bekomme, kommt mir die Zeit im Rückblick unendlich vor.
So ein Tag war heute. In meiner Wohnung fanden Dreharbeiten statt mit größtenteils fremden Menschen, zwei Räume wurden erst komplett ausgeräumt und dann etwas umgeräumt, Geräte für Licht und Ton wurden hineingetragen, Markierungen erstellt, Szenen diskutiert, das war alles enorm spannend.
Als ich 10 oder 12 Jahre alt war, habe ich mit einer Freundin ein Hörspiel geschrieben und aufgenommen, allerdings kamen wir nie über die erste Szene hinaus. Die enthielt nämlich Pferdegetrappel und in Ermangelung eines echten Pferdes fanden wir immer neue und bessere Möglichkeiten, das Geräusch zu erzeugen. Dann waren wohl die Ferien oder das Wochenende oder was es auch immer war vorbei und damit auch das Hörspiel.
So ähnlich war es heute, es gab auch immer wieder neue und bessere Ideen, aber immerhin war man nach zwei Stunden schon bis Szene 2 gekommen. Das Ganze verlief insgesamt natürlich deutlich professioneller als mein Hörspiel und wurde daher auch fertig - sogar etwas vor der geplanten Zeit.
Und obwohl ich selbst gar nicht beteiligt war, habe ich so viel gesehen und gehört, dass ich mich an gestern schon nicht mehr erinnern kann. Da war ich wohl im Büro? Das kommt mir vor, als sei es mehrere Wochen her.