Sehr müde heute, ich sage ja immer, das ist wie beim Fahrradfahren: hat man nicht mehr genug Geschwindigkeit, fällt man um.
(Gute Nacht)
Ich bin total aufgeregt, denn es sah heute irgendwann plötzlich so aus, als könnte ich meinen Stapel des Grauens tatsächlich bezwingen. Natürlich nicht sofort, ein paar Wochen (Monate) wird es noch dauern, aber zum ersten Mal überhaupt scheint es möglich zu sein. Glaube ich. Es kommt natürlich immer etwas nach, aber ich halte es nun für nicht mehr ganz ausgeschlossen, dass auch ich irgendwann wieder ein Leben führe, in dem man sich immer nur dem Poststapel von etwa einer Woche widmen muss.
Ganz sicher bin ich allerdings noch nicht. Bleiben Sie dran!
Das war ein entspanntes und ruhiges Wochenende und "die aktuelle Situation" (ich kann diesen Ausdruck nur noch in Anführungszeichen schreiben und sprechen) brachte mir einen ganz unerwarteten Vorteil: es war ja absolut sonniges Wetter und normalerweise verspüre ich an sonnigen Wochenenden einen gewissen sozialen Druck, "nach draußen zu gehen, wenn doch die Sonne so schön scheint!". Aber es ist hier allgemein bekannt: ich mag keine Sonne.
Heute war die Sache natürlich anders. Klar gingen auch heute in meinem Umfeld Leute raus, aber ich konnte mich, statt mich gewissermaßen aufgefordert aber widerwillig zu fühlen, ich wonniger Überlegenheit suhlen - und das alles vom Sofa aus, von einem der Sofas, teilweise Sessel oder auch Bett oder Fußboden. Jedenfalls alles drinnen.
Das war schön.
Unerwartet habe ich einen kleinen Trick gefunden, wie die Katzen mich nachts unterbrechungsfrei schlafen lassen: die Katzen sind jetzt selbst nachts immer sehr müde.
Das kommt so, weil ich nun auf dem Balkon Vögel füttere. Hinter dem Katzennetz natürlich (bzw. davor, je nach Blickrichtung, also jedenfalls auf der Seite, auf der die katzen nicht sind). Dort habe ich so einen kleinen "Außenseiteblumentopfhalter" aufgehängt eine Schale hineingelegt und sie mit Erdnüssen und mittlerweile auch Rosinen gefüllt. Es hat ein paar Tage gedauert, aber mittlerweile habe ich eine Wildtaube, ein paar Meisen und Hausrotschwänze, eine Amsel, zwei Elstern und eine Krähe gesehen. Und irgendeinen relativ fetten Vogel, von dem ich nur das Hinterteil sehen konnte, denn er saß oben bei den Nachbarn auf der Brüstung und wartete wohl darauf, bis die unter ihm laut gackernde Katze verschwindet - das Hinterteil des fetten Vogels saß von 4 Meter weiter unten aus, als könnte es zu einer Ente gehören, aber das ist ja doch eher unwahrscheinlich.
Mit der laut gackernden Katze sind wir aber beim Thema: die Katzen finden das natürlich unglaublich spannend. Den ganzen Tag sind sie nun draußen und lauern oder liegen drinnen so, dass sie rausschauen können, und lauern. Sind Vögel in der Nähe, springen sie auf den Balkontisch und drehen die Köpfe wie wild, sind höchst aufgeregt, folgen mit dem Körper dem Kopf und fallen auch schonmal vor Aufregung vom Tisch. Geschlafen wird, so lange es hell ist, kaum noch, es könnten ja Vögel kommen. Dementsprechend erschöpft sind die Katzen in der Nacht.
Hehe.
Ich hatte heute großen Spaß daran, mit einer anderen Stimme zu sprechen. Nämlich mit der meiner virtuellen Bürokollegin. Im Büro tratscht man ja auch, ich tratschte über eine Mail, die ich erhielt. An einem meiner allerbesten Tage hätte ich auf eine solche Mail vermutlich mit gelassenem Ignorieren reagiert; allerbeste Tage sind im Moment jedoch rar und so reagierte ich mit starkem Augenrollen und einem besonders beherzten Schlag auf die Delete-Taste.
Die virtuelle Bürokollegin lachte im anderen Bildschirm und fragte nach dem Anlass für so viel Gestik und Mimik, also trug ich vor. Und erhielt als Antwort die Anregung, ich solle doch mal nett sein, gleich mit Formulierungsvorschlag.
Ich halte mich tatsächlich für einen sehr netten Menschen, denke aber häufig in Situationen "das kann doch nicht ernst gemeint sein, mir dieses Anliegen vorzutragen, meine Güte ruf Mama an oder sprich mit den Sorgenpüppchen!" Dass ich das nicht laut sage sondern einfach die Delete-Taste drücke, finde ich sehr nett. Ich erfuhr heute, dass man sogar noch netter sein kann, wie gesagt, mit Formulierungsvorschlag, den ich gleich auch anwendete. 1:1, ohne Veränderung: was die virtuelle Bürokollegin sagte, tippte ich.
Was der Empfänger der empathisch-zugewandten sehr netten Botschaft sich dachte, weiß ich natürlich nicht, ich erhielt aber bald eine ebenfalls freundliche Nachricht, die in Richtung ging ich solle mich bitte nicht sorgen, es sei halb so wild und die Angelegenheit bedürfe nun doch nicht meiner Aufmerksamkeit.
Das war für mich in zweierlei Hinsicht sehr befriedigend. Zum einen war die Angelegenheit ganz klar abgehakt und nichts, das nur bei mir gelöscht ist aber noch anderweitig im Raum herumdiffundiert. Und zweitens war es beeindruckend, ein neues Instrument so unmittelbar anzuwenden und in seiner Wirkungsweise zu betrachten, wie ein neues Spielzeug oder eine neue kleine Maschine. Kill them with kindness, smother them with love, es funktioniert tatsächlich!
Auf die Gefahr, wie eine gesprungene Schallplatte zu klingen: ich bin wirklich sehr sicher, dass ich ein total ruhiges Wochenende haben werde und vermutlich sogar morgen schon einen ziemlich ruhigen Freitag!
(Hoffe sehr, das wird kein Running Gag. Oder ist es schon einer?)
Frau Fragmente hat sich den zweiten Tag in Folge nicht die Haare gewaschen. And so it begins.
Oh, ich fange ja immer anders an, Entschuldigung, geht schon wieder: Frau Fragmente sitzt an ihrem Wohnzimmer-Ess-HomeOffice-Tisch und bloggt, ich sitze an meinem Schreibtisch und blogge über Frau Fragmente.
Heutiges Set-up: sie trägt Pferdeschwanz und eine sehr dicke Jacke, sie sagt, sie friert, was sich mir nicht erschließt, es ist sauwarm, ich bin kurzärmlig und barfuß. Hoffentlich wird sie nicht krank? Der Tisch, an dem sie sitzt, wirkt heute filigraner als sonst. Was so eine Perspektive alles ausmacht. Blogging Set-up wie immer: Bluetooth-Klapptastatur und iPad Mini (oder sowas), dann hat sie eine Büchlein mit Ringbindung und den Finepen vom letzten Mal (den sie natürlich nicht aus meinem Büro geklaut hat) neben sich, ich weiß, dass in diesem Büchlein Notizen für den heutigen Blogtext sind. Einmal so vorbereitet sein, wie Frau Fragmente! Oder vielleicht auch lieber nicht, wo ist da der Spaß? Please discuss.
Neben dem Notizbuch das Handy, schräg darüber die Tastatur, Laptop, Zeugs, großer Bildschirm, goldenes Licht, es wirkt fast wie ein Stockfoto "Business Woman lässt per Mail die Puppen tanzen". Keine belastbaren Daten zur Spülmaschine, vor der Fensterfront steht allerdings eine Kleiderstange (ohne Kleidung), ich habe dieselbe auch. Über der Heizung hängt ein Lappen, vielleicht wurde geputzt? Es sieht definitiv sehr sauber aus.
Ich für meinen Teil mache hier heute einen auf locker, habe Gurke und Dosenbier, etwas besseres gibt es ja kaum.
Ansonsten bin ich heute tiefenentspannt. Das ist auf der einen Seite verwunderlich, auf der anderen aber dann auch wieder nicht. Verwunderlich ist es, weil ich derzeit, also seit ca. 6 Wochen, die mit Abstand anstrengendste und herausforderndste Phase meines beruflichen Lebens habe, die bisher zwei Peaks aufwies, einen um den 18.3. herum und den zweiten seit letztem Freitag. Aber dieser zweite Peak ist seit gestern über den ersten Gipfel und seit heute über den zweiten und jetzt wird langsam ins Tal gerollt, ich habe also zwar heute bis 17 Uhr gearbeitet wie eine Besessene, aber seit 17 Uhr weiß ich: es ist geschafft. Und jetzt antizipiere ich bereits die Entspannung, die das bringen wird. Es sind ja jetzt nur noch die Aufräumarbeiten abzuschließen (7776 ungelesene Mails zum Zeitpunkt des Feierabends um 19:00 Uhr heute) und danach kann ich ganz normal arbeiten. "Ganz normal arbeiten" wird nach den letzten 6 Wochen vermutlich wirken wie Urlaub, Feiertag und Wochenende zusammen. Deshalb bin ich so entspannt.
Nachdem heute der zweite Gipfel überwunden war, habe ich auch gleich noch ein bisschen gestritten. Endlich wieder Kapazitäten dafür! Ich glaube, alle haben das vermisst, eine E-Mail dazu lautet sogar "Ich mag den Home Office nicht, im Büro hätte ich mir diese Antwort persönlich abgeholt, das wäre lustiger gewesen." Ich bin also nicht nur entspannt, sondern auch noch gut gelaunt (nicht, dass Sie diesen Text ironisch lesen, das ist er nicht). Weiter werde ich auch noch gedanklich damit klarkommen müssen, dass sich die Zusammenarbeit mit dem neuen Oberchef komplett gewandelt hat. Dazu brauche ich aber noch ein bisschen.
Zurück zu Frau Fragmente. Sie hat sich warm geschrieben und zieht nun die Strickjacke aus. Jetzt ist sie auch kurzärmlig. Ich habe mir in der Zeit - ich glaube, von ihr unbeobachtet - noch ein paar Schokoladenostereier geholt. Die habe ich im Schlafzimmer wiedergefunden, hatte ich total vergessen, aber so gehört es mit Ostereiern ja auch. Gerade war eins mit roter Grütze gefüllt, ich habe noch Marzipan und Sahnetrüffel. Passt fast so gut zu Dosenbier wie Gurke.
Sie denkt heftig nach - also Frau Fragmente. So mit Lippen einsaugen meine ich, bin unsicher, ob ich das je schonmal bei ihr gesehen habe.
Achso, noch etwas Lustiges ist mir heute passiert: ich habe zum zweiten mal eine Maske getragen und sie zum zweiten mal falsch getragen. 2 von 2 falsch. Unglaublich. Geht es anderen auch so? Woher soll ich wissen, wie man eine Maske trägt? Zum Glück gibt es hilfreiche Menschen, die Videoanleitungen schicken. Und sowieso auch Masken, sonst hätte ich ja gar keine.
Vielleicht habe ich diese Maskenproblematik auch, weil ich einfach nicht so ein richtiges räumliches Vorstellungsvermögen habe. Das hat sich auch gestern wieder gezeigt - gestern habe ich mit Freundinnen einen Escape-Room gespielt und gleich nach ein paar Minuten fiel mir auf, dass es ein Problem dabei geben könnte: ich kann ja nicht gut Piktogramme erkenne. Ein Kasten war abgebildet, ich hatte keine Ahnung, ob es vielleicht ein Radio ist oder eine Brotdose (weiß es bis jetzt nicht, es war aber auch egal) und später hätten wir einen Code fast nicht geknackt, weil ich ein Fernglas für Handschellen hielt und eine Taschenlampe für eine Rakete (oder umgekehrt, weiß ich nicht mehr). Geben Sie mir Zahlenreihen, die kann ich mit einem Blick fortführen, oder Zahlencodes, die man in Buchstaben umwandeln soll, die kann ich fast so lesen wie normalen Text, aber Brotdose und Radio kann ich nicht unterscheiden. Das Gehirn ist echt ein komisches Ding.
War aber eine lustige Sache und wir haben das Rätsel innerhalb der Zeit gelöst. Das war uns bei unserem ersten (damals noch live) Escape Room nicht gelungen und das kratzt bis heute an meinem Selbstverständnis.
Frau Fragmente seufzt. Es schien mir aber noch kein handlungsabschließendes Seufzen zu sein, klang eher wie ein "so, zwei Absätze noch"-Seufzen. Wir werden sehen. Für mich reicht es aber heute, ich werde jetzt ablenkende Konversation betreiben, bis das wirkliche handlungsabschließende Seufzen kommt.
Heute allerdings noch nicht.
Es wird ab jetzt ganz sicher ruhiger bei mir, ICH BIN DA ABSOLUT ZUVERSICHTLICH!!!
Anfang des Jahres war ich auf einem Seminar und hörte dort einen schönen Begriff, der mir gestern wieder eingefallen ist: der "neurotische Keller". Es ging um Veränderungsprozesse und die Phasen, die sie durchlaufen (bzw. die die Personen durchlaufen, die von Veränderungsprozessen betroffen sind). Eine der ersten Phasen ist geprägt von Gefühlen wie Verunsicherung, Ungläubigkeit, Trotz, Wut, Verleugnung, Angst. Was ich lernte ist, dass diese Phase nicht optional ist, sondern dass jeder da durch muss. Es geht nur unterschiedlich schnell - das liegt an vielen Faktoren, zum einen natürlich an der eigenen Haltung zur Veränderung, persönlichen Vorerfahrungen, Resilienz etc. aber auch daran, wie auf die Gefühle eingegangen und ihnen begegnet wird, ob sie adressiert werden. Ich habe gelernt, dass es die Aufgabe von Personen, die Veränderungsprozesse einleiten oder begleiten ist, sich diesen Themen zu widmen und damit dazu beizutragen, dass alle auf der anderen Seite wieder aus dem neurotischen Keller hinauskommen. Oder die meisten, alle kann man nicht immer mitnehmen, aber indem man die Themen adressiert, erreicht man Kellertreppe/Lichtschalter schneller, als wenn man sich denkt "boah die sind doch erwachsen und sollen mal klar kommen!" (was meine natürliche Reaktion war, die andere musste ich erst erlernen).
Der Begriff "neurotischer Keller" fiel in dem Seminar nur einmal, wurde dann sofort als ein bisschen böse verbannt, aber ich fand ihn ganz wunderbar und treffend.
Gestern fiel mir der Begriff wieder ein, weil ich den Eindruck hatte, meine Umwelt besteht fast nur noch aus hysterischem Geschrei. Und da fiel er mir wieder ein und ich war regelrecht beruhigt: alles ganz normal, niemand plötzlich den Verstand verloren oder ein anderer Mensch geworden oder immer schon ein anderer Mensch gewesen, als ich dachte hatte. Wir sind nur im neurotischen Keller, den Weg dadurch muss eben jeder einzeln gehen, das gehört so, es wird ein bisschen dauern, auch unterschiedlich lang, aber dann kommen die allermeisten wieder die Treppe hoch. Und die, die das geschafft haben, können die Tür ja schonmal einen Spalt auflassen, statt sie oben zuzuknallen, sich an den Kaffeetisch zu setzen und über sich lauthals über die zu wundern, die aus den unterschiedlichsten Gründen noch unten herumirren.