Auch 2019 gibt es wieder WmdedgT.
Ich wache das erste Mal gegen 4 Uhr mit grauenhaften Migränekopfschmerzen auf, werfe Schmerzmittel nach und lege mich wieder ins Bett. Zum zweiten Mal wache ich dann um 7 Uhr auf, weil die kleine Katze mich haut und anschreit. Ich fülle den Napf mit Futter und lege mich wieder ins Bett. Dann wache ich um 10:30 Uhr wieder auf und beschließe, wach zu bleiben.
Es folgt erstmal ein Kaffee auf der Couch, um zur Besinnung zu kommen, danach Frühstück und dann setze ich mich an den Schreibtisch, um weiter den Papierstapel des Grauens abzuarbeiten. Überraschenderweise geht das plötzlich sehr schnell und ich erledige alles, das heute möglich ist (Bankbesuche und Anrufe irgendwo halt wegen Wochenende nicht). Die Ablage des Abgearbeiteten verschiebe ich nochmal auf einen anderen Tag aber der Stapel an sich ist durch. Sehr schön.
Nicht so schön ist, dass die Migräne sich hartnäckig hält. Deshalb entschließe ich mich am Nachmittag zu einem anderen Migränemittel, das ich nur sehr ungern nehme, aber ich bekomme den Kopf jetzt schon seit mehreren Tagen nicht in den Griff und habe die Nase voll.
Am Abend bin ich verabredet zu Köcheln & Picheln, d.h. eine Gruppe Freunde trifft sich bei einer Person, die das Hauptgericht zubereitet, wer anders bringt jeweils Vorspeise und Dessert mit und dazu gibt es Getränke. Das Thema dieser Runde ist "Eintopf", passend zu den Wintermonaten, und das Thema des heutigen Abends "Irland". Ich bin für das Dessert zuständig, es wird ein Brotpudding mit weißer Schokolade und Whiskey-Eggnogg-Sauce. Der Brotpudding soll erst vor Ort in den Ofen, ich bereite also nur die Bestandteile vor und packe sie für den Transport ein. Die Sauce mache ich zu Hause schon komplett fertig.
Als ich gerade aufbreche kommt ein erschreckender Anruf: ein Freund, der eigentlich auch am Köcheln & Picheln teilnehmen will, ist gerade mit Vorhofflimmern vom Rettungswagen abgeholt worden. Es gibt aber im Moment nichts, das wir für ihn oder seine Freundin tun könnten. Daher treffen wir uns trotzdem zum Essen und halten nur die Handys im Auge und achten darauf, fahrtauglich zu bleiben - was bei mir wegen des Medikaments generell etwas fraglich ist, aber es sind ja genügend andere da.
Das Menü ist sehr lecker - mit dem kranken Freund entfällt die Vorspeise, aber die Gastgeber haben sozusagen als "Gruß aus der Küche" noch Haggis-Blätterteig-Häppchen (Schottland, Irland, Hauptsache Skandinavien) vorbereitet und das Hauptgericht ist ein Lamm-Stew mit Kartoffeln, grünen Bohnen und Karotten. Der Brotpudding als Dessert gelingt ebenfalls, auch wenn es erst nicht danach aussieht: das Backblech bricht unter der Last von Pudding und Wasserbad zusammen und überschwemmt die Gastgeberküche. Immerhin war ich so geistesgegenwärtig, die heiße Auflaufform mit kochendem Wasser nicht auffangen zu wollen sondern trat elegant einfach einen Schritt zur Seite. Glück gehabt!
Gegen Mitternacht brachen wir nach Hause auf, dort fand ich eine angespannte Küchensituation und eine wütende M vor, die ein größeres Backprojekt (4-stufige Buttercremetorte) gestartet hatte und das lief dann nicht so wie erhofft. Es ist nicht das erste Mal, dass gescheitertes Backen hier zu größeren Verwerfungen führt und ich glaube, das liegt auch daran, dass das Kind die Komplexität von Konditoreiaktivitäten unterschätzt - vielleicht, weil sie mir so leicht von der Hand gehen, ich habe aber natürlich auch viele Jahre Erfahrungsvorsprung und bin in einem Bäckerhaushalt aufgewachsen, da kann man leicht mal einen Blick auf ein Internetrezept werfen und sagen "nee, das wird so nicht funktonieren". Ich würde mir wünschen, dass sie halt einfach vorher mal nachfragt und sich Rat zu derartigen Aktionen holt, bei mir oder auch telefonisch beim Opa. Aber wünschen kann man sich bei Kindern um die 14 natürlich immer viel. Es ist, wie es ist, und wenn es nur um Kuchen geht ist es halt auch nicht wirklich dramatisch.
Jetzt hoffen wir auf eine ruhige Nacht - ein paar gedrückte Daumen für den Freund schaden bestimmt nicht.
Nachdem ich mich neulich überall auf der Welt über TK Maxx ausgelassen habe und null nachvollziehen konnte, wie jemand diesen Laden freiwillig besucht, und nachdem ich außerdem in den letzten zwei Wochen überall verkündet habe, dass ich sowieso rein gar nichts mehr kaufen werde, weil ich ja schon alles habe, kam ich heute Morgen gegen 9:30 Uhr bei TK Maxx vorbei und dachte, es sei eine gute Idee, sich dort mal ein wenig genauer umzuschauen.
Erklären kann ich das nicht. Oder vielleicht. Ich habe seit ein paar Tagen Migräne und die äußert sich bei mir nur mit mittelmäßigen Schmerzen, statt dessen habe ich aber neurologische Ausfälle. Vielleicht kam das alles so.
Außer mir war niemand im Laden, sehr angenehm, ich schlenderte durch die Stockwerke und sah ein Kleid (schwarz mit roten Punkten) und wusste, dass es mir gehören sollte. Anprobiert war es auch perfekt, allerdings konnte ich es ohne Hilfe nicht mehr ausziehen und für Kleider, die ich ohne Hilfe nicht ausziehen kann, habe ich dann doch keine Verwendung.
Also kein schwarzes Kleid mit roten Punkten, auch gut, dachte ich mir und strebte wieder dem Ausgang zu, als ich meine Lieblingsjeans da hängen sah, für rund 100 Euro weniger, als ich dafür bezahlt hatte, aber sonst genau gleich, nur eben in einer Nummer größer. Also nochmal zur Anprobe, und was war das für ein Glück, denn in der Kabine stand noch vom ersten Besuch meine Handtasche. Wie das kam, weiß ich auch nicht, vielleicht auch wegen Migräne oder wegen der Verwirrung, sich in einem halb verlassenen Kaufhaus von fremden Menschen aus einem Kleid helfen zu lassen. Die Lieblingsjeans war dann aber - wenig überraschend - eine Nummer zu groß. Man kann es ja mal probieren.
Beim nächsten Vorstoß Richtung Ausgang sah ich dann aber eine schlichte schwarze Hose. Ich hab ja neulich einen radikalen Wandel meines Äußeren von Bootcut und schwarz hin zu Ankle Length und nicht schwarz vorgenommen, bin damit generell zufrieden, aber befand schon in den letzten Wochen, dass eine schwarze Bürohose doch nun wirklich auch nicht schaden würde. Und da hing sie. Und daneben hing auch gleich eine Bluse, die ich neulich schon gekauft hatte, nur in invers (meine ist blau mit cremefarbenen Kringeln, diese war creme mit blauen Kringeln) und dann noch zwei andere Oberteile und ein Kleid, nur rot ohne Punkte, aber egal. In der Umkleidekabine fand ich dieses Mal keine zuvor von mir vergessenen Dinge vor, dafür passten die Sachen ausnahmslos.
Zu Hause war die gestern gefärbte Jeans (von ausgewaschen blau in dark blue) fertig getrocknet und ebenfalls perfekt, so dass ich noch schnell zwei weitere ausgewaschene Jeans umfärbte und jetzt hab ich so viele neue bürotauliche Sachen, dass ich wohl am besten meinen Urlaub abbrechen werde. Sonst hat das ja alles keinen Sinn.
Keine weiteren Erledigungen gemacht, die wichtigste Erledigung zu der ich mich aufraffen musste, kam aber von der anderen Seite, als ich noch im Schlafanzug war. Manche Dinge regeln sich einfach von selbst.
Darauf hoffe ich auch (hier bitte kleinen geistigen Sprung machen) bei Büchern. Es ist so, dass ich viel lieber Bücher digital lese als auf Papier. Digitale Bücher kann man mittlerweile auch in Bibliotheken ausleihen und das fände ich schön, weil ich dann (so gut wie) nichts dafür bezahlen muss. EBooks entleiht man über die Onleihe (quasi das deutsche Bibliotheks-eBook-System), allerdings hat ein kurzer Check ergeben, dass die Onleihe so gut wie keins der Bücher anbietet, die ich im letzten Jahr gelesen habe, nämlich im Wesentlichen englischsprachige Fantasy/Science Fiction. Nun könnte ich mir natürlich sagen, okay, fortan lese ich das, was es in der Onleihe gibt - aber dazu habe ich halt keine Lust.
Ich hörte dann, dass in Deutschland mittlerweile auch ein US-eBook-Verleihsystem verfügbar ist, nämlich Overdrive. Diesem System sind allerdings bisher nur wenige deutsche Bibliotheken angeschlossen und keine an meinem Wohn- und Arbeitsort, gleichzeitig verlangen Stadtbibliotheken generell, dass angemeldete Nutzer über einen Wohnsitz im Stadtgebiet verfügen (vermutlich ein Finanzierungsding, öffentliche Gelder etc.) Berlin hat aber z.B. Overdrive im Bibliothekssystem, also dachte ich kurz darüber nach, ob mich eine meiner Berliner Bekanntschaften zwecks Erschleichung von Lektüre ihre Meldeadresse für eine Büchereianmeldung nutzen lassen würde, ich hatte sogar schon jemanden im Auge. Dann fiel mir aber ein, dass mein Kindle in Deutschland mit Overdrive gar nicht funktioniert, also müsste ich mir noch rasch ein anderes Lesegerät kaufen mit der daraus wieder resultierenden Qual der Wahl. Oder ich würde mir noch ein bestimmtes Programm auf dem Laptop installieren, die Bücher dort entleihen und dann per USB auf das Lesegerät... an dieser Stelle war ich schon so angestrengt von den ganzen Überlegungen, dass ich sie alle zu Gunsten eines ganz anderen Plans verwarf:
Ich schaffe ja eh nur rund 40 Bücher im Jahr, 40 Bücher zu sagen wir 10 Euro kann ich mir wohl noch leisten, jedenfalls besser als den Zeit-/Nervenaufwand, der offenbar mit Leihen einhergeht. Und außerdem habe ich sowieso noch vier riesige Stapel und zig MB ungelesener Bücher. Ich mache einfach gar nichts und warte entspannt ab, bis das eBook-Leihsystem einfacher (und internationaler) geworden ist.
Heute habe ich mich dann zu den Erledigungen aufgerafft und einen absurden Stapel an Post verursacht - es ist ja wirklich bei weitem noch nicht so, dass man alles per Mail erledigen kann. Leider. Immerhin kann ich mit der App meiner Bank jetzt Rechnungen per Foto einscannen und so zu 80% erkennt die App dann auch sinnvolle Dinge und ich muss zumindest keine IBANs mehr eintippen.
Fertig ist noch immer nichts aber hoffentlich die Starre durchbrochen und ich mache morgen dann den Rest. Vielleicht.
Gleich morgens kam auch eine Frau und holte aussortierte Dinge ab, es war 10 Uhr verabredet, sie fragte dann um 8 ob sie um halb 10 kommen könne und war um kurz nach 9 da. Mit mir gesprochen hat sie auch nicht, nur den offenen Rucksack hingedreht, es regnete ich war unter dem Mantel noch nicht komplett angezogen (wie gesagt, es war 10 verabredet...), die Frau stand also mit dem Rücken zu mir, sprach kein Wort aber ich wusste trotzdem, dass ich ihr die Sachen in ihren Rucksack stecken soll. "Dieses Leben ist ein Seltsames", dachte ich mir, während ich mich fest und verzweifelt an das Gerüst meiner Prioritäten klammerte: ich will Sachen loswerden, sonst nichts, auch nicht notwendigerweise nette Sozialkontakte. Sachen weg, alles gut, weitermachen.
Und gleich Karaoke, noch besser.
Wie ich mal etwa zwei Wochen lang dachte, wenn ich mich erst einmal genug ausgeruht und ausgeschlafen habe, würde ich am 1. Januar dann dem Phönix aus der Asche gleich erwachen und sofort DINGE tun. Was für Dinge spielt dabei keine Rolle (alles halt, was sich so ansammelt), ich sah jedenfalls vor meinem inneren Auge einen Tag voller Aktivität und übersah dabei, dass ich vermutlich noch nie einen Tag voller Aktivität nach einem Abend voller diverser Getränke, überraschend viele davon grün und hochprozentig, erlebt habe.
So auch heute, das immerhin ist 2019 schon einmal nicht neu.
Wenn man jammendernden Monteuren (zu dunkel da... da kommt man nicht dran... passt der Schraubenzieher nicht richtig rein...) sagt, sie sollen mal gut sein lassen, man könne das eben selbst erldigen, es sei kein wirkliches Problem und man habe nur gedacht, sie mit ihrer Expertise kriegen das in etwas weniger als den 15 Minuten hin, die man selbst braucht...
dann geht es plötzlich ganz schnell.
Tja.
Wir haben ein Nachbarskind - nein, eigentlich eine ganze Nachbarsfamilie, die, naja, sagen wir mal "merkwürdig" ist. Nicht auf eine sofort auffällige Art. Es sind solide, meist freundliche Menschen, die sich immer bemühen, das zu tun, was richtig ist. Allerdings hat man ein bisschen das Gefühl, dass sie möglicherweise abends gemeinsam am Tisch sitzen und Vater und Mutter den Kinder sagen, was richtig ist, und dass dies auch am nächsten Tag allen anderen Menschen auf der Welt so mitzuteilen und mit ihnen so umzusetzen sei. Vielleicht verstehen Sie, was ich meine.
Jedenfalls ist es so, dass ich insbesondere das eine Kind einfach nicht leiden kann, denn aus irgendeinem Grund fehlt ihm (in meinen Augen) jeglicher Charme oder Herzlichkeit oder eine gemeinsame Interessenschnittmenge mit mir. Und es ist so, dass dieses Kind diese Woche mit Mademoiselle einen Reitkurs besucht, und ich mich angeboten habe, beide Kinder täglich hinzufahren, während die Nachbarin beide Kinder täglich wieder abholt.
Heute lief ich also zum vierten Mal mit ihr über die Straße und dachte "boah wie nervt mich das Gehabe von diesem Kind!!" und dachte mir gleichzeitig, dass ich das Gute sehen muss, dass dieses Kind immer höflich und unkompliziert ist, sich gut ausdrücken kann, sich rührend um Mademoiselle bemüht. Dann kam uns jemand entgegen und lächelte uns an und ich dachte: "Ohgott, hoffentlich denkt der nicht, das wäre MEIN Kind!" und in diesem Moment sagt dieses Mädel: "Mit Dir ist es immer so schön, ich hätte dich gern noch zusätzlich als Mama".
Und, wann haben Sie sich zum letzten Mal so richtig Scheiße gefühlt?
Mademoiselle: Was isst du da??
Frau N: Das ist Hüttenkäse mit Aprikosen und Zimt-Zucker.
Mademoiselle (mit angewidertem Gesichtsausdruck): Schmeckt das??
Frau N: Ich mag das total gern. Willst du probieren?
Mademoiselle: Na gut.
(probiert)
Frau N: Und?
Mademoiselle: Lecker. Kann ich auch nur Hüttenkäse haben?
Frau N: Klar.
(Mademoiselle isst Hüttenkäse)
Mademoiselle: Kann ich auch nur Aprikosen haben?
Frau N: Klar.
(Mademoiselle isst Aprikosen)
Mademoiselle: Kann ich auch nur Zimt-Zucker haben?
Frau N: Klar.
(Mademoiselle isst Zimt-Zucker)
Mademoiselle: Aha. DAS war es also, was an diesem komischen Essen lecker war!!
(hmpf)
Seit mehreren Monaten führe ich unaufgefordert Erziehungsmaßnahmen in der Betriebscafeteria durch.
Es gibt dort (neben zahlreichen kleineren) die folgenden beiden größeren Problempunkte Herausforderungen im Sinne des Dienstleistungsgedankens:
Erstens sind immer ungefähr 5 Cafeteriamitarbeiter anwesend. Diese arbeiten jedoch ausschließlich nacheinander mit einer in ihrer Absolutheit bewundernswerten Vermeidung der Überlappung von Aktivitätszeiten. Das gestaltet sich so, dass die Mitarbeiter – ähnlich wie die Kunden vor dem Tresen - hinter dem Tresen aufgereiht sind. Kommt nun ein Kunde an die Kasse, wendet sich der ganz vorn in der Reihe stehende Mitarbeiter ihm zu, bedient ihn und kassiert. Ist die Transaktion mit dem ersten Kunden komplett abgewickelt - aber auch wirklich erst dann - tritt der nächste Mitarbeiter in Aktion und bedient den nächsten Kunden in der Reihe. Ich nehme an, der erste Mitarbeiter stellt sich dann (im Gegensatz zum Kunden) wieder hinten an, habe das aber offen gesagt noch nie genau beobachtet. Fest steht: er bedient jedenfalls zunächst mal keinen anderen der aufgereihten Kunden.
Zweitens: das Bezahlprinzip. Man kann ausschließlich mittels einer vorher mit Bargeld aufgeladenen (wobei sich die Aufladestation nicht im Bereich der Cafeteria, sondern „woanders“ befindet, dies aber nur nebenbei bemerkt) Zugangskarte zum Rapunzelturm zahlen. Diese legt man auf eine spezielle Ablagefläche an der Kasse. Es gibt dazu eine Digitalanzeige, die „Alter Betrag“, „Neuer Betrag“ und Beträge ohne Bezeichnung anzeigt oder manchmal auch nicht, ich konnte das Prinzip seit Eröffnung der Cafeteria vor etwa einem Jahr noch nicht entschlüsseln. Eine Quittung gibt es nicht. Vom Kunden wird erwartet, dass er im richtigen Moment die Karte auflegt und wieder wegnimmt. Hinweise zum Eintreten des richtigen Zeitpunktes werden jedoch prinzipiell nicht gegeben. In Folge kommt es regelmäßig vor, dass ein Kunde unvermittelt mit „Sind Sie zum ersten Mal hier??“, „Halt, Sie müssen zahlen!!“, oder „Der nächste will auch an die Reihe kommen!“ zurechtgewiesen wird, wenn er die Karte zu spät aufgelegt oder zu früh respektive zu spät von der Ablagefläche entfernt hat.
Punkt eins stört mich nur mittelmäßig. Seitdem bei meiner Tätigkeit die feste Endzeit aufgehoben wurde, habe ich mir im Gegenzug erlaubt, die feste Anfangszeit ebenfalls aufzuheben. So kann ich tiefenentspannt in der Cafeteria eine halbe Stunde auf mein Rosinenweck warten, während nach dem „spanischen Prinzip“* gedienstleistet wird.
Ich widme mich in meinen Bemühungen als Korrektiv also im Wesentlichen Punkt 2 (mit nur ganz nebenbei zu erwähnenden Exkursen in die Welt der korrekten Backwarenbe- und –auszeichnungen, der Kaffeebecherfüllhöhe und der Frage nach der gesellschaftlich akzeptierten Zeit, Kuchen zu erwerben). So sagte ich neulich irgendwann zu dem gerade exklusiv tätigen (sic! – nicht etwa anwesenden, anwesend waren natürlich viele) Mitarbeiter an der Kasse anlässlich eines Karte-zeitlich-fehlerhaft-aufgelegt-oder-entfernt-Ereignisses, er solle doch einfach mehr kommunizieren. Die Leute wüssten nicht, wann man genau die Karte hinlegen muss, und wann alles fertig ist. Ein „Bittschön“ mit Geste auf die Auflagefläche und ein „Danke, auf Wiedersehen!“ würden schon ausreichen, um den Ablauf reibungsloser zu gestalten. Der Mitarbeiter reagierte unwillig, das sei ein Einzelfallproblem, das ausschließlich bei mir auftrete, man wäre geschult und alles, ich wurde patzig und führte an, dass mein halbes Büro sich nach Cafeteriabesuchen zu Selbsthilfegesprächen zusammensetze und er das mit der Kommunikation doch bitte auch den anderen Kollegen ausrichten solle, man stritt, die anderen Kunden (und Mitarbeiter, logisch) warteten geduldig, die Schichtleiterin wurde hinzugerufen, ich artikulierte erneut meinen Verbesserungsvorschlag, man befand, man könne „mein“ Problem nicht nachvollziehen, versprach jedoch, sich das Thema durch den Kopf gehen zu lassen. Ich zog mit meinem Rosinenweck davon und das Leben ging seinen Gang.
Heute war ich wieder in der Cafeteria. Ich kam nach dem „spanischen Prinzip“ nach etwa 15 Minuten mit einer mir nur vom Sehen bekannten Verkaufsfrau an die Reihe, bestellte mein Rosinenweck, legte meine Zugangskarte auf die Ablagefläche und vernahm nach kurzem Aufflackern diverser Zahlen auf dem Display ein knappest mögliches Kopfnicken mit einem zwischen den Zähnen hindurchgepressten „Danke“. Ich schaute auf und sagte: „Oh, danke, dass Sie das sagen, da weiß ich, wann ich die Karte wegnehmen kann.“ „Die anderen Leute wissen das auch so!“, sagte die Verkaufsfrau. „Ach, ich glaube das ist für viele sehr hilfreich“, erwiderte ich und wandte mich schon zum gehen, als mir ein erbostes „Nä!!!! Sonst keiner!! NUR SIE SIND SO!!!“ hinterherscholl.
Ich weiß es nicht, aber ich glaube, das war allenfalls ein Rundensieg.
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*Diese Begrifflichkeit geht auf Frau Herzbruch zurück, die mir auf meine nächtliche Klage in einer schummrigen Bar hin weltfrauisch versicherte, es sei dort (in Spanien, nicht in der Bar) der normale Ablauf einer Verkaufstätigkeit mit mehreren Beteiligten.
Kosmetiktante heute: Frau N., ist Ihnen eigentlich bewusst, dass sie in der letzten halben Stunde meine Nagellackpalette zuerst nach Farben, dann nach Größen, dann nach Flaschenformen und zuletzt nach Deckelformen sortiert haben?
Frau N: Flaschen- und Deckelformen stimmten überein!!
(Es ist mir ja immer ein bisschen unangenehm, bei meinen Zwangshandlungen erwischt zu werden...)