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    Samstag, 18. Februar 2017
    Bahnbeobachtungen

    Erstens. Man kann über die jungen hipsterigen Männer sagen, was man will, aber das Bahnfahren beherrschen sie aus dem Handgelenk. Zapp den Kaffeebecher auf das Tischchen gestellt, zapp die Tasche oben in die Ablage geschwungen, zapp den Mantel vor dem Hinsetzen ausgezogen (nicht wie ich, im Sitzen dann herauswinden) - die Mütze bleibt natürlich auf dem Kopf und zapp mit einer schlangenhaften Bewegung in die hinterste Ecke des Vierersitzes gewunden, Kopfhörer in die Ohren und so sitzen sie dann da unbeweglich bis sie aussteigen müssen. Kein Gekrame und Gehibbele, keine Leberwurstbrote oder Klogänge. Die Generation Profibahnfahrer.

    Zweitens, eigener Erfahrungshorizont: Wenn man eine Papierzeitung in der Bahn ausklappt wird man im Jahr 2017 ungefähr genauso verächtlich gemustert, wie wenn man am Handy die Tastentöne anhat.

    Donnerstag, 16. Februar 2017
    Gerahmt von Glitzer

    Heute Morgen ging ich durch eine kleine, schäbige Passage die neben einem McDonald's verläuft, ich bin lange Zeit nie durch diese Passage gegangen, aber ab und an beginnen meine täglichen Wege, mich zu nerven, und dann suche ich mir andere, so kam ich zu der Passage. Hinter dem McDonald's kommt ein Laden, der Strümpfe mit Löchern verkauft, jeden Morgen denke ich mir, haha, da hätte ich meine Socken neulich ja gar nicht wegwerfen müssen, haha und dann ärgere ich mich, dass mein Kopf jeden Morgen den selben Kalauer wieder auswirft (eventuell wechsle ich den Weg bald wieder). Kurz vor Ende der Passage erleuchtet die Sonne das Schaufenster gegenüber, die Jalousien sind noch heruntergezogen, ich weiß nicht, welche Farbe sie wirklich haben, aber im frühen Sonnenlicht glitzern sie golden, so golden wie Gold gehört, warm, von innen leuchtend, tief, weich, perfekt.

    An der S-Bahn-Station schlafen seit Beginnn des Winters auf den Bänken Obdachlose, erst hatten sie ein Sammelsurium an Decken und Pappunterlagen, seit kurzem haben sie alle die gleichen silbernen Isomatten und dunkelblauen Decken.

    Meine Kopfhörer versetzen mir neuerdings kleine Stromschläge ans linke Ohr. Erst wollte ich das nicht so ganz glauben, dachte, es kratzt eher irgendwas. Mittlerweile kommt es aber bei jeder Benutzung mehrfach vor, es ist überraschenderweise nicht ganz unangenehm. Trotzdem denke ich jeden Tag in der Bahn daran, dass ich mir neue Kopfhörer kaufen will. Jeden Morgen unter der Dusche denke ich auch daran, dass ich ein bestimmtes Shampoo kaufen will. Und jedes Mal, wenn ich Mademoiselle ermahne, das Bad hinter sich aufzuräumen denke ich daran, dass ich ihr auch ein bestimmtes Shampoo kaufen will. So geht das schon seit zwei oder drei Wochen. Wir kommen auch ohne neue Kopfhörer und Shampoos ganz gut zurecht, aber genauso, wie dieselben Wege und dieselben Kalauer, langweilen mich auch die sich täglich wiederholenden Einkaufsgedanken. Vermutlich werden sie sich daher bald in Handlung umsetzen. Genau gesagt jetzt in diesem Moment.

    (kurze Online-Shopping-Unterbrechung)

    Im Bus setze ich mich neben eine Frau mit vielen, vielen Locken und schließe dann die Augen. Ein "psssit psssit" ertönt, diese Geräusch bezeichnet exakt zwei Vorkommnisse: a) Frau Herzbruch verwendet Mundspray oder b) meine Mutter sprüht sich mit Loulou ein - bei meiner Mutter allerdings psssit psssit psssit psssit - psssit. Und dann shhhhhhhhhhhhhhhhsh, das Haarspray, das nur nebenbei. Aber Mundspray und der kleine Loulou-Flakon klingen exakt gleich. Ich hole durch die Nase Luft und sage mit weiterhin geschlossenen Augen "Sie tragen Loulou!". Psssit psssit psssit psssit psssit - das ist noch mehr, als meine Mutter verwendet. Pssssit. Ich habe ein bisschen Herzschmerz bei dem Geruch, definitiv kein Duft, den ich tragen würde, aber er ist so vertraut und neulich erst habe ich für meinen Vater ein Album mit Bildern aus seiner Jugend gemacht und die Eltern werden immer älter und ein Leben ist so schnell vorbei und lieber mache ich jetzt schnell die Augen auf und starre die Frau an, und die Frau starrt mich an. "Meine Mutter trägt auch immer Loulou" will ich sagen, aber die Frau ist etwa 10 Jahre jünger als ich und aus meinem Mund kommt "Meine äh Schwester trägt auch immer Loulou". Die Frau lächelt und bietet mir den Flakon an, ich sprühe mir einmal auf den Jackenärmel, ich mag Loulou wirklich nicht besonders und ich habe etwas Angst, dass uns beide gleich jemand am Kragen packt und aus dem Bus wirft und der Mann hinter uns stöhnt auch schon sehr laut aber sagt dann nur "Dieses Gehupe immer, dieses gottverdammte Gehupe!!" Und jetzt rieche ich nach meiner Mutter. Naja der Mantel.

    Am Brunnen in der Innenstadt steht eine Gruppe Männer in Bauarbeiterkleidung, einer trägt eine angezündete Stumpenkerze und geht freudig auf mich zu, in einer mir komplett unverständlichen Sprache (Bulgarisch?) erzählt er mir etwas, ich weiß nicht, worum es geht, aber er wirkt sehr glücklich. Ich lächele ihn an, er lächelt zurück, dann fällt er einem andern Mann, der seine Sprache spricht, in die Arme, beide klopfen sich gegenseitig auf den Rücken.

    "Was ist jetzt passiert?", fragt der Gesangsleherer, er sagt immer wieder, seit ich krank war sei ich so roh geworden, er meint glaube ich das englische raw, eher wund, aber wieso er das so meint weiß ich nicht. Meine Stimme hätte sich auch verändert dabei, sagt er, und findet das alles nicht schlecht.

    Im Dunkeln gehe ich nach Hause, es regnet, ich halte den Kopf gesenkt, damit nicht so viele Tropfen auf der Brille landen, ich habe auch auf dem Heimweg neulich meinen Weg geändert und der neue Weg führt mich durch eine Baustelle, das liegt daran, dass die andere Straßenseite so schmal und der Gehweg schräg ist, ungefähr 300 Meter geht es da auf einem engen Gehweg immer geradeaus ohne Querstraßen, das kann ich gar nicht leiden, also gehe ich neuerdings auf der anderen Straßenseite durch die Baustelle, der Asphalt ist sehr grob dort und das Regenwasser sammelt sich in zahllosen Minipfützen darin, durch die Autoscheinwerfer glitzern sie, es ist, als würde ich über einen Teppich aus Silbersternen gehen, und als die Ampel umschlägt werden die Sternchen alle rot von den Bremslichtern. Dann wieder silber, dann wieder rot. Und wieder silber.

    Mittwoch, 15. Februar 2017
    Tja

    So ein bisschen funktioniert mein Internet wieder. Aber bis dann eine Seite fertiggeladen hat ist auch schon Zeit, ins Bett zu gehen.

    Dienstag, 14. Februar 2017
    Applaus

    Der heutige Nicht-Eintrag wird präsentiert von Vodafone.

    Mal was anderes, welcher DSL-Anbieter ist denn nicht so richtig Scheiße?

    Sonntag, 12. Februar 2017
    Alles gelogen

    Ich sag ja immer, ich hätte meine gesamte Kindheit unter der Küchenbank verbracht. Kürzlich aufgefundene Fotos erbringen jetzt allerdings den Gegenbeweis:



    Ich war auch zeitweise unter dem Sofa.

    Sonntag, 12. Februar 2017
    Die Einzelteile und das Ganze

    Gestern Nacht 5 Stunden und heute von etwa 9 Uhr bis 16 Uhr an einer Sache herumgefrickelt und es ist etwas entstanden, das ist immer so ein faszinierender Prozess.

    Erst gibt es eine Idee aber lauter Einzelteile, die ich natürlich zusammenstellen kann, in wechselnden Möglichkeiten, die aber immer genau das bleiben: Einzelteile die zusammenliegen. Und beim Hin- und Herschieben im Kopf und betrachten und zwischendruch mal etwas anderes machen ist da plötzlich der Keim einer Idee, wie ein Steinchen das ins Wasser fällt und von dem ausgehend sich immer größere Kreise bilden. Es wird ganz klar, wie die Einzelteilie liegen müssen, damit daraus ein Ganzes entsteht. Dass es genau so gehört und dass es gut so ist. Und dann geht es plötzlich sehr schnell.

    Samstag, 11. Februar 2017

    Ich hab heute keine Zeit aber bestimmt mögen Sie Muster und so. Erfreuen Sie sich an einem (etwas älteren) Bild von Papa N und mir.

    Donnerstag, 9. Februar 2017
    Weiß auch nicht

    Im Aufzug des Rapunzelturms kurz das Gefühl gehabt, der Aufzug würde gegen Erreichen des obersten Stockwerks schneller statt langsamer, würde enorm beschleunigen, aus dem Aufzugschaft herausgeschleudert direkt ins Weltall.

    Während ich den Gang in der Musikschule entlangging, grauer Teppich, weiße Wände, das Gefühl gehabt, der Gang würde immer länger je mehr Schritte ich mache, ein Schritt - zapp 2 Meter dazu, noch ein Schritt - zapp 4 Meter.

    Im Bus neben einer älteren Frau in diversen Tüchern gesessen, mit vielen Gesten über die Kälte gesprochen, die Frau macht mir begreiflich, dass sie gern meine Haare anfassen würde, sie hätte noch nie helle Haare angefasst. Ich lasse sie meine Haare anfassen, sie schenkt mir ein Etui mit Nagelschere und -feile, ich möchte das Etui nicht aber es ist ihr sehr wichtig. Ich steige aus, in der Straße gegenüber wühlt eine Frau im Sperrmüll, ich frage sie, ob sie ein Etui mit Nagelschere und -feile haben möchte, sie möchte, sie fragt mich, ob ich statt dessen den kleinen Nachtschrank haben möchte, den sie gerade aus dem Sperrmüll gezogen hat. Ich sehe vor meinem inneren Auge, wie ich den Nachtschrank nehme und von da an mehrere Jahre durch die Straßen vagabundiere, den Schrank gegen einen Vogelkäfig, den Käfig gegen eine Matratze, die gegen einen Kleiderschrank, den gegen einen Kleinwagen, ich sehe alles genau vor mir, am Ende hätte ich eine Villa mit Pool.

    Nein, keine Drogen.

    Dienstag, 7. Februar 2017
    Ich als Ortsunkundigenschreck

    Heute morgen lief ich zur S-Bahn und wurde unterwegs von einer Frau angesprochen, die mich nach der Kaiserstraße 30 fragte. Wir standen vor dem Haus Nr. 26 in derselben Straße, also konnte ich ihr schnell den Weg weisen. Sie schüttelte aber den Kopf und zog ein Schreiben aus der Tasche, von einem Amt, das sich dort befinden sollte. Was definitiv nicht der Fall ist, im Haus Nr. 30 ist der eigenartige Briefmarken- und Gesteinsverkäufer, durch dessen überzeugend vorgetragene Erzählungen Mademoiselle ungefähr ein Jahr lang Alpträume von uns im Schlaf erschlagenden Meteoriten hatte.

    Ich schaute mir das Schreiben näher an und sah, dass nicht die Kaiserstraße 30 sondern die Kaiserleistraße 30 gesucht war. Das - und den Fußweg von etwa 25 Minuten - versuchte ich, der Frau zu erklären. Sie nickte und ging in die von mir angezeigte Richtung.

    Ich musste in dieselbe Richtung, hatte aber erst noch in meiner Tasche zu kramen und ging dann hinterher. An der nächsten Ecke überfielen die Frau wohl Zweifel an meiner Redlichkeit, jedenfalls befragte sie einen weiteren Passanten nach dem Weg und hielt ihm auch das Schreiben vors Gesicht. Der Passant unterlag demselben Irrtum wie die Frau und schickte sie, sehr bestimmt, zurück Richtung Kaiserstraße 30, Meteoritenmann. Die Frau dreht also um und kam mir wieder entegegen, als sie an mir vorbeiging, schaute sie konzentriert auf ihre Schuhe.

    Ich dachte mir kurz resigniert "naja alle irre selber schuld" und ging weiter, dann dachte ich mir aber entnervt "meine Güte!" und drehte um und rannte der Frau hinterher. Ich erklärte ihr nochmal die Sache mit der zusätzlichen Silbe im Straßennamen (ersparte ihr aber die linguistische Erklärung der Bedeutung derselben - extra nur für Sie: Ley oder Lei bezeichnet einen Felsen, wie in Loreley), zeigte ihr das Ziel und den Weg auf Googlemaps, die Frau nickte wieder und lief jetzt wieder richtig herum die Straße hinunter.

    Ziemlich zufrieden mit mir ging ich in den Pennymarkt, kaufte neue Notfallschokolade für die Mitarbeiter im Büro, kam aus dem Pennymarkt heraus und wer kam an mir vorbei, berharrlich schon wieder in die falsche Richtung? Natürlich. Die Frau, die zum Amt gehen sollte oder wollte, aber so wie es aussah nicht würde.

    Ich seufzte laut - so laut, dass die Frau sich zu mir umdrehte. Drei Schritte machte ich auf sie zu, da rannte sie vor mir davon. An dieser Stelle habe ich heute mein Vorhaben, ein guter und hilfsbereiter Mensch zu sein einfach aufgegeben.

    Montag, 6. Februar 2017

    Ich bin heute zu müde für alles. Erzählen Sie mal was. Was lesen Sie denn gerade so?

    November seit 6823 Tagen

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