So wie Strippenziehen. Mit anderen wie mit Fäden verbunden, jeder mit einer Rolle über dem Arm, und manchmal wird ganz viel abgespult und man wandert nach da und dort, und manchmal ist der Faden ganz kurz. Das merkwürdige Gefühl, wenn man eigentlich gerade nah dran sein wollte, und dabei merkt, wie das Gegenüber sich entfernt. Wie man manchmal versucht, ganz unauffällig stückweise näherzurutschen. Wie man manchmal die Fäden einfach laufen lässt und sich, nach einem kurzen Blinzeln, plötzlich nebeneinander wiederfindet.
Die Verwunderung, dass mir so viele Vertraulichkeiten begegnen dort, wo ich mich noch gar nicht so nah fühle. Die Unsicherheit im Umgang damit.
Wenn ich einsam und nur etwas älter wäre, würde ich vermutlich jetzt beim Dönermann um die Ecke an der Theke sitzen und ihn über das Leben vollschwallern.
Konzept kreiert: "Selbstbewusstseinserhaltende Maßnahmen".
Diese kleinen Kinderjoghurts schmecken gefroren tatsächlich gut (Resteverwertung da Kind keinen 6er-Pack innerhalb der vorgesehenen Verzehrfrist schafft).
Vorwurf: Über etwas lästern, auf das man sich nie wirklich eingelassen hat, ist ein bisschen zu einfach.
Letztens nachts ein Stück des Weges spazierend nach Hause gegangen. Statt Horizont oder Nachthimmel da oben Bürotürme. Gleichzeitig Faszination angesichts dieser Menge an kaltem Glas und Stahl und Licht und Abscheu vor der Atmosphäre, die sie umgibt, die sich am besten mit der Klimaanlagenluft vergleichen lässt: künstlich, aufgewirbelt, vertrocknet.
Je höher die Gehhilfendichte, desto besser die Torte im Cafe.
Beim Anblick des heute überraschend doppelt-so-groß-wie-sonstenem Körnerbrötchen ganz unlogisch "ich hätte zwei kaufen sollen!" denken.
Ich weiß nicht, woran es liegt, aber manche Kosmetikerinnen (hm, das Wort klingt verdächtig nach politisch inkorrekt, aber wie mag das sonst heißen - face artist??) haben das so richtig drauf mit dem Augenbrauenzupfen und manche nicht. Bei denen, die es nicht drauf haben, bekomme ich viele Tränen und Kopfschmerzen. Bei denen die es drauf haben, fühlt es sich an wie ein Wellensittichschnabel, der ein bisschen um Nase und Brauen knabbert und dabei gurrende Laute ausstößt. Sie kennen ja sicher das Gefühl, wenn man einen Wellensittich auf der Brille sitzen hat, der einem gerade die (natürlich spärliche!) Gesichtsbehaarung ausreißt.
Also habe ich heute viel an meine Wellensittiche gedacht. Der erste war grün und nach dem damaligen Torwart der Fußballnationalmannschaft Nationalspieler benannt und gar nicht meiner, aber ich durfte ihn noch kennen lernen und erinnere mich an die dumpfen Schläge, die er allmorgendlich beim Frühstück verursachte, indem er mit seiner Schaukel so heftig schaukelte, dass er gegen das Käfigdach knallte, herunterfiel, benommen liegen blieb, aufstand und dann den normalen Tag eines Wellensittichs begann. Eines Morgens erhob er sich jedoch nicht mehr aus dem Vogelsand.
Der zweite war blau und gehörte mir. Wann ich ihn bekam, weiß ich nicht mehr, aber die Vögelchen überlebten nie wirklich lange bei uns, was wir Kinder gern auf Mamas Dauerdurchzuglüften zurückführten. So schwächelte auch der blaue Wellensittich (den Namen verrate ich nicht) bald und ich erinnere mich noch an den Abend, als er in Papas Hand starb, während ich schon im Bett lag und nicht wissen sollte, was vor sich ging, es aber trotzdem genau wusste. Eine etwas unglückliche Situation, die sich in einem meiner ersten Tagebücher in übergroßer krakeliger 6jährigenschrift verewigt findet.
Dann war erstmal Schluss mit den Vögeln, bis meine Schwestern einen weiteren blauen aus der Schule mitbrachte, den ein Freund nicht mehr behalten durfte, da das Tier verhaltensgestört war. Bei uns stört sowas nicht, er blieb dann also und erlitt quasi-epileptische Anfälle, sobald man sich bis auf 5 Meter-oder-so dem Käfig näherte. Bis in den Sommerferien dann viele meiner Freunde gleichzeitig verreisten und ich vorübergehend sechs Pflegevögel bei mir aufnahm. Da blühte er auf. Und ich fand es eine wunderschöne Idee, die Vögel mal alle gleichzeitig fliegen zu lassen. Das war auch toll. Nur wusste ich hinterher nicht mehr genau, welcher welcher war (sie waren alle blau!). Aber ich habe bestimmt alles richtig zurücksortiert.
Ich sage ja auch gern, dass die Narbe auf meiner Nasenwurzel von einem Wellensittichbiss stammt. Was nicht stimmt, aber ich weiß nicht, wie ich sie mir zugezogen habe. An die Situation erinnere ich mich, aber wie sagt man so schön - Wasser hat keine Balken. Wie soll es da bittschön möglich sein, mitten beim Schwimmen plötzlich eine klaffende Schnittwunde im Gesicht zu haben? Der Fall ist bis heute ungeklärt, weshalb es auch gut ein Wellensittich gewesen sein kann, der da über dem 50-Meter-Becken schwebte.
Eine weitere Narbe habe ich auch noch, über die ich immer so viel lüge, dass ich gar nicht mehr weiß, wie das nun genau damit war. Es war jedenfalls ein Messerstich. Das ist eine zutreffende, doch in ihrer Kürze aufregende Variante. Lassen wir es doch dabei, man muss nicht alles zerreden.
Die Kosmetikerin hat auch nicht geredet und konnte das mit dem Wellensittichschnabelgefühl. Da geh ich wieder hin.
Heute ist ein ganz besonders guter Tag, um den Weg zum Kindergarten wegen vergessener überlebensnotwendiger Kind-Utensilien gleich dreifach mit dem Fahrrad abzufahren. Immerhin nur einmal mit 14 Kilo zappelndem Lebendgepäck (lauthals "Reeeeeegentropfen, die an dein Fäääääänster klopfen" krähend) hintendrauf. Dafür komme ich mir jetzt mit der dicken Winterjacke und der fahrradhelmgeplätteten Ober"frisur" plus regengedredlocktem Unterfell vor, wie Mama Schaf.
Mama Schaf braucht jetzt erstmal was Warmes zum Trinken. Ich denke ja immer spontan, Schafe tränken Milch. Hab ich aber glaube ich schonmal gesagt, nur mit Kühen. Und dass ich manchmal neidisch bin auf Leute, die sich morgens fertig machen, also so richtig schick, und dann unbehelligt von irgendwelchen Schweiß-, Tränen- oder Rotzausbrüchen ihren Arbeitsplatz erreichen, habe ich auch schonmal erwähnt. Wobei das auf Dauer vermutlich langweilig ist. Immer dasselbe sagen aber auch.
Was ist also neu? Hm, also für mich, in jedem Fall das Gefühl, das sich nach dieser Sache mit dem LKW in Kombination mit so einer richtig tiefen, großen Pfütze und einer für Radfahrer roten Ampel ergibt. Naja, ist ja nur Wasser. Also hauptsächlich. Themenwechsel.
Falls hier ein Mitarbeiter der ESO mitliest, dem gegen 8:05 Uhr in der Karlstraße eine Mama Schaf im Rumpelstilzchenmodus mehrfach gegen das Müllauto trat und dabei wild artikulierte: das war ich. Und das war, weil Sie mir die Vorfahrt genommen haben. Und dann noch direkt vor mir stehen geblieben sind, um dieses Mülltonnenkippding zu machen. Ich weiß, das ist ihr Job. Aber ich war noch unterwegs zu meinem Job und das genau ist mein Punkt - ich hätte schon längst dort sein sollen, halten Sie mich gefälligst nicht auf. Außerdem saßen Sie im Warmen und ich im Regen und drittens funktionieren doch meine Bremsen nicht so richtig. Und viertens gibt es Verkehrsregeln. Naja, gut, sonst ist mir das auch immer alles egal, aber es gibt halt diese Tage. Bestimmt war das auch spaßig anzuschauen.
Jetzt sitze ich im Rapunzelturm und schaue mir den Regen an, der gar nicht mehr da ist. Ist ja typisch. Erstmal Kaffee. Und ich bin ganz sicher, dass ich mir das "Na, Frau N., ist heute Rocktag?" vom Empfang ganz unten nur eingebildet habe.
- Selten drei Tagen kindbedinger Couch-Küchen-Haft so viele Erlebnisse abgerungen.
- Begegnung heute: Kindergartenmami, die mir berichtete, sie könnte ihrem Kind diesen Fiebersaft, den ich verwende, nicht geben, weil der ja aussähe wie Sperma. Ah. Dazu kann man nun nichts weiter schreiben, wenn man nicht in Roche'sche Gefilde abdriften möchte.
- Wissenschaftliche Gedankenexperimente. In der Ecke neben dem Kühlschrank liegen immer ziemlich genau zwei leer Packungen vom Pizzabringdienst. Dies lässt folgende mögliche Rückschlüsse zu: 1. Wir essen recht selten gelieferte Pizza, oder 2. Wir bringen recht häufig das Altpapier weg, oder 3. es besteht ein Zusammenhang zwischen Altpapierentsorgung und Pizzabestellung, der lauten könnte a) Pizza wird erst neu bestellt wenn alte Schachteln weg oder b) bei Entsorgung alter Schachteln entsteht durch noch näher zu untersuchende Umstände unmittelbar Pizzahunger, 4. das Kind bekommt keine eigene Pizza, 5. Besuch wird nicht mit Fastfood abgefüttert sondern ordnungsgemäß bekocht (reine Theorie! möglicherweise hungert er auch).
- Ähnlich: Immer, wenn ich mich entschließe, das Hustensaft-Fiebersaft-Fieberthermometer-Globuli-Gekruschel aus der Küche zu entfernen, erkrankt das Kind.
- Den Gemüsemann angerufen. Ja, tatsächlich angerufen, nicht gemailt. Um die Bestellung abzuändern, und dabei erwähnt, dass die mitgelieferten Möhren dieses Mal absolut geschmacksneutral waren. Bedauern am anderen Ende der Leitung, Zusage einer Gutschrift und Versprechen, die Qualität zu überprüfen. Am Abend gekocht und beim Abschmecken auch nach verrühren der dritten sonst-so-höllisch-scharfen Chilischoten so gut wie gar nichts am Essen gemerkt. Heute morgen (besser spät als nie) fügten sich diese Erlebnisse dann im Kopf zusammen und warfen eine Erkenntnis aus. Erneuter Anruf (!) beim Gemüsemann mit entschuldigendem Dementi in Sachen Möhren. Frau am anderen Ende der Leitung sagt nur freundlich, sie habe gestern schon bemerkt, dass ich äußerst verrotzt klänge, das ginge schon in Ordnung. Auf meine Rückfrage, warum sie um Himmels Willen denn nichts gesagt hätte, die lapidare Antwort: "Bei uns ist der Kunde König, Frau N." Ja, ich weiß, warum ich beim Gemüsemann bestelle.
- Tja.
- Wieder so viel Meta übers Schreiben begegnet, das ist mir doch sehr fremd. Klar kenne ich das, grundsätzlich, aus Schule und Uni, aber dieser Vorsatz, selbst zu schreiben nach gewissen Regeln (einigermaßen rechtzuschreiben mal ausgenommen), nach Formalität, mit Beachtung des Diesen und des Jenen - so ernsthaft. Geht das überhaupt? Wird das dann nicht "herzlos"? Und, ähm - macht das Spaß?
- Halsschmerzen deutlich besser. Turbo-Erkältungen, meine Spezialität. Psychosomatik nicht erkennbar.
- Keine neuen aufregenden Begegnungen beim Sport, von der verkappten Sadistin mal abgesehen, die sich immer als Schlaftablette tarnt und mir beim letzten Kontrolltraining beinahe - beinahe! - so eine Muskelkater beschwerte, dass ich nicht mehr tippen konnte.
- Irgendwo im Wohnzimmer leben Motten. Es sind zu viele, als dass man es auf "mal von draußen reingekommen" schieben könnte, aber zu wenige, als das man ernsthaft etwas unternehmen würde. Cleveres Viehzeug.
- Netz. Passender Begriff. Lauter Fallstricke und Verknüpfungen. Lauter kleine Spinnen, die Fäden ziehen. Manchmal zum Schaudern.
- Und ich. So ein bisschen roh. Nicht das Weiche, wo alles durchgeht. Nicht das Harte, wo alles abprallt. Nunja.
Der Nacken ist noch immer verspannt, ob das vom wegducken kommt oder von der Idee, dass ich momentan die Knirscherschiene nicht brauche, werden wir noch herausfinden. Die Zahnärztin sagte nämlich damals, dass ich irgendwann merken werde, wann ich sie brauche und wann nicht. Und ich habe seit ein paar Tagen die Überzeugung, sie derzeit nicht zu brauchen.
Das mit dem Sport ist eine merkwürdige Sache, weil sich unter der Haut plötzlich Muskeln abzeichnen. Weil ich mich manchmal irgendwo anfasse und "aua!" denke - das ist jetzt etwas übertrieben, aber so ein Gefühl von Härte, wo sonst keine war, ist es schon. Beim Kratzen am Arm oder so. Im Gegensatz dazu denke ich dann beim mentalen Kratzen manchmal "aua!", weil da plötzlich keine Härte war, wo ich sie vermutete. Auch komisch.
Und dann, wie gut es mir tut, seit zwei Wochen nicht mehr mit Sack und Pack durch die Gegend zu reisen. Wie sich das alles setzen kann in dieses Dingens, das man Alltag nennt, und das langweilt, wenn es komplett da ist, und quälend fehlt in seiner Abwesenheit.
Das passende Buch fehlt mir allerdings gerade. Vorschläge, jemand?
Andererseits, so ganz spontan: wenn man nichts zu lesen hat, holt man sich am besten die Autoren nach Hause. Ich setzte mich also in den Schaukelstuhl (schonmal üben, für später) und freue mir ein Loch in den Bauch, für die nächsten Tage die
hier begrüßen zu dürfen.
(--->Platzhalter für eins dieser komischen animierten Männchen vom Herrn N., so eins mit begeisterten Grimassen<---)
Pünktlich zur Party am Montag bin ich natürlich zurück (und hoffe, Sie haben sich bis dahin Gedanken gemacht, von was für einer Party ich rede).
P.S. Frau Bluetenstaub, bitte räumen Sie aber hinterher alle Stöckchen wieder weg!
Von den drei neuen skurrilen Fitness-Studio-Begegnungen wollte ich eigentlich noch schreiben, die am Freitag geballt auf mich trafen, so, als hätten sie meine 2wöchige Abwesenheit nur ausgesesssen und abgewartet, bis ich zurückkehre.
Von der Instruktorin, die mir etwas von der Seele meiner Muskeln erzählte, und warum ich die Übung, bei der der Kopf mit Druck nach unten geneigt wird und man ihn, gegen das Gewicht der Maschine, wieder anhebt bis der Blick gerade ist, vor fünf Jahren nicht ausführen konnte, gar nicht, schon Unwohlsein bekam, wenn das Kopfpolster nur meinen Hinterkopf berührte, und nun ein recht hohes Gewicht damit stemme.
Von der jungen Frau, die von sich immer als "wir" spricht, wenn sie in der Umkleide telefoniert und mich darauf ansprach, dass ich wohl die "Seiten" gewechselt hätte, womit sie die Seite der Umkleidemöglichkeiten meinte, also die Schrankreihe rechts oder links von der Tür aus gesehen. Ich habe da gar keine Präferenz und steuere, glaube ich, spontan immer auf die jeweils weniger besetzte Seite zu. Dies fand sie sehr abwegig. Wie finden Sie das?
Und als ich dann ging war da noch die etwas ältere Frau in der rosa-rot-orangefarbenen Unterwäsche, die mich ansah und plötzlich einen linierten Schreibblock und einen Füller mit roter Tinte aus der Tasche zog, und zu schreiben begann, mich beim Ausziehen, Duschen, Anziehen, Kämmen, Föhnen beobachtete und immer, immer weiter schrieb. Die, als ich "kann ich jetzt gehen oder brauchen Sie noch was" passend zur Unterwäsche errötete und "es stört Sie doch nicht, oder?" fragte. Naja, was soll ich denn da sagen. Sie lesen ja gerade hier, was ja schon alles sagt, ich mache mir nur vorher keine Notizen. Dass es mich nicht stört, sondern nur irritiert, hätte ich sagen können, aber dann hätte sich vielleicht ein richtiges Gespräch entwickelt, und manchmal, ohne benennbaren Grund, der sich an der Situation oder an Äußerlichkeiten festmachen würde, ist es bei mir so, das ich manche Leute nicht näher kennen lernen möchte. Vielleicht ist es eine Körperhaltung oder auch ein Geruch, eine Geste oder ein Blick, ich weiß es nicht. Ich bin immer neugierig, auf Menschen, und meistens interessiert mich, was sie tun, und sei es auch noch so belanglos. Trotzdem möchte ich manche nicht näher kennen lernen, obwohl von außen gesehen nichts dagegen spräche.
Dann wollte ich noch irgendwas über diese Tarnhose schreiben, die ich mir bestellt habe. Ich weiß aber nicht genau was. Vielleicht wollte ich nur zugeben, dass ich sie nun besitze, damit mich dieses Outing nicht in einem unpassenden Moment erwischt. Denn ich befinde mich ja in keiner Lebensphase mehr, in der man so ein Kleidungsstück ohne Gesichtsverlust öffentlich tragen könnte. Allerdings wollte ich immer so eine Hose haben, leider kam es nie dazu, nur eine Domestos-Jeans trug ich, und diese Tarnhose nun, die lief mir gerade über den Weg, vor einem Jahr hatte ich sie schonmal in der Hand und auch über den Beinen, nur weiter hoch ging sie leider nicht. Und jetzt sitzt sie schnuckelig und schnackelig und kostet nur noch 1/3 des damaligen Preises, ja, was soll ich denn tun? Vielleicht muss ich ja demnächst mal irgendwo handwerkern. Oder gehe zum Karneval. Oder lasse sie für immer hinten im Schrank vergammeln. Für manche Dinge ist der richtige Zeitpunkt ja einfach vorbei.
Aber andererseits: wer weiß das schon so genau.