Am frühen Nachmittag plötzlich die ganze Welt in hoffnungslosem, mutlosem Sepia, und ertränkt in Gedanken, das alles hinzuwerfern und bleiben zu lassen (als ob das noch möglich wäre!), wie ich es nicht an mir leiden kann (an anderen auch nicht), und schnell verkrochen, denn in diesen Sepiamomenten brauche ich für meine Zunge einen Waffenschein (das ist jetzt rein verbal gemeint), wäre es doch möglich, muss es doch so sein, dass irgendwo noch Farbe ist und was, wenn nicht Blut, wäre rot, so lassen wir es fließen und schneiden immer tiefer. Also Einzelhaft und aussitzen, in ein paar Stunden ist alles vorbei und die Farbe kehrt zurück, hoffentlich auch in die Gesichter, wenn ich mich ausreichend zusammengerissen habe.
Abends auf der Party als Fremdkörper gefühlt und neben der Tür zwecks Flucht gelungert, plötzlich einsetztende laute Musik geht mit plötzlichem Schweißausbruch einher und dann sind - ebenso plötzlich - die Farben wieder da, und was für Farben, absoluter Overkill, Zuckerwatte, bunte Bonbons, ein Schokoladenbrunnen, farbige Fruchtshakes, Brause, bemalte Gesichter, leuchtende Augen, ein roter Cadillac, die Fassade grün und orange angestrahlt und derselbe Fotograf mit den schlechten Zähnen, der es schon letztes Jahr auf uns abgesehen hatte und die Bilder nie schickte, und nirgenwo Wasser in Sicht, deshalb roten Wein getrunken, viel viel roten Wein, und eine unbekannte Treppe mit Kerzenbeleuchtung hinaufgestolpert in diesem Hotel, in dem ich jede Ecke kenne, in einen Raum, in dem alles richtig war, mit einer Couch zum versinken und sich selbst wieder finden in diesem Emotionswirrwarr. Mehr Wein.
Nochmal aufgerafft und mit ziemlicher Schlagseite zurück ins Büro, dort unbestimmte Zeit mit offenem Mund und an die Scheibe gelehnter Stirn von oben auf die nächtliche Stadt gestarrt, auf die Aussicht, die ich jeden Tag sehe und tatsächlich, auch wenn Besucher es immer anzweifeln, jeden Tag bewusst sehe, aber selten so sehe, mit diesen irrsinnigen Lichtern und Farben vor der Erinnerung an eine Welt in Sepia und an vieles anderes. Einen Computer befreit, alles abgesprochen, aber dennoch kamen wir uns vor wie die Panzerknacker persönlich, in Anbetracht der Uhrzeit und des Zustandes aller Beiligten.
Taxifahrt nach Hause und in den Straßen überfallen von einem ganz neuen Gefühl von, hm, Heimat? Hier?? (Vielleicht muss man erst wegfahren, um anzukommen? So wie man erst loslassen muss, um Sicherheit zu finden?)