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    Donnerstag, 10. November 2016
    Noch nicht

    Wie möglicherweise dezent angeklungen ist, bin ich derzeit nicht ganz fit und aus diesem Grund betreibe ich momentan keinen Kampfsport, sondern etwas meinem körperlichen Zustand angemesseneres: Wassergymnastik.

    Die Wassergymnastik findet in einem Keller statt. Der Keller ist alt und nicht schön, aber die Wände sind bemalt. Im Eingangsbereich ist Arielle. Dahinter ist eine ziemlich kleine Sammelumkleidekabine, in der sich ziemlich viele ziemlich alte Menschen etwas wacklig auf den Beinen auf engstem Raum drängen. Das ist noch der bessere Teil der Umkleidekabinengeschichte.

    Dann kommt man ins Becken. Am Becken an sich ist nichts auszusetzen, es erfüllt seinen Zweck. Die bemalten Wände ringsum wirken wie der Safe Place von irgendjemandem, der Wasserlandschaften mag. Von Arielle vielleicht.

    Angeblich kommt es häufiger zu Kämpfen zwischen den älteren Damen um die erste Reihe. Ich konnte bisher nichts dergleichen beobachten, es wurde im schräg verlaufenden Becken nach Größe sortiert. Idealerweise sollte man bis zu einem Punkt zwischen Bauchnabel und Brustwarzen im Wasser stehen. Nicht selten ein schmaler Grat.

    Dann kommt der Trainer. Er trägt ein Headset-Mikro und spielt die Musik der frühen 80er, manchmal auch Schlager, dazu singt und pfeift er und macht die Übungen am Beckenrand vor. Er ist sonnengebräunt, muskulös und ganz enorm bei der Sache. Alle paar Minuten frage ich mich erneut, welches merkwürdige Schicksal ihn wohl an Arielles Safe Place verschlagen hat.

    Trainer: Jetzt joggen wir erstmal eine Runde, die Füße hoch und runter, immer abwechselnd, eins-zwei-eins-zwei, die Arme locker im Wasser, Füße hoch und runter, die Profis können es auch im Takt machen, die wissen schon, wer gemeint ist, nicht wahr, Elfriede? (zwinkert).

    In der Wasserlandschaft an der Wand sind ziemlich viele Delfine. Und Fische. Und natürlich Nemo. Keine Wasserlandschaft ohne Nemo.

    Trainer: Wir nehmen die Hände dazu, ich habe euch etwas mitgebracht, was habe ich euch mitgebracht? Handschuhe!!

    Ein paar ältere Damen: applaudieren

    Trainer: Wir probieren die Handschuhe mal aus. Regina, du hast links was am Arm, richtig? Nimm nur den rechten Handschuh. Und jetzt schieben wir damit das Wasser nach vorn. Und Ausatmen beim Schieben. Nicht ins Hohlkreuz gehen. Geht ein bisschen in die Knie. Und schiebt! Gebt dem Vordermann die perfekte Welle!

    Einen Korallenriff gibt es auch in der Wasserlandschaft. Und eine Insel am Horizont, mit sonnig-gelbem Strand. Ist denn nirgendwo ein Schiffswrack?

    Alle Teilnehmer: schieben eifrig Wasser

    Trainer: Ihr schiebt wunderbar. Ganz wunderbar schiebt ihr. Kann das wer im Takt? Schaut euch Anna an! Sie kann das im Takt! Super Anna!

    Anna: (errötet unter der weiß-violetten Dauerwelle)

    Trainer: Geht es bei dir mit der Schulter?

    Frau N: Ich hab nicht Schulter, ich hab Bein.

    Trainer: Was, du bist das Bein, nicht die Schulter? Das hätte ich jetzt nie gedacht, so wie du die Beine geschwungen hast beim Joggen! Das machst du super! Ganz symmetrisch, absolut symmetrisch!

    Direkt vor mir an der Wand steht ein Delfin im aufgerichtet im Wasser. Er lacht. Dass mir das nicht vorher aufgefallen ist!

    Trainer: Jetzt machen wir Ausfallschritte. Ganz tiefe Ausfallschritte. So, dass die Schultern ins Wasser tauchen!

    Der Delfin lacht laut. Glaube ich.

    Trainer: Hilde und Tamara, was tuschelt ihr? Was? Ah, Hilde, da kann Tamara dir auch nicht helfen. Aber ich kann dir da helfen, komm mal zum Rand. Und jetzt das Beinchen hoch.

    Hilde: (hebt Diabetesfuß aus dem Wasser)

    Trainer: Das krampft? Soll ich das wegmassieren? Ok. Tamara und hier, Schulter, stützt die Hilde mal unter den Armen.

    Frau N: Ich bin Bein, nicht Schulter.

    Trainer: (hängt über den Beckenrand und massiert Hilde das Bein) Genau. Schon besser Hilde? So ist gut oder?

    Hilde: (seufzt wohlig)

    Trainer: Und die anderen währenddessen zur Seite mit beiden Händen. Und Wasser schieben. Nach links - nach rechts. Nach links - nach rechts. Wenn es zu schwer ist, mach Fäuste Agnes! Aber das Joggen nicht vergessen. Die Beine jetzt nach hinten. Für die Neuen reicht einfach nach hinten. Bei den Profis will ich die Fersen am Po sehen! Super Regina! Und sogar im Takt! Schaut sie euch an! Schaut sie euch an!!

    Regina: (dreht sich um und schaut, wie alle schauen.)

    Ein paar Damen: (applaudieren)

    Ich glaube, der Delfin lacht mich aus.

    Dann kommt der schlechtere Teil der Umkleidekabinengeschichte.

    Zu Hause setze ich mich sofort an den Tisch und mache mir einen Trainingsplan. Ich bin hochmotiviert. Dehnübungen und Fußgymnasik alle zwei Stunden, Stoppuhr mit ins Büro nehmen, morgens Rückengymnastik, abends Bauchmuskeln. So gesund und effizient die Wassergymnastik sein mag, mein Bein muss schnellstens wieder für andere Sportarten zur Verfügung stehen. Da gehöre ich nicht hin.

    "Noch nicht!", sagt leise eine kleine Stimme in meinem Kopf. "Noch nicht."



    Arielle und ich:

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