Jetzt ist es passiert, ich habe mich ans Fernsehen gewöhnt!
Heute geschah etwas sehr schönes. Nämlich räumte ich die Spülmaschine aus (okay, wir sind noch nicht ganz da - kommt noch, das Schöne), ich räumte also vor mich hin, die Teller nach oben, die Gläser weiter nach unten, dann ein Glas, das man eigentlich nie braucht, ganz nach oben, auf den Zehenspitzen, und dachte dabei so beiläufig-verwundert: "Hm, was ist mein Bein so merkwürdig unbeweglich?!"
Das war das Schöne - es ist vermutlich erklärungsbedürftig:
Seit knapp zwei Monaten bin ich mir zu jedem einzelnen Moment des Tages (und auch meist im Traum) absolut bewusst, dass mein Knie kaputt ist. Zum einen ist das im Kopf deutlich vermerkt, zum anderen weist Bein.v2 auch ununterbrochen darauf hin. Bei jeder Bewegung, egal ob im Sitzen oder Stehen oder Liegen oder Gehen schallt es "Vorsicht!", "Aua!", "Moment, das geht nicht!", "Langsamer!", "Uiuiui das wackelt!", "Ohgott!!", "Ey!". Bei jeder einzelnen Bewegung. Es gibt keinen Moment, in dem Bein.v2 nicht präsent ist. Beziehungsweise: es gab keinen Moment, in dem Bein.v2 nicht präsent war. Denn vorhin war es ja kurz vergessen. Beim Spülmaschine ausräumen. Wie lang weiß ich nicht - beim Besteckkorb (den räume ich immer zuerst aus) war ich noch vorsichtig bei der Drehung.
Aber irgendwo zwischen Tellern, Töpfen und eben bis zu dem Glas, das man eigentlich nie braucht, war für einen Moment alles gut.
(Was WmdedgT ist und die übrigen Beiträge dazu steht hier bei Frau Brüllen.)
Mein Plan war, heute wirklich nichts zu machen, denn die letzte Woche war etwas anstrengend. Aus keinem speziellen Grund, außer dass der Alltag mit Bein.v2 generell etwas anstrengend ist und ich dann noch aus unerfindlichen Gründen schlecht geschlafen hatte.
Das Nichtstun begann sehr vielversprechend: bis etwa 13 Uhr saß ich auf der Couch, trank Kaffee und las Bücher und im Internet. Zwischendurch stand ich nur immer mal kurz der Katzen wegen auf und etablierte dabei eine neue Routine - bekanntlich liebt es die kleine Katze, wenn ich ihr beim Fressen zuschaue, normalerweise kauere ich dazu neben ihr auf dem Boden, das geht derzeit nicht, so dass in der Nähe der Näpfe ein Stuhl steht (das kommt mir ein bisschen so vor, wie wenn man dem Kind abgewöhnen möchte, dass ein Elternteil zur Einschlafbegleitung mit ins Gitterbettchen klettert und sich statt dessen einen Sessel holt und den jeden Abend etwas weiter wegschiebt, bis er wieder im Wohnzimmer ist...) Jedenfalls soll ich seit gestern Kniebeugen üben, laut Physiotherapeutin. Kniebeugen so richtig gehen natürlich noch nicht, aber ich soll bis zum nächsten Termin (Dienstag) so weit kommen, dass ich mich auf einen Stuhl setzen und wieder aufstehen kann, ohne mich abzustützen oder fallen zu lassen oder Schwung zu holen. Das übe ich nun immer, während die kleine Katze frisst. Und tadaaa: gestern schaffte ich noch nur den halben Weg, heute kann ich mich freihändig und kontrolliert hinsetzen. Zum Aufstehen ohne Schwung zu holen kommen wir dann morgen.
Um 13 Uhr gab es Frühstück, daraufhin erlitt ich ganz ungeplant einen Aktivitätsflash und erspielte erst 2.600 Punkte bei Duolingo und putzte dann beide Bäder und wusch den Duschvorhang. Dann entdeckte ich noch, dass sich die Stufe zum Balkon ganz hervorragend für die Dehnübungen von Bein.v2 eignet. Und dann ging ich mit Herrn N. testen, ob ich wohl wieder Autofahren kann - kann ich.
Also machten wir einen Großeinkauf und danach lag ich bis gerade zum Telefonieren mit dem Herrn Spiegelei, sorry, Schizophrenisten, auf dem Bett und aß dabei Pizza.
Und jetzt muss ich dringend weiter nichts machen.
Bekanntlich habe ich mir vor 1,5 Jahren vorgenommen, mir die Fingernägel zu lackieren. Allerdings fiel mir dann auch immer etwas ein, das ich gerade lieber tun oder dringlicher tun müsste. Fingernägel lackieren finde ich höchst lästig und anstrengend, wie Basteln nämlich, und dann bin ich darin auch noch nicht gut (wie in Basteln nämlich) und vermutlich habe ich auch nicht das richtige Material, jedenfalls ist meist nach ein bis zwei Stunden eh schon alles wieder zerstört.
Als ich aber neulich beim Augenbrauenzupfen war, wurde mir mitgeteilt, ich hätte durch meinen Besuch an dem Tag etwas gewonnen. Was konnte ich nicht verstehen. Die Augenbrauenzupffrau teilt sich den Salon mit einer Nails-Frau. Ich verstand, dass ich bei der Nails-Frau etwas gewonnen hatte, vermutlich Maniküre, vielleicht aber auch Pediküre oder beides oder auch vielleicht würde auch etwas 15 oder 25 Euro kosten. Genauer fand ich es nicht heraus, es sollte aber am nächsten Tag um 10:30 Uhr stattfinden. Natürlich ging ich hin.
Ich hatte Maniküre gewonnen (Pediküre gab es zum Aufpreis von 15 Euro dazu, oder 25 Euro mit Farbe), und jetzt muss ich mal sagen: das hat sich gelohnt. Ich musste einfach nur herumsitzen, fast zwei Stunden zwar, aber mit Bein.v2 kann ich mir das ja momentan leisten. Es sieht alles hübsch aus, der Lack hält sogar an den Händen nach mehreren Tagen noch immer perfekt und ich kann jetzt beim Sofasitzen meine hübsch gemachten Füße bewundern.
Ich glaube, den Vorsatz mit dem Nägel lackieren fasse ich jetzt öfters.
kleine Pause heute.
Also eines kann ich definitiv sagen, nachdem ich heute morgen vor dem Duschen die Orthese abgelegt habe: Das Ding ziehe ich - außer es gibt eine klare ärztliche Anweisung - ganz sicher nie wieder an. Für gar nichts.
Kopfsache, pah. Wir sind doch nicht in Befindlichkeitshausen.
Morgen darf ich die Knie-Orthese abnehmen und zwar wann immer ich will, nicht nur, wenn ich mit hochgelegten Beinen auf dem Sofa sitze! Was genau dann auf Anhieb möglich ist, weiß ich natürlich nicht, aber das wird schon, ich freue mich in jedem Fall sehr auf:
- Duschen ohne mir vorher das Bein in Frischhaltefolie zu wickeln und einen Müllsack drüberzustülpen
- Jederzeit, wenn mir etwas einfällt, einfach aufspringen und losgehen zu können, ohne Bein.v2 erst mühsam ins Exoskelett zu hüllen
- Jede beliebige Hose anziehen zu können - nicht mehr nur die mit weitem Bein. Ich kann schon jetzt an fast nichts anderes denken als an die Kleiderwahl. Naja vermutlich wird es aber doch wieder eine Hose mit weitem Bein, denn es soll ja wieder so unnatürlich warm werden.
Ja. Ich weiß gar nicht sicher, ob ich heute Nacht vor Aufregung schlafen kann. Und ob ich morgen Nacht ohne Exoskelett schlafen kann, daran bin ich jetzt schließlich gewöhnt!
Morgen!
Frau N: Ich habe hier einen Patienten.
Fahrradmann: Das Rad mach ich, das Bein nicht.
Frau N: Das Rad, das Rad natürlich. Das muss mal komplett, es stand jetzt ganz lange und ich konnte mich nicht kümmern.
Fahrradmann: Mach ich.
Frau N: Also die Handdbremse rechts und das Rücklicht...
Fahrradmann: Ich seh das dann schon.
Frau N: Und am Hinterrad...
Fahrradmann: Frau N. wollen Sie irgendwas anderes von mir als ein verkehrssicheres Rad, das Sie gut fährt?
Frau N: Äh, nein.
Fahrradmann: Na dann. *macht verscheuchende Handbewegung*
Frau N: Aber einen Korb möchte ich noch!
Fahrradmann (im Tonfall des Leidens Christi): Einen K-o-r-b.
Frau N: Hinten.
Fahrradmann: HINTEN!!
Frau N: Ja, so fest angebracht. Von mir aus mit Kabelbindern.
Fahrradmann: Jaja, das sehen wir dann mal wenn Sie es abholen. Kommen Sie Mittwoch.
Frau N: Mittwoch kann ich nicht.
Fahrradmann: Donnerstag. *geht grußlos weg*
(Immerhin hat er nicht gesehen, dass ein neues Schloss - Weihnachtsgeschenk - dran ist, dass nicht bei ihm gekauft wurde.)
Ich hatte heute das Glück, mir die Person, die im Zug neben mir sitzt, aussuchen zu können. Weil ich nämlich zu faul war, zwei getrennte Fahrkarten/Sitzplätze für Hin- und Rückfahrt zu kaufen und deshalb auch für Mademoiselle die Rückfahrt mitgebucht hatte, obwohl sie heute gar nicht mit mir fuhr.
Ich suchte mir einen unauffälligen älteren Herrn aus, der im Gang stand, eine Laugenbrezel aß und zwei Zeitschriften (Spiegel und Economist) dabei hatte.
War eine gute Wahl, ich konnte die ganze Fahrt ohne Unterbrechung lesen und es gab keine Mittellehnenstreitigkeiten.
Arzt: Frau N., was macht mein Knie?
Frau N: Das müssen Sie mir sagen.
Arzt: Es sieht gut aus!
Frau N: Dankeschön!
Arzt: Wollen wir mal schauen, ob es auch stabil ist. Legen Sie sich mal hin.
*drückt und zerrt am Knie in alle Richtungen und schleudert es hin und her*
Arzt: Frau N, lassen Sie mal die Muskeln locker.
Frau N: *versucht, die Muskeln locker zu lassen, hat aber Angst, der Arzt reißt das Bein einfach ab*
Arzt: Frau N. Hören Sie auf, mein Knie mit ihren Beinmuskeln festzuhalten. Ich kann das sonst nicht untersuchen. Dann muss ich Sie wieder narkotisieren!
Frau N: Geben Sie mir 15 Sekunden! *begibt sich geistig an einen anderen Ort*
Arzt: Ah. Sehr gut. *ruckelt und reißt wie ein wildes Tier*
Arzt: Hm. Hmhm.
Frau N: Nicht gut?
Arzt: Doch doch. Warten Sie mal. *ruckelt und reißt und drückt noch viel mehr* Hmhm. Das ist jetzt unerwartet.
Frau N: Was denn???
Arzt: Das ist sehr stabil. Geben Sie mir mal das Gesunde. Hm. Da ist kein Unterschied. Das Kreuzband ist stabil.
Frau N: Wollten Sie das nicht nochmal von Innen betrachten?
Arzt: Ja, das würde ich sehr gerne. Nur leider gibt es dafür keine Indikation. Ich kann ja nicht nach Belieben Leute aufschneiden. So ein Arzt bin ich nicht.
Frau N: Und wie geht es jetzt weiter?
Arzt: Ab Mittwoch Schiene weg, Sie werden sich erst kaum trauen zu gehen, das ist Kopfsache. Lassen Sie die erstmal nachts weg, dann in der Wohnung und so weiter, aber sehen Sie zu, dass Sie die innerhalb einer Woche los sind. Dann Muskelaufbau: Schwimmen, Radfahren, Krankengymnastik am Gerät. In 6 Wochen Kontrolle. Dann können wir über Sport sprechen. So, jetzt fliege ich nach Mallorca!
Frau N: Jetzt sofort??
Arzt: *zieht einen Koffer hinter dem Vorhang hervor* Ja, ich wollte nur noch nach meinem Knie schauen. Ich überantworte es Ihnen hiermit zurück. Viel Spaß!
Frau N: Ihnen auch!
Arzt, im Gehen: Treppe runter aufpassen, da knickt man schnell um! (entschwindet)
So. Ja. Cool.