Das Buch, das wir gestern besprachen - The first Fifteen Lives of Harry August - da geht es so grob um jemanden, er immer wieder lebt. Er stirbt, zapp, wird er wieder neu geboren und kann sich an alles erinnern. Wie bei "Und täglich grüßt das Murmeltier", nur eben ein ganzes Leben.
Was wir anders machen würden, wenn wir so jemand wären, war die letzte Frage die gestern jemand stellte. Und noch immer bin ich ganz erstaunt, dass die allermeisten nur davon sprachen, welche anderen Studiengänge sie wählen würden, welches andere, weitere Wissen für sich suchen, für das jetzt vielleicht nicht genug Zeit ist.
Ich würde so vieles anders machen. Total und komplett und wie man den Sog eines ganz anderen Lebens nicht spüren kann, frage ich mich jetzt. Nicht als Wunsch oder als Sehnsucht, eher mechanisch, wie wenn man im Meer steht und die Welle kommt und dann geht das Wasser zurück und zieht und zieht und zieht.
Ich würde ein Leben leben so wie jetzt und eins das total auf Karriere ausgerichtet ist und eins als Hausfrau und Mutter mit so vielen Kindern wie möglich, eins als Bäuerin vielleicht, eins in einem handwerklichen Beruf und eins, in dem ich gar nichts mache, eins in dem ich trinke oder Drogen nehme (das hatte ich gestern noch ausgeschlossen wegen kein Interesse, aber andererseits, in so einer Situation: warum denn nicht?) und eins in dem ich spiele und vielleicht eins in dem ich Verbrecherin bin - Mörderin wollte ich erst schreiben aber das würde ich vermutlich nicht übers Herz bringen, wobei ich nicht weiß, nach wie vielen Leben man da abstumpfen würde. Als Entwicklungshelferin vielleicht eines, oder anderweitig wohltätig, eins in der Wissenschaft, eins mit ganz vielen Tieren, eins allein, eins mit einer Partnerin, eins mit einem Partner, eins in einer alternativen Wohnform und auf jedem Kontinent eines sowieso, ich würde das alles durchprobieren, wo ist das Risiko, wenn es völlig unterträglich ist, gibt es ja die Notbremse. Der Wert so eines Lebens nimmt ja auch rapide ab, wenn es unendlich verfügbar ist. Und zapp, ein neuer Versuch.
Grauenhafte Vorstellung, andererseits. Ich wäre irgendwann so unendlich müde.
(Was das ist und die übrigen Einträge dazu finden sich hier bei Frau Brüllen.)
Um 9:11 Uhr schrie die kleine Katze mich wach, die Näpfe waren nämlich leer aber das fand ich gut, das beste am Wochenende ist ja, dass man aufwacht und sich nicht sofort beeilen muss. Also füllte ich die Näpfe und kraulte die kleine Katze beim Fressen und ging dann wieder ins Bett, bis ich Lust hatte, aufzustehen. Das war ungefähr eine halbe Stunde später.
Ich siedelte um auf die Couch, mit Kaffee und der Papierzeitung. Ich bin jetzt bei Ausgabe 3 der Papierzeitung und muss sagen, Bildung ist ein aufwändiges Hobby. Diese Monstrum hat so um die 75 Seiten, jede Woche 75 Seiten Zeitung lesen - gut, ein paar davon sind monströse Werbeanzeigen für Autos und den Feuilleton lasse ich eh weg, das ist mir zu blasiert - lässt sich nicht ohne weiteres in meinen Alltag integrieren. Dafür muss ich mir schon den Sonntag freihalten.
Irgendwann gab es Frühstück, dann Telefonate mit Eltern und Schwester und danach, um ca. 12 Uhr, beschloss ich, Babyfüße zu machen und handelte mir damit weitere 2 Stunden Couchzeit ein.
Sehr oft will ich Sonntags die Wohnung einfach gar nicht verlassen. Das ist ja eine Freiheit, die man erst einmal haben muss. Als Kind wird man Sonntags ständig zu Ausflügen oder Besuchen genötigt, als Erwachsene verspürt man dann den Drang, dem Kind irgendwas zu bieten und mit ihm Ausflüge oder Besuche zu machen. Und dazwischen hat man den Drang, selbst irgendwas zu erleben im Sinne von Carpe Diem (bei schönem Wetter ist allerdings meist mehr Carpe angesagt als bei Regen). Eine glückselige Zeit in meinem Leben gab es so zwischen 15 und 16 Jahren, da besaß ich nämlich nur eine einzige Jeans, die ich für gesellschaftstauglich befand und deshalb ausschließlich trug. Die musste Sonntags gewaschen und getrocknet werden, also verbrachte ich diesen hosenlosen Tag daheim. Und heute habe ich mich selbst vom Rausgehzwang emanzipiert und sitze auf der Couch, wann ich will, unabhängig von der Wäschesituation.
Allerdings hatte ich heute nach den Babyfüßen auch erstmal von Couch und Zeitung und brach zu einem kleinen Spaziergang auf, der mich zur Packstation führte. E-Mail und SMS behaupten, dort sei seit 2 Tagen eine Sendung für mich drin. Ich wusste, dass das nicht stimmt, die Sendung hatte ich nämlich am Freitag bereits abgeholt. Aber ich wollte sowieso ein Paket wegbringen und neugierig war ich auch; es hätte ja sein können, dass ich das Paket einer fremden Person bekomme, es wäre nicht das erst Mal. War aber nur eine Falschmeldung, der Automat gab mir keine fremden Bestellungen, ich legte also nur mein Paket ein und spazierte dann wieder nach Hause. Das alles in strahlendem Sonnenschein.
Sofort, als ich wieder zu Hause war, begannen Sturm und Regen. Also las ich halt wieder in der Zeitung bis ich hungrig wurde und deshalb Abendessen kochte: Schweinegeschnetzeltes mit Paprika, Brokkoli, Lauch sowie Reis und Kräuterbutterbaguette.
Kurz darauf war ich mit dem Lesedings im Internet verabredet, wir hatten gemeinsam "The first fifteen lives of Harry August gelesen" und heute war die Besprechung. Weil ich das Buch schon irgendwann im Januar beendet hatte, war ich besorgt, ob ich mich noch gut genug erinnern würde. Zusätzlich hatte ich es auch noch elektronisch gelesen, da kann man dann ja keine Post-its reinkleben, alles höchst erschwerende Bedingungen. Aber es kam dann doch noch sehr vieles wieder zurück. Wir unterhielten uns etwa zwei Stunden - interessanterweise läuft es immer auf etwa zwei Stunden hinaus, so als ob das die natürliche Zeitspanne wäre, die man entspannt über ein Buch sprechen kann.
Anschließend jagte ich Mademoiselle ins Bett und setzte mich dann - Überraschung - wieder auf die Couch. Diesmal ausschließlich mit dem Internet, keine Zeitung mehr heute.
Was ich machen wollte aber nicht gemacht habe: meiner Mutter und einer Freundin Terminvorschläge machen und die Zettelsammlung auf dem Küchentisch ordnen. Jetzt habe ich aber auch keine Lust mehr.
Irgendwie motorisch verwirrt habe ich mir heute sowohl Kaffee als auch Wasser und Bier in den Ausschnitt gegossen. Also jedes Getränk, das ich heute überhaupt zu mir genommen habe.
Aus Gründen, die ich im Nachhinein nicht mehr richtig zusammenbringe - zwar sehr früh aber auch ohne Mittagspause und länger als geplant im Büro gewesen und dann, als ich schon raus war, nochmal auf einer Parkbank was dort geregelt statt sofort nach Hause zu gehen und zu Hause hatte die Ersatzputzfrau die Katzen versehentlich eingesperrt und als ich sie rausließ drehten sie durch und fraßen gierig und kotzten und dann hatte ich eigentlich Hunger aber war ja schon dran, so spät dran und der Bus kam nicht, also lief ich schnell zu einem anderen Bus - kam ich heute sehr abgehetzt beim Gesangsunterricht an und bemerkte dort, dass ich eine Stunde zu früh war.
Sowas ist ja wie eine mentale Vollbremsung. Mir fiel auch nichts Sinnvolles dazu ein. Also blieb ich einfach eine Stunde lang an exakt derselben Stelle vor der Tür stehen und guckte vor mich hin.
War auch schön.
Heute war ich allen immer einen Schritt voraus. Im wahrsten Sinne des Wortes: morgens beim Bäcker, im Kaffeeladen, mittags im Supermarkt und am frühen Abend bei der Post - immer trat ich an einen komplett leeren Schalter/Kasse. Und während ich bestellte/bezahlte, stürmten jeweils zig Personen heran, um sich hinter mir zu einer sehr langen Schlange zu formieren.
Frau N: Und dann hat eine Zilli angerufen um dir zu gratulieren. Zilli Nehring.
Papa N: Ach die Zilli, danke!
Frau N: Ruf die doch mal zurück, die hatte viel zu erzählen von, warte mal, ich hab es aufgeschrieben - Kostas, kann das sein?
Papa N: Küsters Jupp.
Frau N: Oder so. Die Nummer hab ich nicht richtig aufgeschrieben, die hat bei den Zahlen immer Dialekt gesprochen, das hab ich so schnell nicht hingekriegt. Aber sie sagt, du hast die Nummer auch, du würdest öfter anrufen.
Papa N: (zählt mir nochmal von 1 - 20 auf Dialekt vor "eyne, tweye, triye... twentig") Hab ich auch, hab ich auch, hol mir mal mein Büchlein.
Frau N: (tut wie verlangt)
Papa N: Schau mal bei D.
Frau N: Bei N?
Papa N: Bist du schwerhörig? Bei D! Dora!
Frau N: Aber die heißt doch Nehring.
Papa N: Die heißt Dissen.
Frau N: Nein, Zilli Nehering hat angerufen.
Papa N: Die heißt Dissen. Die sagt nur immer Nehring.
Frau N: Ah. Ist das eine der Mädchenname oder wie? Na gut. Aber bei D steht keine Zilli.
Papa N: Ach jetzt war ich durcheinander, das ist ja auch der Küsters Jupp der Dissen hießt, nicht die Zilli.
Frau N: Wieso heißt der Küsters Jupp denn Dissen?!
Papa N: Du stellst Fragen! Schau mal bei H, Hibbeln heißt die Zilli.
Frau N: Nicht Nehring?
Papa N: H i b b e l n.
Frau N: Wieso haben die denn alle zig Namen?
Papa N: Na weil auf dem Dorf doch alle gleich hießen, die waren ja alle verwandt. Da muss man sich was ausdenken. Die Zilli hieß ja wie der Bauer, deshalb haben wir die Familie [völlig unverständliches Wort auf Dialekt] genannt, dass man da nix verwechselt.
Frau N: Wie habt ihr die genannt? Wie schreibt man das?
Papa N: Woher soll ich das wissen, wir haben der ja nicht geschrieben, wir haben die nur so genannt.
Frau N: Und was heißt das?
Papa N: Schiefereckhaus. Da hat die gewohnt.
Frau N: Ah. Also mach du hier mal weiter, ich schau dein Büchlein jetzt einfach durch, wenn ich die Zilli unter irgendeinem Namen finde, sag ich es dir.
(15 Minuten später)
Frau N: Hier, unter N wie Nehring.
Papa N: Na das konnte aber echt keiner wissen, dass die unter Nehring steht!
An der Wohnzimmerwand meiner Schwester ist etwas. Es befindet sich neben der Tür an einer weißen, verputzten Wand: ein sehr helles, nur bei hellem Tageslicht sichtbares Pink, das etwa eine Handbreit über dem Boden anfängt und sich nach oben hin verästelt ausbreitet, wie ein schmaler, hoher Strauch, ca. 1,70 m hoch.
Meine Schwester hat keine Ahnung, woher es kommen könnte. Meinen Eltern und zwei Freunden hat sie es schon gezeigt, die konnten es aber nicht sehen, kamen aber auch immer erst am frühen Abend, das Licht war zu dämmrig, bei Kunstlicht ist nichts zu sehen.
Aber als ich heute eintreffe, schien die Sonne hell über den Balkon hinein. Meine Schwester fragt mich, ob ich es an der Wand sehe. Ich schaue kurz, setze die Brille ab, setze die Brille wieder auf, kneife die Augen zusammen und sage: "was ist das?"
"Du siehst es auch!", sagt meine Schwester, und "ich weiß es nicht, es tauchte vor ein paar Wochen auf. Ich habe da nichts angelehnt und nichts verschüttet und die meisten anderen sehen es nicht! Und abwischen lässt es sich auch nicht."
"Hast du deinen Weihnachtsbaum da angelehnt?" - "Ich hatte keinen." "Hast du irgendwas großes geliefert bekommen, in Folie oder so?" - "Nein!" "Oder hast du hier eine Party gefeiert mit Rotwein?" - "Nein!!" "Oder stand da ein Reisigbesen??" - "Nein!!!"
Ich betaste die Wand. Nicht feucht. Ich klopfe. Kein Kamin oder Hohlraum dahinter. Ich gehe ins Schlafzimmer und betaste und betrachte die Wand von der anderen Seite. Nichts. Ich mache ein Foto: nichts sichtbar. "Eindeutig eine Heiligenerscheinung, Typ brennender Dornbusch", diagnostiziere ich. Ich war nicht umsonst auf einer katholischen Grundschule.
"Ich will das nicht haben, das ist mir auch ein bisschen unheimlich", beklagt sich meine Schwester. "Was soll daran unheimlich sein, wir können ja mal was vom Putz abhauen und schauen, ob das oberflächlich ist oder von innen kommt!", sage ich.
Das möchte meine Schwester zwar nicht, sie hat aber nun einen Einfall und holt einen Schmutzradierer aus dem Putzschrank. Schwupps, ist die Heiligenerscheinung weg.
Falls höhere Wesen eine Nachricht übermitteln wollen, müssen sie sich einen weniger profanen Haushalt suchen.
In letzter Zeit begegne ich ständig Leuten, die schlecht riechen. Entweder aus dem Mund oder aber vom ganzen Körper her. Nicht nach Schweiß, Knoblauch oder ungewaschen, das gibt es natürlich auch, das meine ich aber nicht. Sondern die riechen an sich für mich einfach enorm schlecht. Und hinterlassen ihren schlechten Geruch auch in engen Räumen wie Aufzügen oder Umkleidekabinen. Meist ist es ein säuerlicher Geruch, manchmal aber auch irgendwie modrig. Sehr unangenehm. Im Büro hatte ich neulich eine Besprechung mit einem Schimmliges-Papier-Riecher. Und meine Partnerin heute beim Sport roch ziemlich exakt so wie der Kakao, den Mademoiselle mal drei Wochen lang auf der Heizung stehen ließ. Alles sehr unangenehm.
Dass es das gibt, klar. Dass das so gehäuft momentan auftritt macht mir aber Sorge. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade weder erkältet noch nasensprayabhängig bin und meine Nasenschleimhäute mir jetzt mal so richtig die Welt vorführen wollen? Ich weiß es nicht. Aber wenn das so weiter geht, reibe ich mir demnächst eine Duftpaste unter die Nase, bevor ich rausgehe.
Muss unbedingt neue Songs für Karaoke morgen raussuchen. Die alten sind schon so abgesungen.
Immer öfter sehe ich im Internet Sammlungen mit dem Titel "Was heute schön war". Mir ist aber viel mehr danach, aufzuschreiben, was heute Scheiße war. Da waren heute gleich drei Sachen.
Als erstes die Rolltreppe gleich morgens an der S-Bahn-Station, die war nämlich kaputt und wenn ich irgenwas garantiert morgens, vor dem Frühstück, nicht will, ist das mit Kaffeebecher Treppen zu steigen. Bewegung im Alltag und die Herzgesundheit und Fitness und Kalorienverbrennen ist mir alles total egal, ich habe keine Bock auf Treppen morgens, ich will Rolltreppe fahren, dazu ist sie da. Ich will auf dem Ding stehen und ins Nichts starren und mich langsam Stück für Stück aus der dunklen Station hinauftragen lassen in das graue Licht des Nieselregens. Das ist meine Vorstellung von Romantik. Und die wurde mir genommen, heute morgen um 7:59 Uhr.
Zweitens das hier. Liest sich im Nachhinein lustig aber ich hatte Schimpfwort-Tourette bis die Nachbarn an die Wand klopften.
Drittens habe ich den ultimativen Nachteil der Papierzeitung herausgefunden: die kann geklaut werden.