In einer Bäckerei in einem mir fremden Stadtteil:
Verkäuferin: Bitteschön!
Frau N: Die Dame dort war vor mir da.
Verkäuferin: Bitteschön!
Dame: Einen Cappuccino bitte.
Verkäuferin: Der Cappuccino ist nicht bei mir, der ist hier an der Kasse bei der Kollegin (zeigt 50 cm weiter). Die ist aber gerade wohin. Da müssen Sie warten. (zu mir:) Bitteschön!
Frau N: Eine Nussecke bitte und ein Käsebrötchen.
Verkäuferin: Nussecke ist hier aber Käsebrötchen ist eigentlich auch an der anderen Kasse!
Frau N: Achso. Dann muss ich mich da nochmal neu anstellen?
Verkäuferin: Sie können ja auch woanders kaufen wenn's Ihnen nicht passt!
Faru N: Neinnnein, ich möchte unbedingt hier kaufen. Ich bin nur mit Ihren Ladenregeln nicht vertraut. Ich bin nicht von hier.
Verkäuferin: Sie sprechen aber richtig gut Deutsch!
Frau N: Ähja, dankeschön.
Verkäuferin: Dann kennen Sie auch unseren Industrieschnee nicht, was?
Frau N: (sehr verwirrt) Nein, Ihren was bitte?
Verkäuferin: Unseren Industrieschnee. Schauen Sie da draußen!
Frau N: Der Schnee?
Verkäuferin: Der ist nicht echt!
Frau N: Wie, der ist nicht echt?
Verkäuferin: Das ist Industrieschnee aus der Fabrik!
Frau N: Und wer hat den hier verstreut? Frau Holle?
Verkäuferin: Und unsere Märchen kennen Sie auch! Nein, das ist wegen den Schornsteinen, die Fabrik macht hier Wetter wenn der Luftdruck so irgendwie ist. Genau kann ich Ihnen das auch nicht erklären. Aber das ist nur hier im Ort und bis zwei Orte weiter. Im Taunus ist nix. Nur hier. Industrieschnee!
Frau N: Das wusste ich wirklich nicht. Das ist ja - ich weiß gar nicht.
Verkäuferin: In-dus-trie-schnee.
Frau N: Ja. Industrieschnee. So. Wie verfahren wir jetzt mit dem Käsebrötchen?
Verkäuferin: Das kriegen Sie jetzt auch von mir, weil sie so schön gelächelt haben.
Frau N: (Abgang mit letzten Resten der Selbstbeherrschung)
q.e.d.: Man kann in den absurdesten Situationen etwas lernen.
Was WmdedgT ist und die anderen Einträge dazu findet sich hier.
Da ich neuerdings wieder ziemlich gut schlafen kann - noch nicht perfekt, aber nah dran - wache ich gut gelaunt bei Weckerklingeln auf und setze mich nach der alten Morgenroutine zur neuen Morgenroutine mit ausgestreckten Beinen auf das Sofa, trinke Kaffee und lese dabei ungefähr eine halbe Stunde, während die Muskeln im OkayenBein vor sich hin dehnen. Danach Fahrt ins Büro, die Bremsen am Fahrrad sind nach wie vor eingeforeren und ich fühle mich nicht athletisch genug, bremsenfrei zu fahren, also nehme ich Bus und Bahn.
Keine besonderen Vorkommnisse im Büro.
Auf dem Heimweg wird mir bewusst, dass ja morgen Nikolaus ist. Normalerweise stellt der Nikolaus über Nacht (bzw. morgens vor 8 Uhr) immer einige Süßigkeiten auf die Schreibtische im Büro. Allerdings fällt dem dem Nikolaus plötzlich ein, dass er morgen früh Physiotherapie hat und vor diesem Termin ins Büro zu gehen ist echt viel zu anstrengend. Es wird daher einen Nikolausteller geben, zufällig in meinem Büro, von dem sich jeder bedienen kann.
Beladen mit Schokokram und einem passenden Teller und Abendessen und sehr vielen Müllsäcken, die ich für diverse Aktivitäten nutzen möchte, gehe ich den schöneren, längeren Weg nach Hause und erst da fällt mir wieder ein, dass ich ja ein gutes und ein leider nur okayes Bein habe, das weder viel laufen noch viel tragen soll. Gleichzeitig habe ich zu Hause aber auch ein Kind, das versehentlich eingeschlafen ist und jetzt eigentlich schnellstens Hausaufgaben machen und zum Sport muss, aber nun hat es schlimm Kreislauf. Immerhin schaffen wir es beide mit einem Tee auf die Couch, Mademoiselle allerdings nur für 15 Minuten, dann muss sie los. Ich bleibe sitzen, stehe nur einmal kurz auf, um mit dem Kater zu kämpfen, der will nämlich eigentlich mit der Katze kämpfen aber die hat keine Lust.
Als etwa eine Stunde später der Schlüssel von Herrn N im Schloss zu hören ist, erwäge ich kurz, aufzuspringen, in die Küche zu rennen und außerordentlich geschäftig zu tun. Ist mir aber zu anstrengend und einen Grund dafür weiß ich auch nicht, man hat halt manchmal merkwürdige Gedankenzuckungen. Also ich jedenfalls. OkayesBein-Zuckungen habe ich jetzt auch, also laufe ich zur Ablenkung dann doch durch die Wohnung und mache Abendessen.
Pünktlich als alles fertig ist - heute Fischstäbchen, Spinat und Kartoffelpürree - klingelt das Kind. Und bringt einen Arm voller Süßigkeiten mit, zu Nikolaus bekommen von der Freundinmutter, die sie zum Sport chauffiert hat. In sochen Momenten komme ich mir immer wie der Dulli schlechthin vor: nicht nur fährt diese Frau mein Kind von A nach B sondern ist dann auch noch aufmerksam. Eigentlich hätte ja, wenn überhaupt wer, dann ich für eine Aufmerksamkeit sorgen müssen. Hab ich aber nicht, ich hab sogar vor ein paar Tagen den Geburtstag meiner Schwester vergessen. Die meinen in der Woche davor allerdings auch. Obwohl wir täglich miteinander Wordfeud spielen. Vielleicht ist sowas genetisch. Und sowieso, diese ganzen Schokonikoläuse braucht doch kein Mensch. Außer, sie sind aus Kinderschokolade.
Gegessen wird auf dem Sofa (Herr N und ich - Herr N mit Netflix, ich mit Laptop) bzw. im Zimmer (Mademoiselle, mit Youtube), gesittet am Tisch sitzen und sich unterhalten ist uns allen nämlich auch gerade zu anstrengend.
Danach sitze ich noch eine kleine Weile in Mademoiselles Zimmer und lese ein Buch bzw. werfe den Katzen geknüllte Papierbällchen zu, weil das Kind noch Hausaufgaben macht und nicht allein sein möchte. Viel zu spät alles natürlich, aber mit dem Sport geht das manchmal nicht anders, mit dem ungeplanten Nachmittagssschläfchen erst recht nicht.
Kurz vor dem (viel zu späten) Schlafengehen erinnert sich Mademoiselle, dass man Schuhe rausstellen muss, das wird dann noch gemacht und dazu Kekse für den Nikolaus und Zucker für den Esel und eine Kerze und dann noch warten, bis das Licht im Treppenhaus ausgeht um zu schauen, wie hübsch es mit der Kerze aussieht und dann rennnt der Kater raus und dann die Katze und dann muss man wieder Licht anmachen, um die schwarzen Tiere einzufangen und so weiter.
Jetzt ist Ruhe.
Normalerweise habe ich irgendwann zwischen den Jahren die Anwandlung, dass mir die ganze Gemütlichkeit zu viel wird. Zu viel steht herum, zu viel liegt herum, zu viel Flausch und Zeugs und überhaupt und dieses funzelige Schummerigkeit ständig - Hölle! Und dann möchte ich allen Krempel und Krümel wegräumen, freie Flächen haben, einen Blumenstrauß aufstellen, die Heizung ausschalten, durchlüften. Irgendwie halte ich dann noch ein paar Tage durch, also so ungefähr bis die Müllabfuhr für den Weihnachtsbaum kommt, um den 6. Janaur herum, und dann, dann, dann.
Dieses Jahr habe ich diese Anwandlung bereits am 4. Dezember. Das ist wenig opportun, denn die Gemütlichkeit geht ja gerade erst los. Der Adventskranz steht schon bei Kerze 2 ständig im Weg, ständig geht irgendwas in den Kuscheldecken auf dem Sofa verloren und es ist ständig zu warm und zu stickig und überall steht irgendwas herum.
Das wird eine interessante Adventszeit.
Das KaputteBein, das ich vor einigen Tagen in OkayesBein umbenannt habe, trug mich heute nach mehreren Monaten Krankheitspause wieder zum Kampfsporttraining. Mit der Trainerin hatte ich in den letzten Wochen ein bisschen gemailt, eigentlich nur, um ihr meine lange Abwesenheit zu erklären, aber dann schlug sie vor, ich könne es doch samstags emal versuchen. Samstags leitet sie das Training persönlich, sie könne am Ende einige Übungen aus dem Qigong machen, die mir vielleicht helfen, und sowieso sei die Gruppe samstags - an dieser Stelle wurde sie etwas undeutlich - anders. Vielleicht für den Wiedereinstieg passend, ansonsten könne ich natürlich auch sofort wieder mittwochs kommen, es sei nur ein Angebot.
Mittwochs nach einem ganzen Tag auf den Beinen Sport zu treiben ist mir derzeit natürlich viel zu anstrengend. Also wollte ich es mit dem Samstag einmal ausprobieren. Und nun weiß ich auch, wo die ganzen Frauen hinverschwunden sind, von denen mir mal berichtet wurde oder die ich vereinzelt ab und an an einem Mittwoch sah. Tatsächlich war der Samstagskurs war für den Einstieg wirklich gut geeignet. Man musste nämlich gar nichts machen, weil alle Teilnehmerinnen so zurückhaltend waren, dass sämtliche Aktionen ca. 30 cm vor dem Körper stoppten. Und hinter den Schlägen auf die Pratze steckte ungefähr so viel Kraft wie derzeit in meinem rechten großen Zeh. Der Linke ist stärker.
Am Ende, nach dem Qigong, bot mir die Trainerin noch an, den Chi Vitalizer auszuprobieren, das sei sehr wohltuend bei Muskelverspannungen. Da lag ich dann auf einer Liege und schaute an die unverputze Decke, während eine lustige kleine Maschine an meinen Beinen rüttelte, und dabei dachte ich mir, wie nett die Menschen doch alle sind. Angefangen bei dem Physiotherapeuten, der an einem Wochenende einfach so für mich seine Praxis geöffnet hat, über die Freunde, die mich von A nach B chauffieren, damit ich nicht so viel laufen muss oder mit mir einkaufen fahren, obwohl sie das selbst hassen, oder das Kind zu entlegenen Aktivitäten transportieren wenn Herr N nicht verfügbar ist, weil es sich mit einem unvorhersehbar krampfenden rechten Bein eben doch schlecht Auto fährt, bis hin zu eben dieser Trainerin, die mich noch gar nicht lange kennt, aber einfach ihr Programm umstellt und sich Gedanken macht.
Ich hatte schon ein bisschen Pech in letzter Zeit. Aber ich bin dabei sehr weich gefallen.
Ein großes Hindernis, zu bloggen, war übrigens mein Passwort. Irgendwann neulich kam ich mal auf die Idee, es wäre super, mal alle Passwörter zu ändern. War natürlich gar nicht super, im Gegenteil, bei allen Handlungen des Alltags musste ab sofort eine Sekunde länger nachgedacht werden. Außerdem fand ich das neue Passwort blöd. Ich hab es ja gern einfach, deshalb hieß das Passwort fürs Blog KatzeRatteB. Das für Twitter hieß analog KatzeRatteT. Nur sind B und T lautlich so nah aneinander, dass ich die Passwörter in meinem Kopf nicht ausreichend unterscheiden konnte und meist erstmal das falsche getippt habe, genau so, wie man einen USB-Stick ja auch meist erstmal falsch herum einsteckt. Und zusätzlich sind Katze und Ratte so ähnlich klingend, dass ich nie wusste, was von beidem zuerst kommt. Und drittens tipptp sich das sehr ungefällig. Probieren sie mal aus. Ein sehr unausgewogenes und wenig geschmeidiges Tippgefühl. Wenn ich dann KatzeRatteT und RatteKatzeB und meist auch noch KaztehlsekrazreB oder sowas Ähnliches ausprobiert hatte, war mir meist schon gar nicht mehr so sehr danach, irgendwas zu sagen.
Mandeln sind enorm teuer dieses Jahr. Ich habe natürlich sofort nach dem Grund recherchiert: zum einen Klimawandel, Dürre in Kalifornien, da kommen die Mandeln nämlich her. Zum zweiten, weil der Mandelkonsum in China stark angestiegen ist. Was die Chinesen neuerdings mit den Mandeln machen, konnte ich nicht herausfinden. Eigentlich hatte ich ja auch angenommen, die ganzen gefühlten Laktoseleute sind an der Mandelverknappung schuld, weil die nun in und über alles Mandelmilch kippen. Mir fallen gleich zwei bis drei Personen in meinem Freundeskreis ein, die zwar keine Chinesen sind, aber auf dem Mandelmilchweg wohl direkt daran schuld sind, dass mein Weihnachtsgebäck dieses Jahr teurer wird.
Chinesische Freunde habe ich gar keine. Ich kenne zwar eine chinesische Frau, das ist aber eher eine Bekannte. Sowieso ist mir in einem Gespräch mit dem Schizophrenisten aufgefallen, dass meine Freundeskreis hier vor Ort komplett deutsch ist. Und das in einer Stadt, in der 60% der Einwohner einen Migrationshintergrund haben. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber merkwürdig ist es ja schon.
Jedenfalls wollte ich nämlich vielleicht noch ein paar Weihnachtsplätzchen backen. Falls es mir nicht zu anstrengend ist, da bin ich mir noch nicht ganz sicher, weshalb ich auch statt die Mandeln zu kaufen erst einmal die Preisentwicklung recherchiert habe. Ich könnte natürlich auch mit Haselnusskernen backen. Die schmecken aber immer etwas auffälliger. Haselnüsse wurden schon vor ein paar Jahren plötzlich sehr teuer wegen schlechter Ernte, Frost in der Schwarzmeerregion. Der größte Haselnussexporteur ist die Türkei. Ich sag es nur. Eine hochpolitische Sache, Weihnachtsgebäck.
Nicht, dass es überhaupt nötig wäre, noch zu backen. Das haben wir ja längst - wie jedes Jahr - mit Papa N. erledigt. Duftet aber immer so gut.
Frau Herzbruch sagt, wenn man sie nach dem Grund für eine ablehnende Antwort fragt, sehr gerne "aus allen Gründen". Ich habe nun für mich eine ähnliche Formel gefunden, von der ich bis vor kurzem gar nicht wusste, dass sie überhaupt existiert und dann niemals gedacht hätte, dass sie akzeptiert wird. Nämlich: "Das ist mir zu anstrengend!"
Viel zu anstrengend war es mir heute zum Beispiel, vor dem Weihnachtsmarktbesuch mit drei Kindern diese drei Kinder auch noch in die Eislaufhalle zu begleiten. Und ebenfalls zu anstrengend war es mir, nach dem Weihnachtsmarkt noch für Abendessen zusorgen, das konnte ich schon absehen und ich freute mich über meine eigene Cleverness Einsicht und kaufte Kartoffelpuffer zum Mitnehmen auf dem Weihnachtsmarkt. Einmal mit Apfelmus, einmal mit Preiselbeeren, einmal mit Knoblauchsoße. Sie dürfen raten, was für wen war.
Der nach mir wartende Herr wies mich darauf hin, dass die Alufolie, mit der die Kartoffelpuffer verpackt wurden, durch die Wärme Aluminiumoxid ausströmen und damit die Kartoffelpuffer verunreinigen und uns alle dann vermutlich irgendwie töten würde. Ob mich das denn gar nicht scheren würde, und die Kinder, und überhaupt warum zum Mitnehmen und warum man nicht ein Behältnis mitbringt, wenn man etwas mitnehmen möchte und die Umwelt und so weiter und dann zupfte er mich am Ärmel und auch da sagte ich nur die neue Zauberformel: "Lassen Sie mich in Ruhe, das Gespräch mit Ihnen ist mir zu anstrengend." Schon war er mucksmäuschenstill. Naja vielleicht trug dazu bei, dass ich ihm dabei mit einer Plastikgabel mittelfest warnend in die Hand piekste. Wer weiß was so eine Plastikgabel alles ausströmt.
Für meine Geburstagsparty habe ich auch keinen Kuchen gebacken. Das wäre nur abends nach 21 Uhr möglich gewesen. "Das ist mir echt zu anstrengend" - mit diesen Worten lud ich zwei tiefgefrorene Sorten auf den vollgepackten Einkaufswagen, den Herr N. geschickt durch die Gänge navigierte. Ich kann ja seit neuestem wieder freihändig gehen.
Sogar im Büro klappt das. Erst gestern plante ich mit dem Oberchef eine Veranstaltung, er wühlte durch Speise- und Weinkarten und Bestuhlungsmöglichkeiten und dann sagte ich "Wissen Sie was, warum machen wir es uns nicht leicht und nehmen einfach ganz genau den Vorschlag vom Restaurant? Das ist doch alles viel zu anstrengend!". So wurde es dann gemacht. Der Oberchef ist glaube ich zum Jahresende hin auch latent angestrengt.
Und so bleibt unter dem Strich mehr Zeit, um aus dem Fenster zu gucken, auf der Couch zu sitzen und dann vielleicht möglicherweise doch auch zu bloggen.
Jeden Tag bloggen nervt, gar nicht bloggen macht mir auch keinen Spaß, das Mittelding treffe ich nicht, weil dann immer diese Fragen vor dem Eintrag stehen: Warum sollte ich gerade das schreiben? Warum sollte ich gerade jetzt schreiben?
Die Auswahl aus so vielen möglichen Themen und die Auswahl aus so vielen alternativen Tätigkeiten (wie zum Beispiel schlafen - wunderbares Schlafen! Oder einfach nur aus dem Fenster gucken!) und die Multioptionsparalyse.
Frau Herzbruch sagte zu mir einmal, was sie an unserer Freundschaft besonders schätze, sei die Effizienz unserer Kommunikaton.
Nun, mittlerweile ist unsere Kommunikation so effizient geworden, dass sie offenbar funktioniert, ohne stattzufinden. Öfters teile ich nämlich Frau Herzbruch die eine oder andere Sache sehr knapp per Mail mit. Terminvorschläge zum Beispiel. Frau Herzbruch ruft dann meist irgendwann an - zeitliche Nähe zu meiner Mail ist nicht unbedingt gegeben, aber ich plane sowieso sehr langfristig und es ist schwer, mich ans Telefon zu bekommen, so dass auch davon auszugehen ist, dass der Wunsch Frau Herzbruchs, mit mir zu telefonieren, im Normalfall deutlich vor dem Zeitpunkt der Umsetzung des Unterfangens liegt. Bei diesen Gesprächen spreche ich dann auch die Termine an und wir einigen uns.
So ein Gespräch gab es auch in der letzten Woche, ich sagte ungefähr "was ist nun mit dem 14. November, kommst Du?" und Frau Herzbruch sagte "deshalb rufe ich ja an!", wir klärten alles und ich sagte, nun, wollen wir die anderen zwei Termine auch noch kurz besprechen?
Frau Herzbruch sagte "Dein Geburtstag?" und ich bejahte und sagte dann "und wegen Silvester, hatte ich dir ja gemailt." Hier wurde es kompliziert. Frau Herzbruch wusste von keiner Mail. Nicht-ankommende Mails sind etwas, das uns beide zutiefst verunsichert weil eigentlich ja gar nicht möglich. Nachdem ich die Mail auch in meinem Postausgang finden konnte erfrug ich - halb im Spaß - ob ich die richtige Adresse verwendet habe, Vorname.Nachname, ja, hatte ich, bestätigte Frau Herzbruch. Wir grübelten noch mehrere Minuten, kamen zu keinem Ergebnis, alles sehr unbefriedigend, bis dann kurz bevor wir aufgaben Frau Herzbruch nochmal sagte: "Moment - welche Adresse? Vorname.Nachname? Aber ich hab doch Vorname.Mädchenname!"
So war die Frage, warum die Mail nicht ankam, gelöst. Warum ich seit - ich habe es nun nachgeschaut - fast einem Jahr beharrlich an Vorname.Nachname schreibe, Frau Herzbruch mir aber trotzdem per Telefon auf Mails antwortet, die ich einer völlig fremden Person schicke, kann man wohl nicht so genau nachvollziehen. Und warum diese Person sich darüber nie beklagt hat und zudem ein Katzenbild im Profil hat, das dem Herzbruchschen Kater ähnelt, auch nicht.
Aber vielleicht kommt sie ja zu meinem Geburtstag. Oder an Silvester.
Wie möglicherweise dezent angeklungen ist, bin ich derzeit nicht ganz fit und aus diesem Grund betreibe ich momentan keinen Kampfsport, sondern etwas meinem körperlichen Zustand angemesseneres: Wassergymnastik.
Die Wassergymnastik findet in einem Keller statt. Der Keller ist alt und nicht schön, aber die Wände sind bemalt. Im Eingangsbereich ist Arielle. Dahinter ist eine ziemlich kleine Sammelumkleidekabine, in der sich ziemlich viele ziemlich alte Menschen etwas wacklig auf den Beinen auf engstem Raum drängen. Das ist noch der bessere Teil der Umkleidekabinengeschichte.
Dann kommt man ins Becken. Am Becken an sich ist nichts auszusetzen, es erfüllt seinen Zweck. Die bemalten Wände ringsum wirken wie der Safe Place von irgendjemandem, der Wasserlandschaften mag. Von Arielle vielleicht.
Angeblich kommt es häufiger zu Kämpfen zwischen den älteren Damen um die erste Reihe. Ich konnte bisher nichts dergleichen beobachten, es wurde im schräg verlaufenden Becken nach Größe sortiert. Idealerweise sollte man bis zu einem Punkt zwischen Bauchnabel und Brustwarzen im Wasser stehen. Nicht selten ein schmaler Grat.
Dann kommt der Trainer. Er trägt ein Headset-Mikro und spielt die Musik der frühen 80er, manchmal auch Schlager, dazu singt und pfeift er und macht die Übungen am Beckenrand vor. Er ist sonnengebräunt, muskulös und ganz enorm bei der Sache. Alle paar Minuten frage ich mich erneut, welches merkwürdige Schicksal ihn wohl an Arielles Safe Place verschlagen hat.
Trainer: Jetzt joggen wir erstmal eine Runde, die Füße hoch und runter, immer abwechselnd, eins-zwei-eins-zwei, die Arme locker im Wasser, Füße hoch und runter, die Profis können es auch im Takt machen, die wissen schon, wer gemeint ist, nicht wahr, Elfriede? (zwinkert).
In der Wasserlandschaft an der Wand sind ziemlich viele Delfine. Und Fische. Und natürlich Nemo. Keine Wasserlandschaft ohne Nemo.
Trainer: Wir nehmen die Hände dazu, ich habe euch etwas mitgebracht, was habe ich euch mitgebracht? Handschuhe!!
Ein paar ältere Damen: applaudieren
Trainer: Wir probieren die Handschuhe mal aus. Regina, du hast links was am Arm, richtig? Nimm nur den rechten Handschuh. Und jetzt schieben wir damit das Wasser nach vorn. Und Ausatmen beim Schieben. Nicht ins Hohlkreuz gehen. Geht ein bisschen in die Knie. Und schiebt! Gebt dem Vordermann die perfekte Welle!
Einen Korallenriff gibt es auch in der Wasserlandschaft. Und eine Insel am Horizont, mit sonnig-gelbem Strand. Ist denn nirgendwo ein Schiffswrack?
Alle Teilnehmer: schieben eifrig Wasser
Trainer: Ihr schiebt wunderbar. Ganz wunderbar schiebt ihr. Kann das wer im Takt? Schaut euch Anna an! Sie kann das im Takt! Super Anna!
Anna: (errötet unter der weiß-violetten Dauerwelle)
Trainer: Geht es bei dir mit der Schulter?
Frau N: Ich hab nicht Schulter, ich hab Bein.
Trainer: Was, du bist das Bein, nicht die Schulter? Das hätte ich jetzt nie gedacht, so wie du die Beine geschwungen hast beim Joggen! Das machst du super! Ganz symmetrisch, absolut symmetrisch!
Direkt vor mir an der Wand steht ein Delfin im aufgerichtet im Wasser. Er lacht. Dass mir das nicht vorher aufgefallen ist!
Trainer: Jetzt machen wir Ausfallschritte. Ganz tiefe Ausfallschritte. So, dass die Schultern ins Wasser tauchen!
Der Delfin lacht laut. Glaube ich.
Trainer: Hilde und Tamara, was tuschelt ihr? Was? Ah, Hilde, da kann Tamara dir auch nicht helfen. Aber ich kann dir da helfen, komm mal zum Rand. Und jetzt das Beinchen hoch.
Hilde: (hebt Diabetesfuß aus dem Wasser)
Trainer: Das krampft? Soll ich das wegmassieren? Ok. Tamara und hier, Schulter, stützt die Hilde mal unter den Armen.
Frau N: Ich bin Bein, nicht Schulter.
Trainer: (hängt über den Beckenrand und massiert Hilde das Bein) Genau. Schon besser Hilde? So ist gut oder?
Hilde: (seufzt wohlig)
Trainer: Und die anderen währenddessen zur Seite mit beiden Händen. Und Wasser schieben. Nach links - nach rechts. Nach links - nach rechts. Wenn es zu schwer ist, mach Fäuste Agnes! Aber das Joggen nicht vergessen. Die Beine jetzt nach hinten. Für die Neuen reicht einfach nach hinten. Bei den Profis will ich die Fersen am Po sehen! Super Regina! Und sogar im Takt! Schaut sie euch an! Schaut sie euch an!!
Regina: (dreht sich um und schaut, wie alle schauen.)
Ein paar Damen: (applaudieren)
Ich glaube, der Delfin lacht mich aus.
Dann kommt der schlechtere Teil der Umkleidekabinengeschichte.
Zu Hause setze ich mich sofort an den Tisch und mache mir einen Trainingsplan. Ich bin hochmotiviert. Dehnübungen und Fußgymnasik alle zwei Stunden, Stoppuhr mit ins Büro nehmen, morgens Rückengymnastik, abends Bauchmuskeln. So gesund und effizient die Wassergymnastik sein mag, mein Bein muss schnellstens wieder für andere Sportarten zur Verfügung stehen. Da gehöre ich nicht hin.
"Noch nicht!", sagt leise eine kleine Stimme in meinem Kopf. "Noch nicht."
Arielle und ich: