Nach einem Tag im Büro, der ungeplant sehr lang und sehr anstrengend war, ging es im Galopp zur U-Bahn, zur Straßenbahn und dann zum Fahrrad (wegen Tunnelsperrung) und exakt um 17:18 war ich zu Hause, raffte die Schwimmsachen zusammen und stand nur eine Minute verspätet um 17:31 vor der Haustür.
So früh Schwimmen waren wir ja noch nie. So völlig erledigt Schwimmen war ich allerdings auch noch nie. Das war ein Tag, an dem ich sogar in den Whirlpool gegangen wäre. Dazu muss man sagen, dass ich nie in den Whirlpool gehe, erstens mag ich nämlich kein warmes Wasser, zweitens sitze ich nicht gern in Wasser herum und drittens sitze ich tendenziell nicht gern mit Fremden in einer Art Badewanne. aber wie gesagt, heute wäre ich in den Whirlpool gegangen, nur ergab es sich eben nicht.
Wir schwammen zunächst mal unsere Bahnen, kraulend, nicht kraulend, wie auch immer, ich hatte einen Synchronschwimmer, was ich nicht bemerkte, aber es wurde mir gesagt und sah sicher sehr hübsch aus; der Herr schwamm mit echter Brille, daher immer mit Kopf über Wasser, er war mir meist etwas voraus, aber konnte natürlich wegen der echten Brille keine Rollwende, so dass ich beim Umdrehen immer wieder aufschloss. Synchronschwimmen habe ich früher schon im Fernsehen immer gern geschaut. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass die Kraulschwimmpartnerin auch berichtete, bald fange die Schwimm-WM oder -EM statt oder habe schon angefangen jedenfalls: zeitliche Nähe zu einem Schwimmereignis ist gegeben, ich recherchiere das schnell für uns alle, ach, sieh an: es ist die WM, sie findet in Kasan statt, das ist in Russland (wissen wir natürlich aus dem Lied Stenka Rasin), geht schon seit dem 24. und wir haben schon drei Medaillen: 5 km Freiwasserschwimmen gemischtes Team (Rob Muffels, Christian Reichert, Isabelle Härle) - Gold; 5 km Freiwasserschwimmen Männer (Rob Muffels) - silber; 5 km Freiwasserschwimmen Frauen (Finnia Wunram) - Bronze. Synchronschwimmen, also meine neue Disziplin, kann man nur noch morgen und übermorgen sehen, das "richtige" Schwimmen beginnt aber erst noch.
So. Nach ziemlich viel Schwimmen plantschten wir draußen herum, schön kühl war es, ein Wasserpilz machte tolle Rückenmassage, aber entkleidete dabei auch, vielleicht brauche ich mal einen neuen Badeanzug ("Schwimmkostüm" sagte eine Schulmutter neulich, das fand ich auch hübsch). Dann Wellenhüpfen, dann die Rollwende perfektionieren im Übungsbecken. Ich wende jetzt nur noch per Rollwende.
Dabei fiel mir auch ein, dass der Schwimmlehrer uns doch auch "üben" aufgetragen hatte, also so Einzelübungen. Das machten wir dann auch noch. Kraulabschlag zwei Bahnen, ein bisschen Haifischflosse und eine Bahn Baumstamm. Bei Baumstamm - eigentlich eine Art Wassergewöhungsübung für die optimale Wasserlage, mit sehr wenig Bewegung - überholten wir noch zwei Herren, die Schwimmspazierten. So kann man das glaube ich nennen. Sie schwammen nebeneinander her, ziemlich viele Bahnen, unglaublich langsam, dabei schwatzten sie ununterbrochen. Das ist etwas, was ich mir auch für mich vorstellen kann.
Eigentlich wollte ich noch Salto vom Einer probieren, aber dann habe ich mich nicht getraut. Mir wäre eigentlich lieber, wenn man für dieses Experiment das ganze Schwimmbad räumen könnte und nur ich und die Kraulschwimmpartnerin darin wären. Salto vom Einer kann so schwer nicht sein, ist ja nur eine Rolle in der Luft, aber bevor ich mich vor ungefähr hundert pöbelnden Halbwüchsigen der Gefahr aussetze, auf dem Gesicht zu landen, brauche ich noch ein paar Anläufe.
Relativ früh - dachte ich - brachen wir auf, der Tag war ja sowieso schon so anstrengend gewesen. Aber dann war es gar nicht früh, wir mussten sogar nachzahlen.
Der Zeitplan für die Vor- und Endläufe im Beckenschwimmen der WM findet sich hier.
Zu neunt wollten wir eigentlich heute Abend sein, aber ein Häschen hat sich das Knie verdreht, zwei kamen nicht aus dem Büro weg, eins hat alles komplett vergessen, eins hatte keine Lust und zwei gingen irgendwie verloren.
Dafür kam überraschend Herr N. vorbei und wir speisten unter anderem dies:
Und jetzt, Ihnen allen zum Trost: Das war gar nicht mal ganz so außerordentlich wunderbar, wie es aussieht, ich sage auch sofort den Grund, bzw die Gründe:
1. Es herrschte ein kleines Missverhältnis zwischen Mascarpone-Creme und dem Rest
2. Die Cornflakes-Schicht war einen Tick zu weich
3. Die Löffelbisquit-Schicht war nicht ganz kleingebrochen genug
Insgesamt hätte es dem Dessert gut getan, noch so etwas wie Streusel (von Kuchen, nicht Zuckerstreusel) unterzumischen. Nur ganz wenig, aber ein bisschen.
Das Eis und die Beerenschicht waren aber perfekt, und ja, es war insgesamt schon sehr, sehr, sehr lecker. Aber ich glaube, ich könnte das noch besser. Vielleicht muss ich mal eine Testreihe machen, für kalten grünen Tee ist es jetzt sowieso wieder zu frisch draußen.
Dazu gab es Cocktails und ich weiß nicht, was sie enthielten, der Herr der sie brachte verriet es nicht, auch seine Kolleginnen nicht, denn der Herr hatte sie eigens für uns erfunden.
Ich wundere mich ja immer ganz ehrlich und ohne Spitze, wie es möglich ist, dass Leute ohne Kinder im Alltag überhaupt in Anstrengung und Stress geraten können, natürlich unterliegen sie zwar auch fremdbestimmten Situationen, aber ohne die emotionale Verstrickung, die ein eigenes Kind mit sich bringt. Ich glaube aber, jetzt weiß ich es: sie gehen jeden Abend irgendwohin essen und versacken dann bei Cocktails, die ihnen erfunden werden, landen zu spät zu Hause auf der Couch und sind deshalb immer unausgeschlafen und etwas angeschlagen vom Alkohol und heiser vom vielen unterhalten.
Es ist gut, dass Mademoiselle am Wochenende zurückkommt.
Ich habe nichts zu berichten heute. Der Fahrradreifen hält, die Teefrage ist weiterhin ungeklärt (neuester Versuch: weniger Tee in kaltem Wasser ziehen lassen. Wurde nicht bitter, schmeckte aber dafür auch überaus neutral. Ich bin noch sehr unzufrieden). Das einzige Aufregende heute war, dass derselbe kleine VW-Bus mich heut in gleich zwei verschiedenen Städten fast umfuhr: zuerst in Frankfurt dort wich er auf die andere Spur aus, um zu überholen, dort war aber schon wer, so dass er auf meiner Höhe zurückzog. Und dann nochmal vor meiner eigenen Haustür, wo er mir die Vorfahrt nahm, so dass es dort auch nochmal knapp nicht schepperte. Ich überlegte kurz, ob ich jetzt sehr ärgerlich werde, aber war zu erheitert, dass das arme Auto für die Strecke Frankfurt - Offenbach genauso lang gebraucht, wie ich per Rad.
Der S-Bahn-Tunnel gesperrt, das Fahrrad noch platt. Ich weiß, dass einige LeserInnen große Fans meines verrückten Fahrradmannes sind; ich selbst kann ihn aber nur in einer ganz bestimmten Gemütsverfassung ertragen und diese ist in der letzten Woche noch nicht eingetreten. Alles etwas schlecht heute morgen. Ich hatte noch ganz leicht in Erwägung gezogen, dass der Fahrradreifen in Wirklichkeit gar nicht platt ist, sondern nur irgendwie von der Sonne, was weiß ich, Sonne macht ja alle möglichen blöden Sachen. Als ich im Hof meinen sorgenvollen Blick über das Rad schweifen ließ, sah ich aber die Heftzwecke, die im Mantel steckte. Immerhin, da weiß man, woran man ist.
Vor ein paar Wochen - also so lange her, dass ich es völlig vergessen hatte, es fiel mir erst durch einen Hinweis auf Twitter wieder ein - habe ich bei Aldi Fahrradreparaturspray gekauft. Es war ein reduzierter Sonderposten, keiner wollte es kaufen, ich googelte es noch vor Ort. Manche Leute sagten "Finger weg!", viele "Muss man mit umgehen können...", sehr viele "Ziemlich gut, immerhin kommt man heim oder zur nächsten Werkstatt" und ein paar "Total super, weitere Reparatur unnötig!". Das reichte mir aus, meine Pannen ereignen sich immer auf halbem Weg zwischen Haus und Büro am Flussufer und das bedeutet, in eine beliebige Richtung 4 km zu schieben. "Muss man mit umgehen können / ziemlich gut" erscheint eine gute Alternative.
Die Gebrauchsanweisung umfasst 5 knappe Punkte:
1. Reifen von Gegenstand befreien, der die Panne verursacht hat und die restliche Luft vollständig ablassen.
2. Dose vor Gebrauch kräftig schütteln.
3. Schlauchanschlussstück auf das Ventil schrauben - ggf. den vormontierten Adapter verwenden (brauchte ich nicht)
4. Flascheninhalt vollständig in den Reifen einsprühen. Anschließend den Reifen drehen, damit sich das Dichtmaterial gleichmäßig verteilen kann.
5. Sollte der Reifendruck nicht ausreichen, mithilfe einer Luftpumpe regulieren. Nicht geeignet für größere Schäden oder Risse!
Die Heftzwecke hatte ich schon herausgezogen und von mir geschleudert, die restliche Luft war aus dem Reifen raus und Schütteln sehr einfach. Das Schlauchanschlussstück passte ohne Adapter auf mein Ventil, ich achtete darauf, gut festzudrehen denn ich hatte ergoogelt, dass das besser so ist. Und dann: Sprühen.
Das Sprühen verlief erst sehr gut, dann passierten drei Dinge. Zum einen kam Sprühzeugs aus dem Heftzweckenloch. Es sah aus wie Löschschaum. Eigentlich nicht überraschend, ich war trotzdem von der Situation überfordert und hüpfte (soweit es mit der Sprühdose in der Hand ging) zur Seite. Im Nachhinein denke ich, es wäre schlauer gewesen, einfach den Finger auf das Loch zu halten, bis der Schaum sich verfestigt. Bevor ich mich solchen Überlegungen zuwenden konnte, passierte aber zweitens, dass der Schlauch anscheinend voll war, jedenfalls gab es einen Rückstau am Ventil und statt hineinzusprühen, kam nun Schaum seitlich heraus, es war also - drittens - Zeit, die Dose zu entfernen, was aber nicht so einfach war, denn: ich hatte ja fest zugedreht und nun war alles schaumig und ich musste ja auch langsam mal mit "anschließend den Reifen drehen" anfangen.
Irgendwie gelang es aber. Das Ventil war zu, der Reifen aufgepumpt, es kam kein Schaum mehr aus dem Loch, das Rad war mehrfach gedreht.
Folgende Fragen stellten sich mir nun
1. Ist der Schaum, der aus dem Loch kam, nun auch zwischen Schlauch und Mantel und wenn ja, ist das egal?
2. Ist der Schaum jetzt auch im Ventil drin oder davor und wird das beim nächsten Aufpumpen Probleme bereiten?
3. Kann ich dann jetzt einfach losfahren oder muss ich auf irgendwas warten?
Auf keine der Fragen fand ich eine Antwort. Der Schaum außen am Fahrrad und auf dem Boden hatte sich aber zu einer krümelig-gummiartigen Schicht verfestigt, die man abziehen konnte. Das tat ich und folgerte, dass es im Inneren des Schlauches nun wohl genauso aussieht. Dann fuhr ich los.
Ich fuhr nur bis zur Straßenbahn, dann begann nämlich ein Platzregen. Den gesamten Tag verbrachte das Rad also an der Haltestelle. Auf dem Heimweg wuchs die Spannung, ob ich es wohl platt oder aufgepumpt vorfinden würde, quasi ins Unermessliche.
Und dann war es so mittel. Definitv nicht platt, auf jeden Fall ohne weiteres Pumpen fahrbar. Aber ich hatte in Erinnerung, dass der Reifen durch das Spray randvoll war, stärker aufgepumpt als sonst. Das war er definitiv nicht (mehr).
Ich habe also vermutlich "ziemlich gut" getroffen. Heimlich hoffe ich noch auf "total super", das werden aber erst die nächsten Tage zeigen.
(Achso - das Päckchen ist natürlich abgeschickt.)
Gestern habe ich Mademoiselle zu den Großeltern gefahren und bin dort heute wieder abgereist, ohne sie, sie macht eine Woche Ferien bei Mama&Papa Novemberregen.
Die Rückfahrt dauerte recht lang - die A3 ist zwischen Leverkusen und irgendwas gesperrt, man stop'n'got ein paar Kilometer sozusagen durch das Bayer-Werk, diese paar Kilometer wuchsen sich in meinem Fall auf 1,5 Stunden aus, hier ein Blechschaden, da ein Motor verreckt, ein Motorradfahrer von seiner Maschine gefallen, zwischendrin Reporter mit Mikrophonen. Ich habe aber die Scheibe nicht runtergemacht, ich habe nämlich sehr laut gesungen. Natürlich hätte ich auch ins Mikro singen können, aber das fällt mir gerade erst jetzt ein. Zu spät. Macht nichts, der nächste Karaokeabend kommt bestimmt.
Was ich eigentlich sagen wollte: ich fuhr ja ohne Mademoiselle zurück, niemand bekam also Hunger/Durst/Schlecht/andere Musik/Zappelbedürfnis. Ich saß eben einfach mal 4 Stunden im Auto und fuhr von A nach B. Zu Hause angekommen fuhr ich in die Garage und trug die Taschen die Treppen hoch - nur eine Tasche von mir und eine mit dem Carepaket von Mama & Papa N., das ist was, das kriegt man nicht raus, will man aber auch nicht. Also: geparkt, Taschen hoch. Kein Räum-deinen-Krempel-zusammen/wo-sind-deine-Schuhe?/nimm-deine-Tasche-mit. Zu Hause habe ich mich auf die Couch gesetzt. Niemand schreit nach Abendessen oder sucht Schulsachen oder erleidet mysteriöse Verletzungen. Die Wohnung ist und bleibt aufgeräumt. Eben habe ich mit einer Spielzeugangel vor den Nasen der Katzen herumgewedelt, aber die haben nur blöd geguckt.
Ich glaube, ich kriege vor lauter Freizeit gleich Kopfschmerzen.
Mademoiselle hatte am Freitag ihren letzten Schultag in der Grundschule und war sehr traurig, dass diese Zeit nun zu Ende ist. Von mir wollte sie wissen, wie für mich mein letzter Grundschultag war und ich stellte dabei fest: ich erinnere mich nicht.
Und ich erinnere mich nicht nur nicht an den letzten Grundschultag, sondern auch nicht an den letzten Tag auf der weiterführenden Schule. Am vorletzen, das weiß ich noch, da habe ich mir abends im Park den Fuß umgeknickt und war in der Notaufnahme. Wie ich am nächsten Tag dann zum letzten Schultag ging - humpelnd? Krücken? - keine Ahnung! Ich weiß noch nichtmals, was für einen Abistreich wir gemacht haben. Das finde ich selbst jetzt einigermaßen skandalös.
Es ist nicht so, dass eine Erinnerungen allgemein nicht so weit zurückreichen würden. Da ist sogar ziemlich viel. Wie wir im Kindergarten die Jungs vom Holzkrokodil vertrieben haben, nachdem sie uns sehr lang (Stunden? Tage? Wochen?) nicht dort mitspielen ließen. Wie ich zur Schulvorbereitung große Achten auf ein Blatt malen und dazu "Lirum Larum Löffelstil, wer das nicht kann, der kann nicht viel!" sagen musste, sehr schlimm langweilig war das. Wie wir ein Tastspiel spielten und mit verbundenen Augen aus einem Säckchen ausgeschnittene Pappgegenstände gezogen haben - das war eins meiner Lieblingsspiele.
Und als ich zum ersten Mal in den Urlaub fuhr, mit 6 oder 7 - das Konzept erschloss sich mir nicht. Wie, ich kann nicht alle Kuscheltiere mitnehmen? Wozu ist das gut? Ich wollte das nicht. Dass ich Pe auf der Treppe zu unserem Klassenraum (2. Klasse) erzählte, dass mein Opa gestorben ist. Verschwunden ist allerdings die Erinnerung, wie das war, als meine Schwester wegzog, ins Ausland - da war ich ungefähr so alt, wie Mademoiselle jetzt. Das müsste ich doch noch wissen? Da wurden doch sicher auch Möbel umgestellt und solche Dinge? War ich denn nicht traurig? Sicher haben wir uns auch irgendwie emotional verabschiedet? Ich erinnere mich nicht. Ich weiß, wie sie nach einem halben Jahr zum ersten Mal wiederkam und wir uns am Bahnhof verpassten, weil sie nicht damit gerechnet hatte, abgeholt zu werden (an sich auch etwas bizarr).
Zu all diesen Themen, die mir entfallen sind, befrage ich dann Pe, mit der ich in der Schulzeit sozusagen siamesisch verzwillingt war, und dann wird es richtig konfus, denn zwar erinnert sich sich an einiges, das ich vergessen habe, und ich mich an einiges, das sie vergessen hat, aber: das, was wir beide erinnern erinnern wir unterschiedlich. Nicht das Ereignis, die Situation, an sich, sondern die Bewertung. Wir sprechen über dieselbe Sache, ich sage, "Achja, das war auch lustig!" und sie sagt "Lustig? Bist du verrückt? Das war echt schlimm!" Oder ich sage, "Ach ja, das mussten wir auch machen, boah, da hab ich mich gelangweilt!" und sie antwortet "Neeeein, das haben wir total gern gemacht, das wollten wir doch so!" Sehr, sehr merkwürdig, es ist ja auch nicht so, als hätten wir uns damals nicht unterhalten, da sollte uns die Haltung des jeweils anderen doch aufgefallen sein. Haben wir das nicht bemerkt, oder sofort abgetan, oder mittlerweile vergessen? Oder - und das ist wahrscheinlich, aber vielleicht auch etwas beunruhigend - schaffen wir uns unsere Realität erst retrospektiv?
Wie auch immer, ich konnte Mademoiselle mit dem letzten Grundschultag nicht mit meinen Erinnerungen behilflich sein - was hoffentlich wenigstens auf eine etwas verrenkte Art ein Trost war: Es kommt noch mehr.
Heute wurde ich von ihr gefragt, ab welchem Alter ich in der Schule eigentlich High Heels und Make-up getragen hätte. Da weiß ich die Antwort sehr genau, nämlich: nie. Das fand sie fast noch komischer als die Sache mit dem letzten Schultag.
Neuerdings trinke ich statt Kaffee auch gern kalten grünen Tee. Es gibt zwei Sorten davon in der Nähe des Büros: einmal im Kaffeeladen unten einen simplen „Grünen Tee auf Eis“ und dann, im Kaffeeladen einmal die Straße runter, einen „Grünen Minztee auf Eis“. Okay, in Wirklichkeit heißen sie „Iced Shaken Green Tea“ und „Gunpowder Moroccan Mint Iced“, aber egal.
Seit Beginn des Sommers litt ich immer mal wieder unter der Last der Entscheidung, welchen dieser beiden Tees ich an welchem Tag trinken sollte, befleißigte mich dann aber einer exakten Analyse (exakt im Rahmen meiner Möglichkeiten, meint: 80% Genauigkeit, darüber hinaus wird es mir zu mühsam) und kam zu folgendem Punkt: es ist völlig egal. Den mit Minze mag ich etwas lieber, dafür muss ich weiter durch die Hitze stapfen auf einer Straße, die keinen Schatten bietet. Den ohne Minze kann ich vollklimatisiert erreichen und mit weniger Zeitaufwand. Der geschmackliche Bonus durch die Minze wird also aufgehoben durch die größeren Strapazen der Beschaffung, so dass der Nettonutzen für mich 80%-exakt gleich ist. Nun bin ich entspannter, denn ich weiß: ich kann nichts falsch machen bei der Eisteeentscheidung.
Das ist das eine. Andererseits kam mir aber der Gedanke, dass der Erwerb von Wasser, in dem kurz grüne Blätter lagen, zu einem Preis von 3-4 Euro, generell dumm sein könnte. Deshalb ging ich gestern in den Tee- und Süßwarenladen meines Vertrauens - es handelt sich dabei um den Laden, der auch als Hermes-Paketshop fungiert (hüstelhüstel) und offenbarte der mir gut bekannten Verkäuferin dort, dass ich nach Jahren des Spottens über Tee nun selbst welchen erwerben wollen würde. Ich erklärte auch gleich, wieso und wofür, und dann wurde es kompliziert.
Nicht nur wollte die Verkäufern mir keinen grünen Tee mit Minze verkaufen, weil „grün“ und „minz“ nämlich unterschiedliche Brühtemperaturen brauchen. Zusätzlich versicherte sie mir auch glaubhaft, dass es nicht ausreichen wird, den Tee einfach durch Vergessen kalt werden zu lassen, wie ich es bei Kaffee zu tun pflege. Dann wird er nämlich bitter durch die darin herumschwebenden Teepartikel, die weiter vor sich hinbrühen.
Statt dessen sollte sich so vorgehen: kochendes Wasser auf die Minzblätter gießen, nach einigen Minuten Abkühlung den Grüntee zugeben und zwar etwas mehr als normal, dann 2 Minuten ziehen lassen, den Tee sofort auf Eiswürfel gießen, damit der Brühvorgang unterbrochen wird und der Tee nicht bitter wird, dann im Kühlschrank weiter abkühlen und schließlich auf wieder frischem Eis servieren.
An dieser Stelle wurde das gesamte Bestreben, meinen Tee selbst zu machen, natürlich ad absurdum geführt. Ich müsste mehrfach im Abstand von wenigen Minuten an den Tee denken, ich müsste mindestens einen halben Tag vorher daran gedacht haben, größere Mengen Eiswürfel vorbereitet zu haben, ich müsste mich schlichtweg kümmern. Und im Büro, wo ich außerordentlich gut Getränke durch Vergessen erkalten lassen kann, ist dieses ganze Verfahren sowieso nicht möglich. Und mir insgesamt auchr zu anstrengend.
In der Konsequenz bezahle ich ab jetzt die 3-4 Euro gern. Alles ist gut.
Anfang Juni erhalte ich von der aufmerksamen @dorothy_jane Bücher für Mademoiselle. Das ist umso aufmerksamer, weil wir uns gar nicht kennen, ich hatte nur hier von Büchern geschrieben, die ich für Mademoiselle kaufte (die Dark Magician-Serie), aber versehentlich auf Englisch, so dass ich sie selbst lesen "musste" und @dorothy_jane sah die Bücher auf einem Flohmarkt, kaufte sie, las sie selbst und schickte sie dann weiter. In einem ganz tollen Paket, mit lieben Grüßen, Schokolade und allem drum und dran. Ganz, ganz super, riesige Freude beim Kind und bei mir.
Wir vereinbarten, dass ich nicht das Porto bezahle, sondern einfach andere Bücher zurückschicke. Hoffentlich passende Bücher sind in meinem Regal auch schnell gefunden. Aber dann geht es los:
Zunächst einmal brauche ich einen Karton. Ich habe vor einigen Jahren meine etwa 100 Exponate umfassende Kartonsammlung im Schlafzimmer unter dem Druck des tadelnden Blickes von Frau Herzbruch, die mich schon auf meine Gü-Gläschen-Sammlung allwöchentlich ansprach, aufgelöst – vielleicht doch voreilig? Ich grübele ein bisschen hin und her und probiere dies und das, der Ursprungskarton passt aber nicht, zum Glück bekommen die Katzen eine Woche später Futter geliefert in einer perfekt passenden Pappbox. Alles gut.
Dann streikt aber ja die Post. Nicht so schlimm, es gibt Hermes. Mit Hermes kenne ich mich aber nicht aus, also mit dem Versand. Mit dem Empfang schon, ich hole in den folgenden Wochen etwa 5 Sendungen in einem Hermes-Paketshop ab. Beim ersten Mal gewöhne ich mich an den Gedanken, mit Hermes nun auch zu versenden. Beim zweiten Mal bin ich quasi bereit, habe aber das Paket nicht dabei, als ich etwas abhole. Beim dritten Mal denke ich vorher daran, das Paket mitzunehmen, es ist aber noch gar nicht fertig, es liegen nur die Bücher drin, sonst nichts, kein Gruß, kein gar nichts, ich bin überfordert und verdränge das Thema „Paket“ nachdrücklich und komplett für etwa 2 Wochen. Beim vierten Mal frage ich im Hermes-Paketshop, wie der Versand funktioniert. Natürlich per Internet, man druckt dort alle aus, ich soll das Paket nicht mitbringen, bevor es eine Marke hat. Ich bekomme einen Infozettel. Diesen trage ich gewissenhaft viele Tage in der Handtasche mit mir herum. Zu Hause steht das Paket während dieser Zeit lange auf dem Küchenblock. Dort stört es mich aber, ich stelle es auf den Tisch, dort stört es die Putzfrau, sie stellt es ins Arbeitszimmer auf den Schreibtisch. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Als ich zum 5. Mal etwas im Paketshop abhole, ist das Paket immer noch nicht fertig gepackt, der Poststreik sowieso aber auch mittlerweile beendet, so dass Hermes uninteressant geworden ist. Ich werfe den Infozettel weg. Auf dem Paket sitzen nun die Furbys, man darf sie nicht anfassen, am besten nicht in die Nähe kommen, sonst schreien sie los.
Ab Mitte Juli bekomme ich immer, wenn ich Bücher lesen will, ein latent schlechtes Gewissen. Man sagt mir, die Verzögerung sei nicht schlimm, aber ich frage mich, warum ich es wohl nicht auf die Reihe bringe, ein Paket zu verschicken. Ich spaziere irgendwann wieder Hermes-Paketshop, der ein sehr gut bestückter Tee-/Kaffee-/Delikatessenladen ist, erwerbe immerhin eine kleine Süßigkeit. Ein weiterer Schritt ist getan.
Um die Sache voranzutreiben, transferierte ich das Paket gestern in mein Büro. In meinem Büro spiele ich eine überaus strukturierte und tatkräftige Person. Wäre mein Berufsleben ein Rollenspiel, hätte ich bei den ganzen Eigenschaften wie Organisation, Resilienz, Diplomatie und Geschwindigkeit Werte von 17 oder 18 und der 20er-Würfel könnte mir so gut wie nichts anhaben. Außerdem kann ich das fertige Paket gleich hier in der Postabteilung abgeben und muss mich um eine Einlieferung nicht kümmern. Es wird also sehr, sehr bald alles sehr gut sein und das Paket auf dem Weg.
Es geht nun auch wirklich voran. Also gerade gestern nicht, da war zu viel zu tun, aber heute, ganz sicher! Ich werde noch etwas schreiben wollen, aber wenn ich etwas kann, dann ist es ja, etwas schreiben, von dem ich währenddessen noch nicht weiß, was es ist. Ich kaufe also schon einmal online die Paketmarke (die Anschrift habe ich dabei!), bastele alles zusammen und entführe aus einem Nachbarbüro einen der heißbegehrten Paketbandabroller „für nur allerhöchstens 5 Minuten!“. Die Marke bringe ich an, schließe das Paket, verklebe aber noch nicht, weil: Briefchen! Ich greife zum Block, dann würfelt der beschissene Spielleiter eine 20 und ich reiße mit dem Ellbogen die offene Wasserflasche um, sie ergießt sich über den Schreibtisch, es tropft auf das Paket, ich zappele es rasch mit den Füßen weg vom Wasserfall aber: es ist zu spät. Die Bücher kann ich schnell und unversehrt rauspflücken, aber der Karton ist erstmal durchgeweicht. Ich äußere etwas, das ich nicht aufschreiben möchte, zwei Personen kommen und schauen in meine Tür, gehen aber schnell wieder, als ich den Blick auf sie richte.
Das Paket ist nun wieder auseinandergebaut. Der Karton trocknet an der Glasfensterfront, der Inhalt ist im Schrank verstaut, der Paketbandabroller auch. Morgen habe ich frei, werde also erst am Montag wieder etwas in Richtung Paket unternehmen können. Vielleicht habe ich bis dahin auch geschrieben, was ich schreiben will.
Oder, um es kurz zu machen: es wäre hilfreich, wenn hier etwas Druck aufgebaut würde.
Ein Tag wie in Watte, kaum Kreislauf, nichts drang so richtig durch, zäh wie Sirup. Und im Schwimmbad die Luft zum Schneiden dick.
Wir waren wieder im Rebstockbad. Zum einen wollte Mademoiselle gerne mit, und dieses Bad bietet durch Rutschen und Wellen und Sprudeldinger und Außenbereich genug Beschäftigung. Zum anderen sind die übrigen Schwimmbäder nichts für Berufstätige, sie schließen nämlich um 20 Uhr. Wenn man überhaupt erst um 19 Uhr loskommt, passt das halt nicht.
Die Kraulschwimmpartnerin war hochmotiviert und wollte dieses Mal richtig trainieren. Ich fand ja, ich hätte letztes Mal schon richtig trainiert, außerdem konnte ich mich ja schon kaum senkrecht halten, aber nun gut. Im Wasser war auch alles gleich viel besser.
Die Taktik mit dem "einfach immer schwimmen und zwischendrin kraulen so viel es geht" ging auf. Wir schwammen also viel einfach hin und her, wie viel weiß ich nicht, hat ja keiner angesagt. Und wie bereits beim letzten Mal angedeutet: ich kann ja auch aggressiv. Das Becken war wieder voll von vermeintlich last minute für Olympia Trainierenden. Auf der Bahn neben mir ein junger Mann, der in enorm schlechten, plantschigen und sehr raumgreifenden Kraulschwimmstil unter den Anfeuerungen seines Vaters eine Bahn nach der anderen abriss. Neben dem ordnete ich mich ein, es ging ganz gut, nur wenn er vorbeihampelte gab es immer ordentlich Wellengang. Eine Zeit lang ging es gut, hauptsächlich, weil ich seine Windmühlenarmen immer elegant auswich, wenn wir uns auf selber Höhe befanden. Dann schwamm ich aber auf den Beckenrand zu, als er gerade umdrehte und abstieß, leider sehr quer, hampelig eben, aber er sah mich, ganz eindeutig, und es war ihm egal. Und so wechselte ich von Brust zu Kraul und gab Gas strikt geradeaus und dann rummste es. "Ups, sorry!", sagte ich, er sagte nichts und schwamm weiter, der Vater am Beckenrand gestikulierte mir böse zu und dann packte es mich und ich zog ihn ab. Eine halbe Bahn Vorsprung hatte er, nach 2 Bahnen waren wir gleich auf, nach 4 war er endgültig abgehängt und ich ging Rutschen. Pah.
Mit Mademoiselle verlief es die ganze Zeit friedlich, meist spielte sie irgendwo vor sich hin, dann forderte sie die Kraulschwimmpartnerin und mich zu einem Klimmzugwettbewerb am Startblock heraus, ich sollte beginnen und gab alles, machte also eine absurde Anzahl an Klimmzügen, dann war der Whirlpool frei und / oder das Wellenspiel begann und alle rannten weg. Ähmja. Ob ich mir morgen früh die Zähne putzen kann, müssen wir noch sehen.
Wir schwammen noch ein paar weitere Runden, wie ich schwimme, sehe ich ja nicht, aber bei der Kraulschwimmpartnerin wirkt außerordentlich lässig und elegant zugleich und von allen Anwesenden schwamm sie mit Abstand am saubersten. Erst kurz bevor wir gingen, kam ein junger Mann, der das wirklich mal so richtig konnte, und sehr, sehr schnell mit minimalen Wasserspritzern durch das Becken schoss. Beneidenswert. Aber der Fortgeschrittenenkurs beginnt ja bald.
Und als wir um 22 Uhr aus dem Schwimmbad kamen, war ich zum ersten Mal heute so richtig wach.
Als ich hierher ins Rhein-Main-Gebiet zog, sah ich auf einer der ersten Fahrten hier her, wie sie, eins hinter dem anderen in einer sehr, sehr langen Kette im Abendlicht über die A3 einflogen. Wie eine Alien-Invasion sah das aus. Seitdem liebe ich die Flugzeuge. Wenn ich nachts oder morgens aufwache, lausche ich. Fliegen sie schon, dann muss ich bald aufstehen. Fliegen sie noch nicht, dann kann ich mich ganz entspannt nochmal umdrehen.
Aus meiner Wohnküche sehe ich sie meist - spezielle Wetterlagen ausgenommen - in einer großen Rechtskurve schräg an meinem Balkon vorbei starten oder ziemlich gerade links am Haus vorbei im Landeanflug. Gerade fliegt eins links vorbei, über den Hinterhof, es ist blinkend im Sinkflug unter dem Sichelmond, über dem Hinterhaus huschen Fledermäuse durch die Luft und ich finde das wunderschön.
Fluglärm höre ich nicht. Klar, ich höre manchmal Flugzeuge. Ich höre ja auch manchmal - eigentlich meist - Straßenverkehr, häufig auch Vögel, Menschen sowieso, im Winter (also bei sehr klarer Luft) Züge und Sonntags ab und an Kirchenglocken, je nach Windrichtung.
Wann immer ich sage, dass diese Wohnung hier gekauft, nicht gemietet ist, ist eine der ersten Rückfragen: und der Fluglärm? Ja, hier ist Fluglärm. Aber ich höre ihn halt nicht, außer, ich konzentriere mich darauf. Genauso, wie ich einen Tinnitus habe, den ich aber auch seit ein paar Jahren nicht mehr höre, außer, ich suche nach ihm, was ich manchmal tue, weil ich mir erhoffe, ein Instrument danach stimmen zu können, was mir aber noch nie gelungen ist.
Fluglärm soll ja sehr schlecht sein. Ich frage mich manchmal, ob Fluglärm schlecht für mich sein kann, wenn ich ihn nicht wahrnehme. Ähnlich, wie mit dem Tinnitus, Tinnitus soll ja auch schlecht sein, ist ein Zeichen von Stress, aber wenn ich ihn nicht höre? Wenn ich mich nicht gestresst fühle? Kann ich gestresst sein, ohne es zu empfinden? Kann ich gekränkt werden, wenn ich es nicht bemerke? Etwas verloren haben, wenn ich noch nicht weiß, das es weg ist?
Realität ist vielleicht doch etwas viel individuelleres, als wir meist annehmen.