Heute gibt es eine viel bessere Geschichte für Sie, als hier zu lesen:
Schauen Sie sich Last Week Tonight mit John Oliver zum Thema Government Surveillance - ein Interview mit Edward Snowden - von gestern an. Und jetzt nicht gleich wegklicken wegen ach, Mann, schwieriges Thema - es wird ganz simpel und einleuchtend erklärt. Wenn Sie wenig Zeit haben, steigen Sie bei Minuten 14 ein.
Dankeschön.
Heute ist wieder "Was machst Du eingentlich den ganzen Tag"-Tag. Was das ist und wer das noch macht steht hier, bei Frau Brüllen.
Ostersonntag, yeah, jo.
Kurz nach Mitternacht ungefähr versteckte ich die Ostereier und sitze dann allein am Küchentisch, der erste Moment Ruhe nach einem völlig bekloppten Tag. Ich genieße das sehr und hätte gerne viel Alkohol dazu getrunken, aber mir ist etwas komisch und wir haben ja Magen-Darm im Haus, also trinke ich tiefenentspannt ein Glas stilles Wasser und gehe dann schlafen in der Hoffnung, mehr als die drei Stunden Schlaf der letzten Nacht einzufahren, bevor jemand kotzt.
Um 6 Uhr wache ich von lauten Würgegeräuchen auf, Herr N. liegt schlafend neben mir, also stolpere ich so schnell es schlaftrunken geht ins Kinderzimmer. Unterwegs rutsche ich in Katzenkotze aus. Einer der seltenen Momente, an denen man sich morgens um 6 so richtig darüber freut, in Katzenkotze auszurutschen. Dann falle ich über einen Koffer, dann ist das Kind auch wach, es möchte kuscheln weil es heute für eine Woche verreist. Ich wische den Boden, ziehe mich um und klettere zum Kind ins Hochbett.
Um halb 10 wache ich das nächste Mal auf. Ein kurzer Check der Lage ergibt, dass Herr N. rekonvaleszent ist und der Rest der Familie gesund. Es folgt: das Osterfrühstück. Die Schwiegereltern sind zu Besuch, es gibt kein spezielles Osterfrühstück, weil die Schwiegereltern am Vortag aus Gründen einmal mittags und einmal nachmittags abreisen wollten und ich daher die speziellen Dinge nicht vorbereitet habe, Herr N. kann ja sowieso nur Brühe und Reis essen und das Kind frühstückt nie. Trotzdem ist es mit den bunten Eiern und allerlei anderem Osterzubehör sehr nett, Mademoiselle und Herr N. freuen sich über ihr Osternest und ich habe ein sehr tolles Hoodie vom Osterhasen bekommen, das ich möglicherweise gleich noch fotografieren werde, falls ich mich aufraffen kann.
Nach dem Frühstück reisen die Schwiegereltern ab, ich bereite den Haushalt auf Abwesenheit vor (Katzenklos, Mülleimer, Jalousien, was man so macht), packe den Rest unserer Sachen zusammen und dann geht es auf die Autobahn nach Düsseldorf.
Kurz hinter der Auffahrt bemerkte ich, dass ich meine Kulturtasche nicht eingepackt habe. Das hat den unglaulichen Vorteil, das ich sie dieses Mal nicht in Düsseldorf vergessen kann. Alles ist gut. Ich sitze gut 2 Stunden am Steuer, ich muss nur diese eine Sache, Autofahren, machen, niemand will mir mir sprechen. Alles ist gut. Herr N. schläft, Mademoiselle liest. Mademoiselle bekommt Hunger, ich fahre einem goldenen M entgegen, der Mensch am Drive-In-Sprechschalter versteht mich. Alles ist gut. Ich werde sehr merkwürdige Wege zur Autobahn zurückgeleitet, es kommt mir so vor, als würden wir den gesamten Westerwald besichtigen, falls jemand von Ihnen im schönen Ort "Wirges" wohnt - da war ich heute auch. Aber dann doch wieder eine Auffahrt zur Autobahn und ein wunderschöner Ausblick auf Schloss Montabaur.
Kein Stau, keine sonstigen Vorkommnisse. Etwa ab dem Siebengebirge habe ich durch die Entspannung des Monostaskings Autofahren den Kopf so weit frei, dass ich mit mir selber erörtere, warum es offenbar so viele Menschen persönlich angreift, sich in einer Zweckhierarchie für einen gewissen Zeitraum und zur Erreichung eines gewissen gemeinsamen Ziels unterzuordnen. Die Zeit bis Düsseldorf reicht aber nicht aus, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Ein Parkplatz fast genau bei Schwester N. vor der Tür. Wir stellen Mademoiselles Sachen in der Wohnung ab (sie wird die nächste Woche bei Mama/Papa N. verbringen und nachts bei Schwester N. schlafen) und gehen dann alle gemeinsam zum Osterkaffee zu meinen Eltern. Osterlamm mit Buttercreme und für Herrn N. trockenes Baguette.
Danach färben wir nochmal Ostereier für das morgige Osterfrühstück (wir haben in Düsseldorf kurzerhand Ostern umterminiert, um mit beiden Großelternteilen Eiersuche machen zu können), bzw. eigentlich färben Mademosielle und Mama N.; Schwester N. und ich assisiteren nur. Interessanterweise benötigt Mama N. mindestens genauso viel korrigierendes Eingreifen in Bezug auf das Herummatschen mit Farben wie Mademoiselle.
Dann gibt es Abendessen: Klassisches Abendbrot und Nudelsalat für alle, trockenes Graubrot immerhin nun mit Kochschinken für Herrn N. Anschließend brechen Schwestern N. und Mademoiselle auf und ich erlebe seit ich-erinnere-mich-nicht den ersten Abend, an dem ich mich ab 19 Uhr um wirklich überhaupt gar nichts mehr kümmern muss. Vor Tiefenentspannung bekomme ich gleich eine halbe Stunde später einen Migräneanfall, den ich aber mit der gebotenen Empörung und Entschlossenheit medikamentös wegballere.
Den Rest des Abends verbringe ich auf der Couch, lese im Internet, spiele Wordfeud, frage Herrn N. in unregelmäßigen Abständen, ob er irgendwas braucht und schaue nebenher "Amadeus". Ab und an stürmt Mama N. ins Zimmer, um mit mir ihren soeben durchgeführten Spielzug bei Wordfeud zu besprechen - sie hat die Neigung zur "Nachbesprechung" wie andere Leute beim Skat.
Später werde ich nochmal Ostereier verstecken, aber ich weiß noch nicht wann, ich mache einfach für den Rest des Abends alles genau so, wie es mir gerade einfällt.
Heute war ein Tag so überhaupt nicht nach meinem Geschmack aber jetzt ist er zu Ende, alle (außer mir) sind im Bett und wenn ich nicht Sorge hätte, dass mich die Kotzkrankheit von Herrn N. heute Nacht auch ereilt, würde ich jetzt definitiv ein paar Schnäpse kippen.
So, wie es ist, hebe ich halt ein stilles Wasser in Ihre Richtung: Haben Sie frohe Ostern oder einfach zwei schöne freie Tage. Und egal was, lassen SIe sich nicht anstrengen.
Morgen färben wir Ostereier. Wobei mir noch unklar ist, wann genau, es gibt nämlich zahlreiche andere Programmpunkte, zum Beispiel wollen eigentlich alle Anwesenden auf den Markt, ich will noch ein paar spezielle Dinge einkaufen, ein Teil der Familie will zum Fußball und ein Teil zum Osterfeuer und Mademoiselle muss noch ihren Koffer für eine Woche Großelternbesuch packen, wobei ein bisschen Mithilfe nötig ist.
Da ich weder um Fußball (interessiert mich nicht) noch zum Osterfeuer (stinkt, davon kriege ich Kopfschmerzen) will, wird vermutlich irgendwas mit dem Koffer auf mich entfallen und, sollte es hart auf hart kommen, färbe ich die Ostereier notfalls auch alleine.
Ostereier sind mir sehr wichtig, wichtig ist auch, dass es viele sind und möglichst unterschiedlich aussehen. Daher kaufe ich jedes Jahr ziemlich viele Ostereierfärbemittel. Standard sind in der Familie die 5 Farbplättchen in einer Packung - blau, rot, gelb, orange, grün - die mit heißem Wasser und Essig aufgegossen werden. Das sind meine klassischen Ostereier. Mama N. hingegen liebt dies klebrigen Färbeglibberstäbchen, die auf dem Ei quasi zerschmelzen und außerdem ist sie eine große Freundin von Aufklebern und Abziehbildern. Schwester N. ist für Experimente zuständig und schleppt Dinge wie Osterei-Färbemaschinen, Schablonen, Foliendinge und mehr. Und ich bin so ein bisschen die Ökotrulla, die die klassischen Färbetabletten mit Spielereien mit Reis oder Wachs ergänzt. So finanziern wir jedes Jahr vermutlich einen Großteil der Ostereierfarbenindustrie ganz allein durch unseren Haushalt.
Klar, dass da auch Reste bleiben. Die packe ich immer sehr gut weg. Eine Zeitlang lagerten sie in der Küchenschublade, dort habe ich sie aber nie rechtzeitig wiedergefunden. Deshalb lagern die Reste nun in der Osterdekorationskiste, wo ich sie natürlich zwangsläufig vor Ostern auffinde.
Was ich aber dabei nicht bedachte: man kommt ja zu nix, und so komme ich eigentlich immer erst exakt am Karfreitag zum Dekorieren, denn an dem Tag kann man ja bekanntlich sonst nichts machen. Natürlich sind die ganzen Farben für das aktuelle Jahr aber andererseits am Karfreitag auch längst gekauft, gefärbt wird nämlich traditionell am Karsamstag, ich muss also vorher einkaufen, wer weiß, sonst ist am Ende irgendewas ganz, ganz wichtiges ausverkauft! Ich kaufe also alles, was ich brauche, etwa zwei Wochen vor Ostern und ziehe dann am Karfreitag einen Sack - mittlerweile kann man getrost diese Bezeichnung wählen - an Restfärbemitteln vom Vorjahr (und mittlerweile auch vom Vor-Vor-Vorjahr) aus der Dekokiste.
Als Lösungsmöglichkeiten sehe ich folgende Herangehensweisen:
1. Ich lege die Farben woanders hin, wo ich sie vor Einkauf der neuen Farben wiederfinde (Problem: wohin?)
2. Ich dekoriere ab nächstem Jahr frühzeitig. (Problem: wann?)
3. Ich lagere die Restfarben nicht ein sondern färbe ab sofort so lange jedes Wochenende Eier, bis alles aufgebraucht ist. (Problem: wer isst die?)
Hm.
Das erste hessische Wort überhaupt, das ich erlernte, war "Dippsche". Genau gesagt wurde mir an meinem ersten Arbeitstag an meiner ersten Arbeitsstelle ein Kühlschrank gezeigt, in dem ich mein "Tupperdippsche" lagern könnte. Nach mehreren Wochen der Beobachtung leitete ich ab, dass es sich dabei um eine Schüssel zur Aufbewahrung von Speisen handeln musste.
Eins der größten Frankfurter Volksfeste ist die Dippemess. Ich kann mir das richtig gut vorstellen - das war ein Volksmarkt, auf dem Schüsseln, Töpfe, Steingutzeugs feilgeboten wurden. Dann kam sicher der eine oder andere Imbissstand dazu, das ist ja immer so. Und dann ein irgendwie geartetes Amüsement. Und nun ist es letztendlich das, was wir im Rheinland "Kirmes" nennen, und wenn man lange genug sucht, findet man noch einen Stand, an dem man Bürsten oder Gewürze kaufen kann. Wollten wir aber nicht, Mademoiselle und ich. Wir wollten folgendes:
Zuerst gingen wir in ein Piratenhaus. Von außen erschloss sich nicht, was da wohl passiern würde, eine irgendwie total animierte Piratensschatzsuche in 7 Stationen? Drinnen erschloss es sich mir auch nicht, in jeder Station redete ein Papagei oder ein komischer Kopf irgendwas, das ich nicht verstehen konnte (schlechte Akustik) und es gab kleinere Erschreckungen wie Wasser auf den Kopf, Luft um die Füße, kippelnden Boden. Ein bisschen wie Geisterbahn zu Fuß. Nunja. Mademoiselle fand es super.
Dann kam das Kettenkarussell. Kettenkarussell kennt man, da kann wenig schief gehen, das ist wie schaukeln. Offenbar haben Kettenkarusselle in den letzen Jahren aber deutliche Modifizierungen erhalten, das heute ging irgendwie ziemlich hoch, und, glauben Sie mir, von oben sah es noch viel höher aus als von unten!
Als nächstes Dschungelbahn, aufgrund des Schocks ohne Foto. Ein rundes Dings, fährt im Kreis und dabei über Huckel, sehr schnell, vorwärts und rückwärts. Mehr nicht. Kinder sitzen innen, aus gutem Grund. Bin ich als Kind hundertfach gefahren, da waren meine Halswirbel vermutlich noch biegsamer. Mademoiselle fand es "gut aber nur schnell, sonst nichts, und mir ist jetzt schlecht."
Dann der Breakdancer. Je vier Wagen an einem Krakenarm drehen sich im Kreis und um sich selbst. Lange war mir nicht mehr so übel wie nach dieser Fahrt! Geht überhaupt gar nicht. Wir mussten schnell Crêpes essen, um den Magen zu beruhigen.
Es folgte eine kurze Einlage Mademoiselle-only: Lose, Dosenwerfen, Schießen, Fußballschießen. Um drei Delphine und eine Trillerpfeife reicher zogen wir weiter.
Das ist mein Karussell, das könnte ich den ganzen Tag lang fahren, bzw. fliegen, ja - hier würde ich eines Tages mitreisen. Wenn die Musik nicht wäre (erst: Allein in Amsterdam, dann: Lady in Red).
Natürlich auch Autoscooter. Wobei ich das so natürlich nicht finde, ich hatte als Kind nämlich Angst vor Autoscooter, bzw. vor den suspekten Gestalten, die sich damit vergnügten, andere anzurempeln die doch nur schön im Kreis fahren wollten.
Mademoiselle findet Autoscooter super. Sie findet es auch super, andere anzurempeln, die doch nur schön im Kreis fahren wollen. Ihre eigene Mutter zum Beispiel, denn ja, wir fuhren in getrennten Wagen, "wo ist sonst der Spaß, Mama?!"
Ein großer Wunsch des Tages war auch Geisterbahn:
Geisterbahn entpuppte sich aber auch als der größte Witz des Tages. Nunja. Wir wollen nicht zu viel verraten. Vielleicht gruselt sich ja wer anders.
Danach Trampolinspringen und in einem Ball auf Wasser laufen für Mademoiselle - ich verzichtete zugunsten eines Erdbeerspießes in weißer Schokolade.
Zum Abschluss eine Wägelchen-Achterbahn:
Die kleinen Wägelchen drehen sich während der Fahrt, durchaus auch um 360 Grad, aber startet und fährt die erste große Schleife vorwärts oder rückwärts. Wir mussten natürlich beides ausprobieren. Vorwärts ist viel, viel schlimmer. Rückwärts ist aber auch schlimm. Kreischalarm.
Donnerstags ist übrigens Familientag - alle Fahrgeschäfte halber Preis, Sonderangebote an den Fressständen, Ein-Wurf-umsonst oder Vergleichbares an den Glücksspielbuden. Kann man mal machen. Das Kind hat jedenfalls Dippemess durchgespielt, wollte nach der doppelten Achterbahn gerne nach Hause und ist jetzt zum ersten Mal seit Wochen völlig freiwillig vor 21 Uhr im Bett. Mit den drei Delphinen. Ohne Trillerpfeife.
Auf nichts ist Verlass in der Welt.
Heute Morgen z.B. wollte Mademoiselle gerne in den Hochseilgarten. Nun finde ich Hochseilgarten klasse, aber nicht morgens um 10. Morgens um 10 finde ich eigentlich nur Kaffee und Internet klasse, sonst nichts.
Ich sagte dem Kind, dass dort sicher nicht geöffnet sei, schließlich war ja gestern Sturm und auch heute morgen war noch ordentlich Wind. "Wir können aber ja mal gucken", sagte Mademoiselle, "und wenn nicht gehe ich skaten." Neben dem Hochseilgarten ist nämlich eine Halfpipe, das ist praktisch und die Aussicht, das Kind würde sich in einer Horde anderthalbmal so alter Skaterjungs tummeln während ich etwas entfernt am Kiosk auf der Bank Kaffee trinken und Internet lese, erschien mir äußerst attraktiv. So machten wir uns auf den Weg.
Am Hochseilgarten hingen auch schon diverse Menschen mit roten Helmen - das ist die Kennzeichnung für Mitarbeiter - in den Bäumen. "Geht wohl heute nicht, Sturm, ne?" sagte ich. "Och, doch. Nur die 8 nicht, der Rest ist stabil, wenns doch irgendwo wackelt, ruft ihr!", beschied mir ein Rothelm fröhlich.
Und so kam es, dass statt Bank, Kaffee, Internet heute morgen um 10 Gurt, Helm und Handschuh angesagt war. Auf nichts ist Verlass. Noch nichtmals auf einen Todesorkan!
Ein Tag voller Erfolgserlebnisse:
Gleich morgens um 8 kam der Rewe-Lieferant und - was ich nicht wusste, nicht ahnte, womit ich nicht gerechnet hatte: er nahm das Leergut aus dem Flur mit. Ich hatte ja keine Ahnung, dass diese Dienstleistung auch zur Verfügung steht! Das Leergut stand nur so im Flur, also eigentlich, damit Herr N. es ins Auto verschafft und entsorgt, aber das hatte noch nicht stattgefunden, so dass dort eben eine größere Tüte mit Plastikflaschen und ein Bierkasten war. Letzterer auch noch nicht ganz leer, wie der Lieferant schon bemerkte, als ich noch von der Überraschung, dass er so beherzt zu den Flaschen griff schnappatmete. Er trinkt aber kein Bier, der Lieferant, daher durfte ich die vollen Flaschen noch schnell raussortieren, er ist nämlich mehr der Cocktail-Typ. Falls das jetzt am frühen Morgen in irgendeiner Weise eine Aufforderung gewesen sein sollte, bitte ich um Entschuldigung nicht angemessen reagiert zu haben. Ich konnte nicht weiter als bis Kaffee denken.
Das zweite Erfolgserlebnis stellte sich gegen Mittag ein, nämlich: das Fotobuch wird fertig, rechtzeitig und überhaupt. Das war nicht so ganz klar, ich wusste nicht, ob ich ausreichend passende Bilder habe, ob sie einen roten Faden ergeben, also: ob das Material etwas sinnvolles hergibt. Aber das tut es, morgen nur noch die Feinarbeit, übermorgen nochmal einen ausgeschlafenen Blick darauf werfen, dann ist es fertig. Und dabei wird folgendes passieren: kurz bevor es fertig ist, bei etwa 98 %, werde ich denken: Ach. Das ist eigentlich doch keine so tolle Idee. Eigentlich ist das ziemlich doof. Sie wird sich nicht nur nicht freuen, sondern es das blödeste Geschenk von allen finden, so ein Alte-Tanten-Geschenk.
So ist das tatächlich immer, wenn ich irgendetwas fast fertig habe. Eine scheinbar vernünftige Stimme im Kopf, die mit aller Klarheit "Ach, kommt, lass es, das war keine gute Idee. Schmeiß einfach alles in die Tonne!" sagt. Im Grunde könnte ich die Spezialistin in Rückziehern in letzter Sekunde sein, außer, dass ich das ja schon seit Jahrzehnten kenne und daher "Pscht! Ksch!!" antworte und lieber meinem Ich der vergangenen 98% vertraue, das schon gewusst haben wird, warum ich bis zu diesem Punkt gekommen bin. Wir ziehen das also durch, die 98 % und ich. Und auch, wenn mich diese Haltung schon auf Karaoke-Bühnen und zu überraschenden Haarschnitten geführt hat, ist das Vertrauen doch, würde ich sagen, im Wesentlichen gerechtfertigt.
Ich werde also vollendet und mit zeitlich Luft zum Termin ein Geschenk in den Händen halten - der Zeitaspekt ist mir dabei fast so wichtig, wie die Vollendung, denn ein gutes Pferd springt war knapp, aber, ganz ehrlich: manchmal ist der Gaul auch müde. Kein youtuben nach Faltmöglichkeiten von Geldgeschenken mit Links, während Rechts die Haare föhnt, damit man nicht verspätet zum Event eintrifft, kein Karteschreiben auf wackligen Knien während der Anreise per Auto, nein, all das nicht. Ich werde vorbereitet sein, das erste Mal überhaupt, seit ich mich erinnern kann. Und wenn das das Raum-Zeit-Gefüge aushebelt, dann sei es so.
Der Urlaub begann etwas holprig, zum ersten Mal wurde ich nämlich um 7 (oder 6 oder 8) Uhr durch den Kater geweckt, der auf der Suche nach einem Haargummi auf meinem Nachttisch eine Hebelwirkung mittels des Asterix-Bandes "Hibbe und dribbe", aus dem ich Herrn N. allabendlich vorlese, auslöste. Durch die Hebelwirkung flog quasi alles vom Nachttisch herunter und der Kater auf den Bücherstapel neben dem Bett, der dann auch umkippte. Genau anschauen konnte ich mir das ganze Dilemma nicht, meine Brille lag nämlich nun irgendwo zwischen dem Krempel auf dem Boden.
Zum zweiten Mal wurde ich von Mademoiselle geweckt, die ihre rund 30 kg Lebengewicht auf mich warf und "Kämpfen!!!!" brüllte. Da war es 9 (oder 8 oder 10).
Ansonsten aber alles gut. Ich habe eine fünfpunktige Erledigungsliste für den Urlaub, ein Punkt ist schon abgehakt ("festliche Kleidung" für Mademoiselle für eine Taufe kaufen).
Der zweite Punkt besteht darin, für den Täufling - Mademoiselles beste Freundin und mein zukünftiges Patenkind - ein Fotobuch zu machen, mit allem, was wir in den letzten 10 Jahren gemeinsam erlebt haben bzw. den Erlebnissen, die bildlich festgehalten wurden. Ich habe es heute geschafft, die Bilder herauszusuchen, den Aufwand darf man nicht unterschätzen, nämlich: 10 Jahre Daten auf der Festplatte durchwühlen. Dabei hatten wir aber schon eine Menge Spaß, Mademoiselle hat bisher ungern Baby- und Kleinkindfotos von sich gesehen und schaute vieles heute zum ersten Mal an. Und da gibt es natürlich einige lustige Sachen.
Über Punkt 3, Steuererklärung, habe ich immerhin nachgedacht. Für diesen Punkt ist es allerdings notwendig eine Bescheinigung der gezahlten Kita-Gebühren zu bekommen, dazu müsste ich die Kollegin von Frau "Sie müssen aufpassen, Frau N.!" anrufen und dazu hatte ich merkwürdigerweise keine Lust.
Vielleicht morgen.
Zeitumstellung ist in diesem Haushalt jetzt etwas komplizierter geworden, es gibt nun nämlich drei Personen im uhrenumstellfähigen Alter und mit umstellungwilliger Disposition, die alle dazu neigen, sich nicht abzusprechen. Wer heute wie oft genau auf ein Leiterchen gestiegen ist, um die bahnhofsuhrgroße Küchenuhr umzustellen, möchte ich gar nicht wissen. Und welche der sonstigen Uhren wie geht, ist mir auch momentan recht egal, ich habe ja nächste Woche Urlaub.
Den Besuch, der heute kam, haben wir praktischerweise für "nach dem Mittagessen" eingeladen, das ist dann sowieso ein sehr offener und verhandelbarer Zeitpunkt. Als der Besuch z.B. auf meiner Handyuhr (weiß nicht, ob die sich selbst umstellt, denn ich hatte das Handy im Oktober noch nicht) um 15.30 Uhr eintraf, hätte es nicht nur auch 14:30 Uhr und damit gut nach dem Mittagessen sein können, sondern wir hatten selbst auch noch gar nicht zu Mittag gegessen, weil wir nämlich erst um 11 (oder 12 oder 10) aufgestanden waren. Ich habe also beschlossen mich mit dem Themenkomplex "Uhrzeit" zunächst nicht näher zu befassen. Erst am 11.4 muss ich wieder die genau Zeit wissen, um morgens um 7:55 Uhr etwas unbedingt zu erledigen. Bis dahin ist mir alles egal.
Falls Sie erwarten, dass ich zum Thema Sommer-/Winterzeit noch Stellung beziehe: selbstverständlich gerne. Für meinen persönlichen Biorhythmus ist es völlig egal. Ich kann immer schlafen, ich bin morgens, wenn der Wecker klingelt, immer wie erschlagen und nur fünf Minuten später topfit, diese Fitness hält an bis zum späten Nachmittag, ab da geht es immer rapide bergab und alle Postings nach 20 Uhr sind im Delirium geschrieben; diese Tatsache ist es, die mir eines Tages den Hals aus dem Strick ziehen wird, sollte mir jemand einen drehen wollen.
Seit das Kind auf der Welt ist, habe ich allerdings Schlafnervzeugs aus zweiter Hand im Sommerhalbjahr. Je länger es abends hell ist, desto weniger gut schläft Mademoiselle nämlich ein, was nichts mit Schlafraumverdunklung zu tun hat sondern, glaube ich, einfach nur damit, dass es nicht lange genug "Abend" war, bevor es ins Bett geht. Da sie gleichzeitig schon immer ein Morgenmuffel war, ist sie im Sommer morgens doppelt müde und das ist kein Spaß. Und da mir selbst lange, helle Abende ja auch nichts nützen (wegen Delirium), befinden Sie sich hier klar im Team Winterzeit. Und natürlich sowieso im Team Winter. Oder noch besser: Herbst. Es muss ja auch solche geben.
Ich war heute mit Mademoiselle in einer Drogerie und sie wollte dort gerne einen Klostein kaufen. Heißt vermutlich heute nicht mehr Klostein, was ich meine, ist ein durchdesigntes Dings in mindestens zwei Farben mit irgendeinem fancy Duft, das man unter den Toilettendeckel hängt, wo es vom Wasser umspült wird. Klostein halt.
Ich reagierte zögerlich. Mademoiselle war vehement. Es erschien ihr sowieso schon seit langem verdächtig, dass sich in unserem Haushalt kein solches Utensil findet, das doch für Hygiene wie Wohlbefinden gleichermaßen unabdingbar ist. Ich fragte sie, wozu wir wohl aufgeschäumtes und parfümiertes Wasser im WC benötigen würden. Mein Kind verwies darauf, dass das super sei: sie habe das im Fernsehen gesehen. Und - legte sie nach, weil sie weiß, dass ich Fernsehen nicht ernst nehme - auch irgendwo davon gelesen.
Über das Thema Werbung müssen wir sicher nochmal genauer sprechen. An mir selbst fiel mir aber auf, dass ich nicht so sehr über die offensichtlich erfolgreiche Werbekampagne des Henkel Konzerns amüsiert war, sondern generell über die Idee, man könne an irgendetwas fest glauben, weil es im Fernsehen kommt oder in der Zeitung steht. Oder von mir aus im Internet. Auch wenn ein Politiker was sagt, hat das für mich kein Gewicht. Experten hinterlassen mich gleichermaßen skeptisch, was weiß ich denn, wer dieser Experte ist, wer ihn bezahlt und wer ihn überhaupt Experten nennt?
Es ist nun nicht so, dass ich glaube, selbst alles besser zu wissen. Ich glaube eigentlich gar nichts. Alles, was irgendwer sagt oder schreibt, halte ich in erster Linie für Meinung. Mal fundierte, mal weniger fundierte, mal interessant formuliert, mal weniger, aber: Meinung. Nix Genaues weiß man nicht. Insofern gehöre ich nie zu den Leuten, die völlig erstaunt oder verletzt sind, wenn eine vermeintlich abgesicherte Expertenmeinung dann ein paar Jahre später doch wieder gekippt wird. Im Ausgleich dafür befinde ich mich aber in einem permanenten Schwebezustand, in dem es keine Wahrheit gibt.
Woher diese Haltung stammt und wann sie begann, überlegte ich. Zu Hause hatten wir früher durchaus eine Tageszeitung und man nahm an, dass das, was darin stand, stimmte und auch die 20-Uhr-Nachrichten wurden täglich geschaut und als sichere Informationsquelle über die Lage der Welt betrachtet. Wann ist das gekippt? Mir ist kein Zeitpunkt bewusst.
Vor ein paar Jahren, ungefähr, als ich Mutter wurde, habe ich Mama N. mal nach ihren Erziehungsgrundsätzen gefragt - also, ob es solche gab, und wenn ja, welche. Beim ersten Kind habe sie sich noch sehr von anderen beeinflussen lassen, sagte sie mir, und habe Sachen gemacht, die ihrem Gefühl eigentlich widersprachen. Bei mir - dem jüngsten Kind - habe sie sich komplett auf ihr Bauchgefühl verlassen. Vorbild und Liebe. Und sie habe versucht, uns so zu erziehen, dass keine von uns sich je von irgendwem würde einschüchtern lassen, nur weil diese Person eine wichtige Position hat oder eine Autorität ist.
Möglicherweise sind wir mit letzterem etwas über das Ziel hinaus geschossen. Aber ich beobachte auch in meinem Umfeld, dass alles - alles - mit einer gewissen, mit einer gesunden, aber vielleicht auch mit einer größeren Portion Misstrauen betrachtet wird. Stand in der Zeitung? Nunja, haha. Gibt es eine Studie? Chrchr, wer hat die in Auftrag gegeben. Ich kenne wen, der? Mhm, ich kenne wen, der genau anders.
Vielleicht müssen wir uns aber auf irgendeine Wahrheit einigen, damit es weitergeht. Wenn jeder jede Situation neu bewertet, anders bewertet, bindet das doch viel zu viel Energie. Und ich kann natürlich gar nicht alles für mich selbst herausfinden, das mich intereressiert. Ich kann nicht in alle Krisenregionen dieser Welt fahren und schauen, wie es dort wriklich ist. Ich kann nicht alle Forschungen selbst durchführen, jedes Produkt bis zum Ursprung zurückverfolgen, jeden von irgendwas Betroffenen selbst befragen.
Aber wie geht das mit der Wahrheit? Zwischen Vertrauen (haha!) und Verdrängen (nunja) sehe ich nicht viele Möglichkeiten.
Den Klostein haben wir übrigens gekauft. Im Verdrängen bin ich super.