Ein kulinarisch diffiziler Tag. Das Frühstück war noch einfach: die kluge Frau baut vor, und so hatten Frau Vau und ich gestern Aufbackbrötchen gekauft und konnten im Bett frühstücken. Äußerst ruckelig hingegen war das Mittagessen. Ich wusste um einen Kürbis im Kühlschrank und wollte gern Kürbislasagne nach dem bei der Kaltmamsell beschriebenen Rezept machen. Knoblauch, Zwiebeln und Lasagneblätter wären ebenfalls im Haus gewesen, damit war die Schnittmenge zwischen meinem Vorrat und den geforderten Zutaten allerdings erschöpft. Insbesondere die Milchproduktesituation war kritisch. Sauerrahm zu ersetzen durch ein Gemisch aus Sahne, Joghurt und Frischkäse hätte ich mir generell noch erlaubt, als quasi zweite Hauptzutat in der Menge von insgesamt 800 g schien es mir aber doch sehr gewagt. Den richtigen Käse hatte ich auch nicht und das Schnittlauch fehlte. Keine guten Voraussetzungen, also fiel das Mittagessen aus.
Der geplante Zwetschgenkuchen wurde ganz hervorragend, ich aß zwei Stück, das Kind drei, und die übrigen 80% des Backbleches - hmja. Ich mochte nicht mittags, nachmittags und abends Zwetschgenkuchen essen. Also gab es abends Käsebrot (mit dem für die Lasagne falschen Käse), da kann wenig schief gehen.
Aber morgen dann die Kürbislasagne!
Heute vor zig Jahren:
Gegen Abend fahren wir in den Park und rauchen Tannennadeln, Multi-Vitamintabletten und Muskat. Dann kaufen wir Gummibärchen und gehen zur KJG. Unterwegs treffen wir schon ein paar Leute. Zuerst sitzen wir nur so rum und holten uns den Stempel usw. Dann gehen wir rein, aufs Klo. Zuerst schien es eine der ereignislosen üblichen KJG-Parties zu werden, bis wir ein Mädchen sahen, das flache Rangers, schwarzen Rock, graue Bluse und eine rote Jacke trug und blonde, kinnlange Haare hatte und mit Avantgardes (Marienkäfern) da war. Wir dachten uns, das kann nur Jana sein. Sie stürmte auch gleich auf uns zu und schrie uns in die Ohren „N und Pe???“ Wir bejahten und sie fiel uns in die Arme und stellte sich als Jana, die Nr. 3, vor. Es war ein bisschen musketiermäßig.
Den übrigen Abend verbrachten wir also damit, von Jana hin- und hergeschleppt zu werden und sie hin- und herzuschleppen, damit wir alle gegenseitig unsere Leute kennenlernen, Bier holen, Sekt holen weil Jana ausschließlich Sekt trinkt, raus und reingehen und uns unterhalten. Jana erzählte so einiges, und zwar, dass sie jetzt nicht mehr mit dem Ah sondern mit einem der Marienkäfer zusammen ist. Wir haben wieder gut kombiniert. Sie erzählt, dass der Ah die Liebe ihres Lebens sei aber als sie zusammen waren, hat sie ihn dann mit Illy erwischt, daraufhin hat er sie zusammengeschlagen weil sie Schluss machen wollte. Dem Ah tat es dann total leid, dass er sie zusammengeschlagen hatte und er hat die ganze Nacht vor ihrer Tür gewartet bis sie aus dem Krankenhaus zurückkam. Illy hat Jana mal vor der Arbeit aufgelauert und sie hat ihren Job wegen der verloren und arbeitet jetzt in einem Blumengeschäft. Angeblich hätte Illy auch gesagt, dass sie heute mit ganz vielen Skins zur KJG kommt um uns ein für alle Mal zu erledigen, deshalb wäre sie auch gekommen um sich auf unsere Seite zu stellen und die Marienkäfer hätte sie als Verstärkung mitgebracht. Außerdem hätte sie den Rench angerufen, der sei der Oberste bei den Skins und extrem gefährlich und den kennt sie, der kann auf Illy nicht, und der würde auch kommen und uns schützen und auch die ganzen Skas auf ihren Rollern, weil Jana das „zweizige“ Rudegirl der Stadt ist.
Es kam allerdings überhaupt gar keiner.
In Brillenläden ist es doch so: man geht rein, probiert zig Brillen auf, findet dann etwas schön, wartet, bis ein Oberoptikbeauftragter Zeit hat und lässt dann alles regeln. Also, so war es jedenfalls meiner Erfahrung nach bisher. Jetzt nicht mehr. Jetzt sind in Brillenläden die Gestelle, die nicht gerade kostenlos weggegeben werden, in den Ständern festgeschlossen und man muss ein Person mit Schlüssel bemühen, einem einzelne Modelle freizugeben, damit man eines davon bei bestätigtem Interesse dann erwerben kann. Bzw. ich nicht, weil mir dieses Verfahren fast noch mehr missfällt als "im Bus immer vorne einsteigen" und ich daher, Frau Violinista im Schlepptau, den Laden vor Eintreffen einer Schlüsselperson genervt verließ. Und den zweiten auch. Und aus dem dritten wollte ich sie nach Blick auf die Schlösser auch schon am Ärmel herausziehen, nur stellte sich uns dann eine ganz junge neue Mitarbeiterin so gekonnt in den Weg, dass meine rechtschaffene Emöprung ob der vorweggenommenen Infragestellung meiner sozialen Integrität und Unbescholtenheit für etwa fünf Minuten wich, so dass ich eine Sonnenbrille in Auftrag geben konnte.
Ansonsten liefen die Einkäufe gut. Es gab ausreichend Zwetschgen für den geplanten Kuchen, im Bekleidungsladen probierte ich drei Stücke an, von denen zwei genau richtig waren, in der Drogerie fand ich heraus, dass mein bereits zweifacher Tagescremefehlkauf nicht an mir, sondern an falsch eingeräumten Regalen lag und im Wäscheladen fragte ich im Herausgehen, was das für ein Kistchen mit Schubladen sei, das da auf dem Regal um die Hälfte reduziert steht - die Verkäuferin sagte kichernd "wir machen mal die Tür zu", rief die zweite Kundin aus der Umkleidekabine, um das "Kistchen" mit in Augenschein zu nehmen, und konnte es auch gleich an sie verkaufen.
Alle zufrieden.
Heute vor zig Jahren:
Nichts besonderes.
Dieser Eintrag entsteht gewissermaßen unter Druck, denn Frau Vau sitzt neben mir und möchte, dass ich schnell fertig werde - ihr Bier ist auch schon leer. Während der Bierlänge ist es mir übrigens gelungen, ca. 5 Maschinen Wäsche wegzufalten und den Boden zu kehren und selbst ein Bier zu trinken.
Und jetzt gehen wir wohin.
Heute vor zig Jahren:
Nichts besonderes.
Abends, im Dunkeln, am Bett:
Mademoiselle: "Mama, was ist der Unterschied zwischen Ohrfeige und Backpfeife?"
Frau N: "Ist dasselbe. Ohrfeige ist eher Standardsprache, glaube ich, Backpfeife eher Umgangssprache."
Mademoiselle: "In meiner Klasse sagen alle Backpfeife."
Frau N: "Was redet ihr denn da über Backpfeifen??"
Mademoiselle: "Ach nur so, zum Drohen und so. Wieso heißt das dann unterschiedlich?"
Frau N: "Mh, weiß nicht, ist aber ja ähnlich - Ohr und Wange betroffen, -feige und -pfeife kann irgendne Lautverschleifung sein..."
Mademoiselle: "Wieso Wange?"
Frau N: "Na das ist doch die Wange, im Gesicht. Backe sagt man da nur umgangssprachlich. Backe ist eigentlich da." (zeigt)
Mademoiselle: "Da oder dort?"
Frau N: "Was ist denn der Unterschied?"
Mademoiselle: "Das ist doch einfach. Da ist überall, dort nur an einer Stelle. Ich kann "guck mal, da!" sagen oder "dort am Tisch". Dort ist eine Sache, guck mal, so (nimmt ein elektrisches Teelicht, wedelt es mir um den Kopf) das ist daaaaaaa, und guck mal, so (stößt das Teelicht mir ins Gesicht) das ist dooooooort, da ist wie ein Kreis, wie geht nochmal der Unendlichkreis, wie eine liegende Acht, da ist unendlich, daaa, wie Dativ, der Dativ ist dem Genitiv sein Tod!"
Frau N: (erleidet fürchterlichen unkontrollierbaren Lachanfall)
Mademoiselle, unbeeindruckt: "Weil, nicht, 'Die Katze fiel wegen dem Wind vom Tisch' sondern 'Die Katze fiel wegen des Windes vom Tisch', Mama, das hat der Papa mir gesagt, Mama, kann das passieren?"
Frau N: "Kommt auf den Wind an, oder?"
Mademoiselle: "Also, ich weiß nicht, ob das jetzt stimmt mit dem Unendlich. Aber es klingt gut, oder?"
Frau N: "Ja, es klingt sehr gut!"
Mademoiselle: "Und willst Du jetzt eine?"
Frau N: "Eine was?! Katze??"
Mademoiselle: "Eine Ohrfeige? Oder Backpfeife? Oder Ohrpfeife? Oder Backfeige?"
Frau N: "Nein, Du?"
Mademoiselle: "Nein, lieber einen Gutenachtkuss."
Heute vor zig Jahren:
Nichts besonderes.
In Bezug auf Erkältung sagt man ja gemeinhin "dauert mit Medikamenten 14 Tage und ohne 2 Wochen" oder "kommt 3 Tage, bleibt 3 Tage, geht 3 Tage" und ich sage: "kommt 1 Tag, bleibt 1 Tag, rutscht danach vom Kopf auf den Hals und dann auf die Bronchien, man hat also noch 2 Tage keine Stimme und dann 2 Wochen Husten, aber das macht nichts, nur Tag 2 ist schlimm, der Rest ist relativ egal". Heute ist Tag 2. Eigentlich wollte ich zu Hause bleiben, aber dort war die Putzfrau, also ging ich ins Büro, dort ist es auch ruhiger. These in diesem Zusammenhang: Leute, die sagen, man soll krank nicht ins Büro gehen, tragen auch schwere Parfüms und regen sich auf, wenn andere Leute Sachen essen, die sie auch gern essen würden aber nicht essen, weil sie Diät machen. Sowieso, fahrt ihr erstmal Bahn. Oder geht zum Kinderarzt, doh..
Egal. Im Büro war es merkwürdig, ich hatte ein Gespräch zu führen mit Kollegin A, die eine logische und nachvollziehbare Bitte von Kollegin B ohne Grund abschlug. Kollegin A erklärte, das sei so, weil Kollegin B vor einiger Zeit, zwei Wochen oder so, mal eine unlogische Bitte geäußert habe und sie, Kollegin A, nun lieber die logische abschlüge, damit nicht Tür und Tor für weitere unlogische geöffnet würden. Kompliziert, oder? Ist es nicht wesentlich sinnvoller und sogar auch einfacher, Logisches zu tun und Unlogisches abzulehnen, als es gegeneinander aufzurechnen? Emotional ignorant gönne ich mir etwa zwei- bis dreimal im Jahr das Privileg meines Jobs, schlicht Arbeitsanweisungen auszusprechen. Heute in so einer schnupfig-näselnden und zugleich heiser halskratzenden Stimmlage.
Egal. Sport war auch merkwürdig heute. Außer mir kamen nämlich keine Eltern, um ihre Kinder wieder abzuholen. Ich dachte erst, meine Uhr ginge eventuell falsch, dann wurde es vor der Tür immer dunkler und man kommt auf die surrealsten Gedanken. Einer davon war, dass ich - mit der Erkältung am 2. Tag - ein Dutzend Kinder mit nach Hause nehme. Glücklicherweise löste sich alles etwa eine halbe Stunde nach Ende der Sportstunde auf, als aus allen Himmelsrichtungen aufgeregte Elternteile herbeieilten. Anscheinend war der Stadtverkehr ungewöhnlich dicht gewesen. Kriegt man als Radfahrer ja nicht so mit.
Heute vor zig Jahren:
Stress wegen der Russischarbeit, Schule ist echt was, das ich nicht verstehe. Ich habe keinen einzigen Fehler in der Russischarbeit und der Lehrer regt sich völlig auf. Ich habe nämlich keinen Fehler, weil ich ganz einfache Sätze gebildet habe. Subjekt-Prädikat-Objekt, fertig. In der Arbeit davor habe ich so geschrieben, wie ich auch auf Deutsch schreiben würde, nur kann ich natürlich Russisch nicht so wie Deutsch, also war einiges falsch und ich hatte eine 2- . Weil ich ja nie Bock habe, im Unterricht mitzumachen will ich aber schriftlich möglichst immer glatt 1 stehen damit sich das gut ausgleicht, also habe ich dieses Mal nur Sachen geschrieben, von denen ich sicher bin, dass sie so stimmen und so war es dann ja auch. Jetzt regt der Lehrer sich auf, das wäre ein „respektlos gegenüber der Sprache“ und ein „Verbrechen an meinen Fähigkeiten“ und es ist ein Drama. Neulich hat mir der Vertrauenslehrer noch gesagt, ich soll mich an die Regeln halten. Die Regeln sind, dass man gute Noten kriegt, wenn man keine Fehler macht, nirgendwo gibt es eine Regel, dass man zeigen soll, was man alles eventuell noch mehr kann und das interessiert doch auch keinen, es bringt mir nur Nachteile wie man ja an der letzten Klassenarbeit sehen konnte. Die müssen sich mal entscheiden, was nun ihre Regeln sind, an die ich mich halten soll.
Die Frage, was wir aus der Kinderarztpraxis, in die wir (völlig unnötigerweise!!) ein verstopftes Ohr trugen, mitgebracht haben, lässt sich wohl in meinem Fall vorläufig mit "Schnupfen und Halsschmerzen" beantworten. Mademoiselle hat noch nix. Zu Ärzten gehen ist echt der letzte Dreck.
Außerdem saß mir heute in der Bahn gegenüber eine Frau, die hingebungsvoll in der Nase bohrte. Keine komische Frau, eine ganz normale bürogekleidete Frau, aber sie hörte über mehrere Stationen gar nicht auf, erst das rechte Nasenloch, dann das linke, dann wieder das rechte, und die hervorgearbieteten Produkte rollte sie zwischen den Fingern. Alle guckten. Alle. Teils mit leerem Blick, teils leicht stirnrunzelnd, teils fassungslos, teils äußerst angeekelt. Die Gesichter der Zuschauer zu betrachten war noch abgefahrener als das Nasebohren der jungen Frau. Es wurde auch ganz still in der Bahn. Sie stieg dann zum Glück aus.
Morgen ist Mittwoch - Religion, Putzfrau, Sport, Sie wissen schon. Aber ausnahmsweise kein Gemüsemann, es ist noch so viel da. Das Lustige ist, dass ich heute die ganze Zeit leicht bedröppelt war, weil keine Gemüsekiste kam, und mich ärgerte, sie für diese Woche abbestellt zu haben. Eben in der Kneipe habe ich davon sogar noch jammernd berichtet. Dabei wäre heute sowieso keine gekommen, es ist doch Dienstag, und sonst macht mir das dienstags auch nichts aus. Da sieht man: alles nur eingebildet, diese ganzen Befindlichkeiten.
Heute vor zig Jahren:
Nachmittags wollten wir eigentlich zum Antifa-Straßenfest, gingen aber vorher bei Ah vorbei. Da war auch wieder der Nachbar, der uns anbot, uns sofort zwei Platten (Meteors und Rumble on the Beach) auszuleihen, was wir annahmen. Ah aß mal wieder zu mittag und stritt mit seiner Mutter bis sie uns alle rauswarf. Am Bach ballerte Ah dann mit seiner Gasknarre rum und auch noch gegen den Wind, so dass wir alle ein kleines Problem hatten und danach Ah schlimm beschimpften und ihm befahlen, dass er die Gasknarre jetzt nach Hause bringt und ohne wiederkommt. Das hat er dann auch gemacht. Dann erzählte er, dass er jetzt ganz fest mit Jana zusammen ist und ihr nicht erlaubt, Rangers zu tragen, weil das die absoluten Skin-Schuhe sind und kein Mädel, das normal rumläuft, die tragen darf. Das paradoxe an der Angelegenheit ist, dass Ah die Schuhe selbst mit Jana gekauft hat und selbst, als er damals Ska oder was auch immer war, ja Rangers trug. Ah kann uns das nicht logisch erklären. Wir schließen daraus, dass man Rangers nur mit Ahs Genehmigung tragen darf und verarschen ihn damit, wie glücklich wir sind, mit ihm befreundet zu sein. Außerdem erzählt Ah, dass die Illy-Freundin Gina immer die Bravo liest.
Später gehen wir nochmal zu Ah weil Pe ihre Jacke da liegen lassen hat. Die Mutter ist in Erzähllaune und berichtet, dass Ah einen eigenen Löffel besitzt und nur ungern mit etwas anderem isst und immer mit seiner Mutter streitet, wenn dieser Löffel nicht bereitliegt. Und dass er die Wäsche nie anständig aufhängt und dadurch hofft, die Mutter würde es tun. Und dass er jeden Morgen ein großes Glas warme Milch trinkt.
Frau N: "Guten Morgen, mein Name ist Novemberregen. Meine Tochter hört auf einem Ohr nicht mehr, sieht mir nach einer Ohrenschmalzverstopfung aus. Können Sie sowas wegmachen oder gehe ich lieber gleich zum HNO?"
Kinderarzthelferin: "Wie heißt denn das Kind?"
Frau N.: "Mademoiselle Novemberregen - N o v e m b e r r e g e n.
Kinderarzthelferin: "Haben wir hier nicht."
Frau N: "Wir sind aber immer bei Ihnen."
Kinderarzthelferin: "Wissen Sie zufällig das Geburtsdatum?"
Frau N: "Natürlich!"
Kinderarzthelferin: *tippeltippel* "achso, die Aynur"
Frau N: "Nein, nicht Aynur. Mademoiselle!
Kinderarzthelferin: "Moment bitte." *warteschleife* "Ach da haben wir sie ja. Novemberregen mit N. Können Sie in einer halben Stunde hier sein?"
Frau N: "Nein, ich bin ja im Büro und das Kind in der Schule. Es ist auch nicht eilig, sie hat keine Schmerzen. Ein Termin diese Woche reicht völlig aus."
Kinderarzthelferin: "Dann kommen Sie um 11"
Frau N: "Ich brauche einen Randtermin."
Kinderarzthelferin: "Was für einen Termin?"
Frau N: "Zu einer Randzeit. Morgens so früh es geht oder nachmittags so spät es geht."
Kinderarzthelferin: "Morgens sind hier immer die Notfälle."
Frau N: "Dann nachmittags."
Kinderarzthelferin: "Da ist heute alles voll."
Frau N. "Dann morgen oder übermorgen oder irgendwann."
Kinderarzthelferin: "Also heute um 14:30 Uhr."
Frau N: "Später geht nicht? Morgen? Übermorgen?"
Kinderarzthelferin: "Morgen 11 Uhr?"
Frau N: "Nein, nein, dann lieber heute 14:30, von mir aus, aber das wird bei Ihnen auch gemacht? Sonst geh ich lieber gleich zum HNO."
Kinderarzthelferin: "Bitte mit dem Kind erst hierher kommen. Sie hatte ja im März das Ohr entzündet."
Frau N: "Gut, dann bis später."
- - -
14:20, leere Praxis.
Frau N: "Hallo, das ist Mademoiselle Novemberregen mit dem verstopften Ohr."
Kinderarzthelferin: "Ja, bitte noch kurz ins Wartezimmer."
Frau N: "Wo wir gerade etwas Zeit haben, möchte ich einen Termin für die U10 machen."
Kinderarzthelferin: "Die können wir nicht jetzt einfach so machen, das müssen Sie anmelden!"
Frau N: "Das will ich doch. Einen Termin machen."
Kinderarzthelferin: "Wann ist sie denn geboren, ah, das sollten sie so im Dezember machen."
Frau N: "Ich weiß, können wir einen Termin machen?"
Kinderarzthelferin: "Das ist jetzt noch etwas früh."
Frau N: "Aber mir wäre es wichtig, einen Randtermin zu bekommen, deshalb können wir vielleicht jetzt schon was ausmachen?"
Kinderarzthelferin: "Was für einen Termin?"
Frau N mit Déjà-vu: "Zu einer Randzeit. Morgens so früh es geht oder nachmittags so spät es geht."
Kinderarzthelferin: "Morgens sind hier immer die Notfälle."
Frau N: "Dann nachmittags."
Kinderarzthelferin: "Da wollen immer die Berufstätigen."
Frau N: "Eben."
Kinderarzthelferin: "Aber so 14:30 passt Ihnen gut, so wie heute?"
Frau N: "Nein, eigentlich gar nicht, deshalb hätte ich gern für die U10 einen späteren Termin oder an einem Tag, an dem ich sowieso frei habe."
Kinderarzthelferin: "Jetzt kann ich aber noch keine Termine für Dezember machen."
Frau N: "Bis wohin geht es denn jetzt?"
Kinderarzthelferin: "Also so bis Ende nächster Woche. Da ist aber nachmittags nichts mehr frei."
Frau N: "Okay, dann nicht."
Kinderarzthelferin: "Das ist aber schon wichtig, die U10!"
Frau N. "Ja - nein, vielleicht, weiß nicht, egal. Jetzt machen wir erstmal das Ohr."
Kinderarzthelferin: "Sie können dann auch gleich mitkommen - Herr Doktor, hier ist die Ayse."
Arzt: "Mademoiselle ist das. Die kenne ich doch. Worum gehts denn?"
Mademoiselle: "Ich habe Dreck im Ohr, in dem rechten."
Arzt: *guckt* Aha, hmhm, jaja. Also heute werden Sie wohl auch privat keinen HNO-Termin mehr kriegen. Da machen Sie das am besten selbst."
Frau N: "Wie bitte?"
Arzt: "Also, Sie machen da diese Tropfen rein, dann ein paar Minuten warten, und dann lauwarmes Wasser hier in diese Pumpe und nicht zu zaghaft ausspülen, müssen Sie ein paarmal machen."
Frau N: "Wieso machen Sie das nicht??"
Arzt: "Ich bin doch kein Ohrenarzt."
Frau N: "Na und? Ich bin auch kein Ohrenarzt, ich bin überhaupt gar kein Arzt!"
Arzt: "Sie sind doch Mutter, da werden Sie doch wohl mal das Ohr spülen können."
Frau N: "Ich will das Ohr aber gar nicht spülen, ich mach doch keinen Arzttermin um gesagt zu bekommen, ich soll das Ohr spülen, das hätte ich auch im Internet nachlesen können!"
Arzt: *lacht*
Frau N: *orrrr*
- - -
Aber: Ohren ausspülen ist eine meiner bisher verborgenen Kernkompetenzen! Den Rest des Nachmittags ergingen Mademoiselle und ich uns in Träumen, wie wir dereinst einen speziell umgebauten Truck mit Chaiselongues durchs Land fahren, in dem wir verstopfte Ohren beheben - Mademoiselle träufelt die 10 Tropfen in die Ohren der Liegenden, die dann auf Großleinwand eine Folge Petterson und Findus vorgeführt bekommen - die mit dem rechten Ohr liegen auf der einen Seite, die mit dem linken auf der anderen. Leichtfüßig gehe ich mit der blauen Pumpe zwischen den Reihen umher und spüle dezent mit körperwarmen Wasser - das jeweilige Filmchen dürfen die Patienten natürlich noch zu Ende schauen. Die Patienten zahlen mir ihre 10 Euro Praxisgebühr und erhalten im Gegenzug ihren Brocken Ohrenschmalz im Papiertaschentuch.
Wunderbar.
Heute vor zig Jahren:
Wir haben uns um 10 mit Ah vor McDonald's verabredet und waren zu früh da. Als Ah und Phil mit Eltern dann kamen, schlossen wir uns ihnen an. Sie sahen beide ziemlich seltsam aus, kommunionsmäßig. Phil trug einen dunklen Blazer, ein weißes Hemd, eine schwarze, mittelweite Baumwollhose und flache Herrenschuhe. Ah hatte eine hellblaue Jeans mit Bügelfalte, seine Jeansjacke und seine Rangers an. Die Jeans war so wenig gekrempelt wie möglich. Wir stellten fest, dass Phil wie das Kommunionskind und Ah wie der Cousin aussah.
Im Gericht war es zuerst einmal schwer, den Saal zu finden. Außerdem mussten wir aufpassen, dass der langsame Karl nicht verloren ging, Pe und ich nahmen ihn in die Mitte, weil die Mutter vom Ah wild entschlossen schien, ihn abzuhängen, und Karl murmelte die ganze Zeit „Ach, ihr Röschen, was würde ich ohne euch machen, und was würde mein Junge ohne euch tun, ach, Röschen, lasst ihn nicht fallen, er ist ein guter Junge!“
Um 10:30 Uhr begann die Verhandlung, wir wurden nicht gebraucht und durften auch nicht mit rein weil es ja eine Jugendsache war, also warteten wir im Gang. Da war ein Polizist mit dem wir uns unterhielten und der sagte, das sähe nicht gut aus, das gäbe Arbeitsstunden, aber reichlich. Nach einer Viertelstunde kamen alle schon wieder heraus. Es stellte sich heraus, dass man vergessen hatte, die Schöffen zu laden. Nach einer kurzen Unterhaltung vor dem Gericht, bei der die Mutter von Phil allen Anwesenden Phils Vorzüge pries, fuhren alle Eltern nach Hause und wir gingen mit den Kommunionskindern in die Altstadt. Ah kaufte sich ein Harrington-Jacket, dann gingen wir zu so einem Friseur, wo er sich die Haare wieder abrasieren ließ, die er sich nur für die Verhandlung wachsen lassen hatte. Der Friseur fand, es wäre zu viel wenn drei Zuschauer bei ihm im Laden stehen, also verbredeten wir uns für in 20 Minuten vor McDonald's. Pe und ich holten uns da einen Kaffee und als Phil und Ah wiederkamen, machte Phil uns die ganze Zeit dumm an. Da er uns sowieso nervte sagte wir, wir hätten keine Lust mehr, mit ihnen was zu machen und sie sollten jetzt weggehen.. Sie waren ziemlich verwirrt, aber gingen. Wir setzten uns auf eine Mauer und besprachen alles mögliche, dann fuhren wir auch nach Hause und gingen mit dem Hund raus.
Beim Flanieren durch Berlin mit Familie N:
Opa N: "Guck mal, da hat ein Hund sogar hier auf die Bank gekackt! Dem würd ich mit meinem Gehstock mal aufn Schwanz hauen!"
Schwester N: "Ist doch nicht der Hund schuld, der ist schlecht erzogen. Da musste dem Herrchen auf den Schwanz hauen!"
Opa N: "Das würd ich auch machen! Zapp in die Mitte!! *schwenkt wutbürgerlich den Gehstock*"
(Fremde Person in Milieukleidung wechselt die Straßenseite)
Frau N: "Um damit einigermaßen davon zu kommen, musst Du aber erstmal noch mindestens 10 Jahre älter werden."
Oma N: "Jetzt setz dem keine Flausen in den Kopp! Die alte arme Frau neulich, die Haschisch angepflanzt hat, hamse auch drangekriegt! Und wer soll dann für mich kochen?!"
Ich glaube, wir haben uns ganz gut angepasst. Und nach zwei Tagen war meine Berliner Streed Cred so weit gediehen, dass ich - genau wie zu Hause - ununterbrochen nach Auskünften gefragt wurde. Man nimmt sich halt überall hin mit...
Heute vor zig Jahren:
Heute morgen haben wir uns beim Vertrauenslehrer beurlauben lassen, wegen morgen. Nachmittags Spanisch, dann Fechten. Um 21 Uhr hatten wir uns mit Ah verabredet, er kam um 20:20 Uhr. Wir sind dann sofort zu Phil gegangen. Am Büdchen hat Ah 3 Flaschen Diebels geholt. Natürlich war es bei Phil langweilig. Um ca. 22 Uhr sind wir gegangen, weil Ah noch ne Martini holen wollte. Unterwegs hat Phil noch zwei Freunde getroffen, denen Ah dann noch Bier geholt hat. Wir sind nach Hause gegangen, während die anderen dringend mit den komischen Freunden von Phil gehen wollten. Unterwegs haben wir dann noch unsere Mütter getroffen.
Der Husky heisst jetzt Hermine und spielte auf dem Schiff mehrere Stunden Bibi und Tina, wollte sich spaeter in mehrere Springbrunnen stürzen aber verzichtete heute auf die Poledance-Einlage in der S-Bahn.
Alles entspannt.
Liebe Berliner, falls Sie eine Reisegruppe mit Kind sehen, an dem das mit Abstand Unauffaelligste eine Huskymuetze bei Spaetsommerwetter ist, troesten Sie sich: in weniger als 48 Stunden sind wir wieder weg.