Kalt, kalt, kalt. Viel zu viel Zeit draußen verbracht (1 Stunde radfahren, 3 Stunden rumlatschen), zu viel eingekauft und beim Schleppen der Taschen über die eigenen Füße gefallen. Alles inklusive eigener Person aufgefangen aber dabei "Rücken" zugezogen. Rücken gekonnt (stellen Sie sich ein schlangenartiges Eichhörnchenhüpfen vor) wieder eingerenkt und morgen vermutlich deshalb und wegen des bibbernd Zusammenkauerns die Mutter aller Muskelkater.
Immerhin: ich habe eine Heizdecke, und ich werde sie benutzen!
Lange im Büro keinen Sonnenuntergang mehr gesehen, obwohl das doch eine der wirklichen Zusatzleistungen der Tätigkeit im Rapunzelturm ist.
Der heute ist nicht reißerisch-spektakulär, eher mild. Der Himmel von Flieder über Taupe zu einem hellen Türkis, dazwischen ein paar pinkfarbene Schlieren. Die Bürotürme davor wie Schattenschnitte. Sehr entspannt.
Extra dafür so lange bleiben, lohnt dann aber auch wieder nicht, denn in fünf Minuten ist sowieso alles vorbei.
Mysteriöse Dinge gehen im Hause Novemberregen vor. Heute sollte der Ableser-für-Alles kommen und die gesamte Hausgemeinschaft war vorbereitet, hatte untereinander Kinderabholungstermine und Schlüsselübergaben koordiniert und sogar Einkäufe so terminiert, dass auf jeden Fall immer irgendwer da war. Nun ist es 17:00 Uhr und alle stehen im Treppenhaus und wundern sich über die Stockwerke hinweg, dass der Ableser gar kam. Beherzt schwingt sich Frau N. die zwei Stockwerke hinab, um die Handynummer des Ablesers vom Zettel an der Tür in das Mobiltelefon in der Hand einzutippen und Klärung zu verlangen, und da steht auf dem Zettel. "31. Januar 2012". Sehr verwirrend. Dass ich Termine durcheinanderschmeiße, kommt vor. Dass es acht Parteien so geht, ist schon sehr irritierend.
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Was zieht man denn zu einer Videokonferenz an, wenn man direkt danach entspannt ausgehen und Bier trinken möchte? Konkret gesagt, was zieht man denn zu einer Videokonferenz mit lauter Damen, die sich für wichtig halten, an, wenn man direkt danach entspannt ausgehen und Bier trinken möchte? Oder ganz konkret gesagt, was zieht man zu einer Videokonferenz mit lauter Damen, die sich für wichtig halten, und die sich nie abschließend sicher sind, ob sie mich für extrem minderbemittelt oder für extrem störrisch halten sollen, an, wenn man - Sie wissen schon? Und womit vertreibt man sich die Zeit, während sie Managementgefasel absondern und sich ausführlich wundern, dass in anderen Ländern manchmal alles anders ist? Kann man alleine Bullshit-Bingo spielen? Ich wette, der Begriff "Best Practice" fällt in den ersten drei Minuten. Ich muss mir vorher genau den Winkel der Kamera zeigen lassen, damit ich weiß, ob es auffällt, wenn ich heimlich unter dem Tisch twittere.
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Und noch eine Frage, fürs nächste Mal: was hätte ich denn am besten mit den Austernpilzen gemacht, wenn Sie nicht ob meiner Entscheidungslosigkeit mittlerweile verschimmelt wären?
Den Januar, der ja bekanntlich nicht so mein Monat ist, habe ich in diesem Jahr schlichtweg elegant überspielt.
Erst in der Mitte der ersten Woche aus dem Urlaub zurückzukehren war ein kluger Zug - bis man realisiert hat, welcher Tag, welcher Monat, welches Jahr es ist, ist die erste Woche dann auch komplett rum. Dann wurde die komplette Wohnung renoviert, so dass zur zeitlichen Verwirurng eine komplette Ortsverwirrung hinzutrat. Gut, dass es die DSL-Angelegenheit gab: durch die Fristsetzungen ist es mir gelungen, den Monat ordentlich zu strukturieren. Das eigene Leben auf Wiedervorlage.
Nachdem sich all das in den letzten Tagen aufgelöst hat und nur noch ein paar Bilder anzubringen und Schrott zu entsorgen ist, ist auch der Monat fast rum. Das habe ich wirklich gut hinbekommen.
Heute war einer der wenigen Tage, an denen es mir gelungen ist, absolut nichts zu machen. Von einem klitzekleinen Ausflug in den Supermarkt abgesehen, um die entsprechenden Zutaten zu besorgen um auf Anregung Herrn Giardinos Spaghetti-Eis herzustellen - mit einer Knetpresse geht das befriedigend gut. Aber ansonsten habe ich nichts gemacht, unterbrochen nur von Essen und Nickerchen. Gut, und zwei Waschladungen Wäsche. Aber sonst gar nichts. (Außer Kochen.)
Mein Kopf fühlt sich jetzt an wie ein großer Vanillepudding, aber sicher war das total gesund. Ist schließlich dieses Entspannen, von der immer alle reden.
Als ich heute von der Arbeit nach Hause kam, sah ich einen Herren mit Punkten auf der Jacke und einem kleinen Computer in der Hand aus unserer Einfahrt herauseilen. Rasch hinterhergestöckelt fasste ich ihn am Arm, zum Äußersten bereit, und fragte ihn, ob er wohl gerade bei Familie N. geklingelt habe. Der Mann bejahte und wich, als ich ihn umarmen wollte, einen Schritt zurück.
"Das ich das noch erleben darf!", jubelte ich und der Mann brummelte etwas von "bisher noch jeden Termin eingehalten". Auf meinen Hinweis, dass wir aber heute gar keinen Termin haben, sagte er schlicht: "Doch. 13-17 Uhr." Für das Protokoll verneinte ich, nahm ihn aber trotzdem ins Haus mit. In den Keller wollte er nicht, nur in die Wohnung, wo er einmal guckte, ein Dings anschloss, ein paar Sekunden "Messungen" machte und dann sagte: "Geht doch!".
Es war dies einer der wenigen Momente, ich denen ich einmal komplett sprachlos war.
Der Mann zeigte auf seinen Bildschirm, wo Internet war. Ich krabbelte unter den Tisch um eigenäugig zu überprüfen, dass er das Kabel auch an meinem Internet festgemacht hatte und nicht etwa an einem heimlich eingebrachten Mobiltelefon oder sowas. Der Mann hatte Internet aus meiner Wand. "Darf ich mal?", fragte er, und schaltete den Router ein. Der Router blinkte froh. Das Internet war in meinem Router.
"Wenn ich Sie jetzt frage, ob Sie vorhin irgendwas an irgeneinem Verteilerkasten draußen gemacht haben, sagen Sie 'Nein', oder?", fragte ich. "Nö, hab ich nicht", sagte der Mann mit der gepunkteten Jacke. Und zweifelte die Richtigkeit der Messung der Vodafone-Techniker an, wobei ich wieder - fürs Protokoll - Veto einlegte, denn nicht nur hatten die Vodafone-Techniker bei mir kein Internet, ich hatte ja auch keins, also lag es nicht an einer falschen Messung und anschließender Spontanheilung sämtlicher beteiligter Geräte sondern - ja, an was?
"Es liegt an Ihnen, Sie müssen jetzt für immer hierbleiben." Logik ist meine Stärke. Schnell ergriff der Mann die Flucht, immerhin konnte ich ihn noch dazu bewegen, seinen Namen dazulassen, seine Handynummer wollte er mir partout nicht geben.
Das Projekt "DSL" ist also vorerst abgeschlossen. Grämen müssen Sie sich aber nicht - als nächstes steht vermutlich das Projekt "Rechnung" an. Mein mittlerweile ca. 2 cm hoher Stapel mit Gesprächsnotizen wird jedenfalls noch nicht geschreddert. Denn nicht umsonst sagte mir neulich ein bekannter deutscher Strafrechtler: "Meiner Erfahrung nach gewinnt meistens der mit der dickeren Akte".
Ich kann mich heute partout nicht mehr an meinen Weg zur Arbeit und zurück erinnern. Definitiv war ich aber im Büro, irgendwie muss ich also auch hin- und weggekommen sein. Die entsprechenden Bahnfahrten sind aber ein schwarzes Loch. Sehr mysteriös.
Vodafone gibt als Thema momentan nicht viel her. In der Hotline bin ich, glaube ich, jetzt in einer neuen Eskalationsstufe gelandet. Nach dem Standardgeplänkel werde ich nochmal kurz gebeten, zu warten, während etwas geklärt wird. Danach findet dann so eine Art Bonding statt, und zwar sagt mir der Gesprächspartner mit vertraulich gesenkter Stimme, dass man - mal ganz off the record - das ja auch ein Ding fände, die Zustände wären, nunja. Alles ein Skript...
Im Büro hat heute eine Abteilung so viel gearbeitet, wie vermutlich im gesamten letzten Jahr nicht. War sehr lustig anzuschauen. Man muss sich immer mal wieder vor Augen halten, dass man ja nicht primär dort hingeht, um sich Freunde zu machen.
Wirklich gut gelungen ist heute der Karottenkuchen und Mademoiselles Fotosession ihrer Kuscheltiere, die an/auf/mit dem frisch gekauften Tulpenstrauß posierten.
Liebe schlaue Menschen im Internet, bitte sagen Sie mir, warum im Kronleuchter in meinem Schlafzimmer dauernd Glühlampen durchbrennen.
Die Situation ist so: der Kronleuchter ist neu, die Glühlampen auch. Täglich brennen 1-2 durch, immer beim Einschalten, immer andere (wobei es sich mittlerweile natürlich zu wiederholen beginnt, es sind ja nicht unendlich Leuchterarme vorhanden). Die Ideen der Kollegen besagen bisher, dass es die folgenden Ursachen haben könnte:
a) ich soll die Glühlampen nicht mit bloßen Fingern anfassen
b) ich soll die Glühlampen ganz, ganz fest in die Fassung drehen
c) ich soll das Licht vorsichtig einschalten, damit es nicht zu Spannungsspitzen kommt
d) ich soll keine billigen Glühlampen kaufen
e) ich soll einen Dimmer einbauen
f) ich soll schauen, ob die Fassung angeschmurgelt ist (ist sie nicht)
g) ich soll Herrn N. die Glühlampen reindrehen lassen
f) der Leuchter ist gefährlich und ich soll ihn zurück bringen
Was meinen Sie?
Und kann mir bei der Gelegenheit jemand die Sache mit Volt und Watt ganz simpel erklären? Ich habe damals in Physik nicht aufgepasst, den Wikipedia-Eintrag verstehe ich nicht und komischerweise hatte Herr N. letzte Nacht um halb eins keine Lust, darüber zu reden.
Ein sehr sinnloses Bewerbegespräch gehabt mit einer Frau, die schlecht roch.
Ein sehr sinnloses Telefonat mit dem Mutterhaus über den Unterschied zwischen "Headcount" und "Payroll" geführt.
Ein weiteres sinnloses Telefonat mit der Vodafone-Hotline abgewickelt aber immerhin eine angenehme Gesprächspartnerin gehabt.
Vom Chef telefonisch zusammengefaltet worden, die Lage erforscht und den Rest der Schreierei persönlich abgeholt. Auch das ohne jeglichen Sinn.
An so Tagen ist es gut, dann einfach etwas praktisches zu tun. Mademoiselles Kinderzimmer neu einräumen, den Rattenkäfig ausmisten, Wäsche aufhängen, Wäsche zusammenlegen, Renovierungskrempel in den Keller und in die Mülltonnen bringen, Kochen, zweimal die Spülmaschine ausräumen, drei Glühbirnen auswecheln, einkaufen oder Betten überziehen. Oder alles auf einmal.
Morgen mache ich das irgendwie alles anders.
Warum ich mich so wenig über Vodafone aufrege – das liegt daran, dass ich mich noch über so viel mehr Dinge aufregen. Dass an Mademoiselles Schule beispielsweise ein 9,5-jährige Kind vorstellig geworden ist, neu zugezogen und nun natürlich hier schulpflichtig, das bisher komplett unbeschult ist, nicht alphabetisiert, nein, es kann auch nicht seinen Namen schreiben und erkennt weder Zahlen noch Buchstaben und spricht kein Wort Deutsch. Was macht man an einer Grundschule mit so einem Kind? Selbst die jetzigen Erstklässler haben da schon einen immensen Vorsprung, sie sprechen alle Deutsch und können, nach 6 Monaten Schule, bereits alle lesen und auch etwas rechnen. Zumal das Kind körperlich weit für sein Alter ist, das Wort „Vorpubertät“ fiel, setzt man diesen 9,5-jährigen nun in eine erste Klasse, die Kinder sind halb so groß wie er und ihm trotzdem weit voraus? Oder setzt man ihn in die vierte Klasse, in die er – vom Alter her – gehört, aber natürlich in dem halben Jahr, das nun noch vor der weiterführenden Schule kommt, keine Chance hat, sich irgendwie zu positionieren?
Mademoiselles Schule ist auf die sogenannten „Seiteneinsteiger“ – das sind Kinder, die sehr wenig oder kein Deutsch sprechen und oft, nicht immer, erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben – recht gut eingestellt, es gibt eine Vorklasse. Bzw. es gibt sogar mittlerweile zwei Vorklassen, wenn auch das Budget nur für eine Vorklasse besteht, aber momentan kommen monatlich - ja, monatlich – ein bis zwei Seiteneinsteiger hinzu. Der überwiegende Teil aus der türkischsprachigen Region Bulgariens, Bulgarien gehört ja bekanntlich seit 2007 zur EU und die Möglichkeit zur Ausreise/Einreise besteht, wenn die Personen über eine Krankenversicherung verfügen und ihren Lebensunterhalt sichern können, denn Zugang zu Sozialleistungen haben sie in Deutschland noch nicht, die volle Freizügigkeit ist bis 2013 ausgesetzt. Die Personen, von denen ich spreche, sichern hier ihren Lebensunterhalt, indem die Herren morgens mit VW-Bussen auf irgendeinen Bau gefahren werden und die Damen zu Lokalitäten, wie sich z.B. eine gegenüber Frau Herzbruchs Wohnung befindet und wo sie der Prostitution nachgehen. Dafür kann die Familie dann mit 5-10 anderen Familien in irgendwelchen Wohnungen schlafen, immer mal wieder eine andere, tagsüber muss man da raus, die Kinder sind nachmittags in den Fußgängerzonen unterwegs. Es gibt gegenüber der Schule von Mademoiselle einige dieser Schlafwohnungen.
Bezüglich der Krankenversicherung ist es so, dass es da eine kleine Lücke in der Logik der großen Politik zu geben scheint: natürlich müssen die Personen bei Einreise eine Krankenversicherung haben – überprüft wird das jedoch nicht, denn sie reisen ja nicht per Flugzeug ein sondern auf dem Landwege und, nunja, Schengen, die Grenzen sind offen. Und nun sind sie da und haben keine Krankenversicherung, das scheint nun ähnlich zu sein wie mit Drogen: man darf sie konsumieren, aber nicht besitzen. Und ohne Krankenversicherung dürfen sie nicht einreisen, aber wenn sie da sind, sind sie da, wenn ich das richtig verstanden habe. Wobei ich auch nicht denke, dass den Leuten mit einer Abschiebung geholfen wäre – ganz offensichtlich sind die Verhältnisse in ihrem Heimatland ja noch schlimmer als die Mehrfamilienschlafwohung pluls Schwarzarbeit aufm Bau plus Prostitution minus Krankenversicherung. Zurückschicken möchte ich da niemanden.
Ohne Krankenversicherung bedeutet übrigens auch, dass die Kinder, die 1-2 Seiteneinsteigerkinder pro Monat, keinerlei medizinische Versorgung erfahren. Für Notfälle gibt es einmal wöchentlich eine Ambulanz am städtischen Klinikum. Ansonsten: keine Vorsorgeuntersuchungen, keine Zahnbehandlungen, keine Impfungen. Die Schule empfiehlt daher bereits, z.B. die Impfung gegen Hepatitis entgegen dem STIKO-Plan vorzuziehen.
Nun liegt diese kleine Problem an einer Grundschule in einer kleinen deutschen Großstadt vermutlich völlig unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle der großen Politik, die schöne allgemeine Gesetze macht und, naja, Kolleteralschaden ist immer. Man kann ja auch nicht wirklich sagen, dass diese Leute eine Lobby haben. Sollen sie doch zu Hause bleiben, ist vermutlich der Tenor.
Aber mich regt das unglaublich auf, es regt mich sogar noch viel mehr auf als die Tatsache, dass an Mademoiselles Schule, die gerade umgebaut wird, seit Monaten kein Baufortschritt sichtbar ist und im Gegenteil immer weitere Mängel deutlich werden und als I-Tüpfelchen noch ein Matratzenlager im Keller gefunden wird, auf dem der gesamte Bauarbeitertrupp morgens um 11 Uhr schläft, denn die gehen nachts noch einer bar bezahlten Nebentätigkeit nach, und es regt mich kaum auf, dass das meine Steuergelder sind und auch Ihre Steuergelder, sondern es regt mich auf, dass auch das bisher niemand bemerkt hat, keine Bauleitung, kein Projektleiter, niemand.
Inkompetenz wohin man blickt. In der Stadtverwaltung (die Baugesellschaft ist irgendwie eine städtische Holding oder so, natürlich, fragen Sie mich nicht nach Fachbegriffen sonst muss ich brechen), in der Politik, und - das lässt mich dann wirklich nur noch mit den Schultern zucken – eben auch bei Vodafone.