• Privatbloggen an: novemberregen @ gmail.com
  • | Twitter: @novemberregen
    Freitag, 23. Dezember 2011
    Blogging November - 53

    Es mag der Eindruck entstehen, dass ich von einer vertrackten Gesprächssituation in die nächste stolpere. Manchmal ist es aber auch wirklich nicht einfach.

    Mademoiselle hat in der Schule eine neue Freundin gefunden. Die Mutter des Kindes kommt aus einem spanischsprachigen Land in Südamerika (das ist nicht Kryptik sondern ich weiß nicht aus welchem, ich höre nur, dass es Südamerika ist), der Vater aus Deutschland. Die Familie spricht oft untereinander Spanisch. Soweit, so gut. Nun geht man aber ja nicht gleich, wenn man jemanden kennen lernt, der eine anders Sprache spricht, hin und sagt: "Hey, übrigens, die Sprache kann ich auch!" Die Mutter spricht gut verständlich Deutsch, es gab für mich bisher überhaupt keinen Anlass, mit ihr Spanisch zu sprechen.

    In letzter Zeit habe ich dann aber ab und an etwas verstanden, das ganz offensichtlich nicht für meine Ohren bestimmt war. Wenn, sagen wir mal, nicht ganz präzise übersetzt wurde. Diese Höflichkeitsdinge, Sie wissen schon. Wenn nach der Schulweihnachtsfeier die Frage aufkommt, ob man noch gemeinsam einen Glühwein trinken geht, die Eltern sich kurz untereinander fremdsprachlich beraten und in etwa "boah, nee, ich hab echt keine Lust mit diesen ganzen Hühnern noch was zu trinken, geh du ruhig wenn du willst" - "nee, ich will nur noch auf die Couch, mir reicht es für heute" sagen, der Gruppe dann "wir würden gern, aber geht leider nicht, es kommt noch Besuch" bescheiden. Alles im Rahmen, ich finde es gut, wenn Leute freundlich sein möchten. Oder auch neulich, als die neue Freundin zu Besuch kommen sollte und der Vater bei der Mutter nachfragte, was das (also die Familie N.) so für Leute sind, ob sie da schonmal war, wie es da so aussieht, ob man denn das Kind dahin gehen lassen könne. Sicher ein Punkt, den man mal besprechen kann und es gab auch keine schmerzhaften Antworten, trotzdem aber das Gefühl des Unwohlseins, jemanden belauscht zu haben.

    Tippt man denen dann mitten im Gespräch auf die Schulter und sagt, dass man jedes Wort versteht? Nicht wirklich. Und irgendwann ist es dann auch zu spät und man muss für den Rest der Bekanntschaft partielle Sprachamnesie erleiden.

    Erfreulicherweise bin ich daran gerade noch einmal vorbeigeschrammt, und meine Rettung war mein Bücherregal. Vor diesem standen wir heute, als das Kind bei der Abholung störrisch war, und die Mutter bemerkte die spanischen Bücher. Ob ich Spanisch spräche, fragte sie. - Ja, schon, etwas eingerostet, aber ich verstehe ganz gut. - Ach, tatsächlich? Sie verstehen mich, wenn ich Spanisch spreche? - Ja, klar. - Ah.

    Gut. Das wäre also geklärt. Glück gehabt. Und gut, dass ich ein Bücherregal habe, und keinen Kindle.

    Donnerstag, 22. Dezember 2011
    Blogging November - 52

    Mit dem Büro ist es momentan wie mit einem zahnenden Kleinkind: sehr nervenaufreibend, sehr vereinnahmend und viel Gebrüll.

    Wie bei einem Kind gilt aber auch hier die Regel: Alles eine Phase. Und - und das ist besser als bei einem Kind: man kann es getrost einfach mal ein paar Tage sich selbst überlassen. Ganz ohne schlechtes Gewissen.

    Ich jedenfalls habe jetzt erstmal knapp 2 Wochen Pause. Mental Health Break, sozusagen.

    Dienstag, 20. Dezember 2011
    Blogging November - 50

    Wenn Sie mal in einem Bewerbungsgespräch sitzen, und ihr Gesprächspartner wird mit absoluter Dringlichkeit leider kurz herausgerufen, haben Sie bitte Verständnis, wenn Ihr Gesprächspartner nach der Rückkehr etwas gezwungen lächelt. Es könnte ungefähr so abgelaufen sein:

    Frau N: Hat die Rezeption Ihnen gesagt, dass ich gerade einem Gespräch bin?

    Unterchef: Ja, aber Sie müssen mal einen Anschlussvertrag für den Herrn T. machen!

    Frau N: Den Entwurf habe ich hier liegen, aber ich warte noch auf die Zahlen aus der Verwaltung.

    Unterchef: Was für Zahlen?

    Frau N: Gehalt und Urlaub?

    Unterchef: Achso, ja, dann besorgen Sie sich die mal!

    Frau N: Wie gesagt, ich habe das angefragt und warte auf Antwort.

    Unterchef: Warum haben die denn noch nicht geantwortet?

    Frau N: Weil es dort jetzt 3 Uhr morgens ist.

    Unterchef: Ach ja. Schreiben Sie 50% von [Betrag] und X Tage.

    Frau N: Der Herr T. hat aber einen 60% Vertrag und [Betrag] ist der vom letzten Jahr. Und die X Tage anteilig, oder?

    Unterchef: Ich denke schon. Guter Gedanke.

    Frau N: Und das Gehalt jetzt?

    Unterchef: 60% von [anderer Betrag].

    Frau N: Sind Sie sicher?

    Unterchef: Ja.

    Frau N: Gut, dann bekommen Sie gleich den Vertrag.

    Unterchef: Sie müssen die Zahlen aber noch bestätigen lassen!

    Frau N: Dann wissen Sie die Zahlen also nicht?

    Unterchef: Doch. Ich bin nur nicht sicher.

    Frau N: Dann sind wir jetzt wieder am Anfang des Gesprächs: ich warte auf Antwort aus der Verwaltung.

    Unterchef: Gibt es denn sonst noch etwas, das wir besprechen könnten?

    Frau N: Es gibt massenhaft Dinge, die wir besprechen könnten, aber wie gesagt haben Sie mich gerade aus einem Bewerbungsgespräch geholt.

    Unterchef: Wen stellen wir denn ein?

    Frau N: Niemanden, wenn ich keine Gespräche machen kann.

    Unterchef: Schneit es denn bei Ihnen auch so?

    Frau N: (schweigt)

    Unterchef: Sie sind so anders als sonst. Ist was nicht in Ordnung? Ist zu Hause alles gut?

    Frau N: Wo sind Sie eigentlich gerade?

    Unterchef: Im Auto. Ich stehe im Stau, wegen dem Schnee.

    Frau N: Langweilig, oder?

    Unterchef: Nein, langweilig nicht, ich habe ja jede Menge Anrufe zu erledigen!

    Frau N: Dann will ich Sie nicht aufhalten. *legt schmeißt auf*

    Montag, 19. Dezember 2011
    Blogging November - 49

    Die flinken Finger, der zugedröhnte Kopf und die Autokorrektur schickten heute mittag eine sehr knappe aber in ihrer Kürze dennoch gleichzeitig enorm flapsig-unprofessionelle Mail statt an Frau Herzbruch an Frau Holzbach. Frau Holzbach ist eine Personalvermittlerdame, die ich persönlich wie fachlich zutiefst verachte und ihr dies auch neulich in einem Telefonat in etwa so mitgeteilt hatte. Frau Holzbach antwortete auf die fehlgesendete Mail umgehend: "Hihihi, cool! Ich wollte immer schonmal fragen, ob wir nicht mal zusammen abends was trinken gehen wollen."

    Das ist nun eine ähnliche Situation wie die mit der Büroputzfrau, außer, dass ich die Büroputzfrau sehr schätze, persönlich wie fachlich:
    Ich habe - hatte - in meinem Büro zwei Bilder von Mademoiselle. Eines, als sie noch klein war, mit kurzen, wenigen Haaren. Und ein aktuelles, mit vielen Haarspangen. Die Büroputzfrau sprach mich auf die Bilder an. Es ist schon einige Jahre her (und ja, die Situation ist demnach seit einigen Jahren ungeklärt...), sie sagte etwas in der Art wie "Deine?" und ich bejahte, es kam "wie alt?" und "machen Kindergarten?", sie zeigte auf ein Bild und sagte "so klein" und auf das andere und sagte "so groß" und so weiter. Was man so redet eben. Alles war gut. Ich sehe die Büroputzfrau selten, nämlich nur, wenn ich vor 8:00 Uhr im Büro bin. Ab und an traf ich sie also morgens, sie fragte nach der Familie, ich erzählte, dass Mademoiselle bald in die Schule kommt, sie fragte, was das kleine Kind macht, ich wiederholte das mit der Schule, dann sprachen wir über Urlaub. Irgendwann habe ich das alte Bild von Mademoiselle durch ein neueres ersetzt, mit langen blonden Zöpfen. Beim nächsten Treffen fragte mich die Putzfrau, wo das andere Bild sei. Ich sagte, ich hätte es ausgetauscht. "Warum Bild von kleine Kind weg?", wollte sie wissen. Ich erklärte, während der Staubsauger lief, dass das Kind halt gewachsen ist, haha, und dachte, alles sei gut. Beim nächsten Treffen in der Küche fragte sie wieder nach dem Kind, ich antwortete von Mademoiselle und dann fragte sie: "Und SOHN??".

    Jaja, Sie sahen das jetzt alles schon kommen. Ich nicht, denn, wie schon gesagt, es lagen Monate, teilweise Jahre zwischen den Treffen. Ich war überfordert. Ich habe es nicht geschafft, der netten alten Dame zu sagen, dass sie sich die letzten fünf Jahre über an einem nicht-existenten Sohn ergötzt hat, der in Wirklichkeit ein altes Bild von einem kleinen Mädchen war. Ich blinzelte, als die Konversationsmosaikteilchen an ihren Platz donnerten, lächelte und sagte: "Dem geht es auch prima!".

    Seitdem habe ich also einen erfundenen Sohn. Und seitdem versuche ich, morgens möglichst nicht mehr vor 8:00 Uhr im Büro zu sein.

    Aus letzterer Situation komme ich in diesem Leben nicht mehr raus, so viel steht fest. Aber haben Sie vielleicht eine Idee, wie wir die erste noch umbiegen können?

    Sonntag, 18. Dezember 2011
    Blogging November - 48

    Ein Tag im strukturlosen Nichts zwischen Kokosmakronen, ungezählten Fragen von "wie schreibt man [wahlloses Wort]" vom Kind, Aufbau weiterer Weihnachtsdeko und einer unendlichen Menge an Papiertaschentüchern.

    Gipfel der Merkwürdigkeiten beim Anschauen einer Folge vom "Kleinen Vampir", Auftritt Friedhofswärter-Vampirjäger Geiermeier. Kind, laut empört: "Das ist nicht Gert Fröbe! Wieso ist das nicht Gert Fröbe? Das muss doch Gert Fröbe sein!". Frau N., ohne Stimme: "Wieso Gerd Fröbe? Wer ist Gert Fröbe? Woher kennt das Kind Gert Fröbe??".

    Das Internet gibt natürlich Auskunft: Gert Fröbe spielte in der ersten Serie mit, in der zweiten nicht mehr. Und das Kind gibt Auskunft, es stünde doch im Abspann, wer welche Rolle spielt, daher kennt es - natürlich! - Gert Fröbe.

    So ist das. Es macht nichts, wenn man nur Rotz im Gehirn hat. Es kärt sich trotzdem alles irgendwie.

    Samstag, 17. Dezember 2011
    Blogging November - 47

    Mein Körper, den ich täglich reinige, creme, pflege - also mein Körper, den ich wann immer erforderlich mit Nahrung versorge und tränke - man muss sich das mal vor Augen führen, also: mein Körper, den ich gegen Witterung schütze und dem ich kontinuierlich eine angenehme Betriebstemperatur zu erhalten versuche - das HINTERLISTIGE DING ist mir in den Rücken gefallen und hat sich eine Erkältung zugezogen! Geht es noch pathetischer?!

    Ich bin kein geduldiger kranker Mensch. Meine allerbewährteste Krankheitsstrategie ist sowieso konsequentes Leugnen. Wenn dann jedoch nicht mehr ausreichend Stimme und auch nicht mehr ausreichend Atemvolumen zum Leugnen zur Verfügung steht, müssen Maßnahmen ergriffen werden, sprich: Hausmittel, richtige Medikamente (mit Chemie!) und Jammern.

    Insofern kann ich mich gar nicht entscheiden, was ich gerade am widerlichsten finde: den permanenten Eukalyptusgeruch und Kräuterteearoma, die taube Zunge vom Benzocain oder aber den unvergleichlichen Geschmack des Hochgehusteten.

    Freitag, 16. Dezember 2011
    Blogging November - 46

    Was das ganz Bittere ist: die Bewerbung in Comic Sans stammt von einer Person, deren derzeitige berufliche Aufgabe es ist, arbeitsuchende Menschen in Bezug auf Bewerbungen zu beraten.

    Ich sehe diese Person gerade vor meinem inneren Auge, wie sie die Unterlagen von Kunden sichtet, die wunderbar klar, stringent und makellos sind und dann sagt: „Das müssen Sie aber etwas ansprechender gestalten. Das hier ist doch totaler Durchschnitt und absolut nichtssagend. Ihre Bewerbung soll ins Auge fallen, sonst wird das nie was! Probieren Sie mal eine andere Schriftart aus!“ Und dann nimmt sie einen orangefarbenen Buntstift und malt noch ein paar Blümchen auf die Mappe. „So, jetzt sieht es flott aus“, sagt sie abschließend, und schickt ihren Kunden in die Realität zurück.

    Donnerstag, 15. Dezember 2011
    Blogging November - 45

    Achso. Dieses Gefühl, als hätte man eine viel zu enge Kinderschwimmbrille umgeschnallt und als würden die Zähne plötzlich nicht mehr alle in den Kiefer passen, war also eine beginnende Erkältung. Das hätte mir ja auch vorher mal jemand sagen können, dann wäre die Planung für die nächsten Tage anders gewesen.

    So sitzte ich nun also mit diversen Lutschbonbons und Heiß- und Kaltgetränken und Fleecepullover, Decke, Fellhausschuhen und Wärmeflasche auf der Couch und hoffe, mir damit für das morgige Bewerbergespräch noch genug Stimme zu reservieren. Deshalb jetzt pssssst!

    Donnerstag, 15. Dezember 2011
    Blogging November - 44

    (7 Minuten - hui, das wird knapp...)

    Wie jeder weiß, bin ich im Grunde meines Herzens ein cholerischer und tobsüchtiger Mensch. Allerdings habe ich in meinem Erwachsenenleben die Fähigkeit perfektioniert, mich Situationen, die mich aufregen, geistig komplett zu entziehen. In etwa 95% aller Fälle gelingt das, ich begebe mich mental an einen anderen Ort (damit ist nicht das Internet gemeint), schaue etwas entrückt und summe manchmal auch vor mich hin.

    So zum Beispiel auch in 50+ Personen umfassenden, durch die Papeterieregale mäandernden, unwillig seufzenden, fußspitzentippenden, Kartons über mit Sandkörnchen bedekten Steinboden schiebenden und mit Packpapier raschelnden Warteschlagen bei der Post. Als ich an die Reihe kam, war ich so tiefenentspannt, dass ich gar nicht bemerkt hatte, ganz vorn zu stehen, und harrte weiter aus, bis die Frau hinter mir mich Richtung Schalter schubste. Dort war mir nicht mehr bewusst, was ich eigentlich wollte, mein hervorragend konditioniertes Unterbewusstsein übernahm jedoch die Steuerung und rapportierte: "Es ist eine Sendung in die Filiale umgeleitet worden!", während es meine Hände anwies, das goldene Packstationkärtchen vorzuzeigen. Der Postmann wollte diesen Code jedoch nicht verstehen und antwortete: "Watt??". Ich wiederholte mechanisch. "Ach, Sie wollen was abholen!", sagte er. Ich nickte, gleichzeitig milde lächelnd und dementsprechend mit halb geöffnetem Mund summend.

    "Wann war das?", bellte der Postmann. Ich zuckte mit den Schultern. "Ungefähr!", drängte er. "Innerhalb der Frist von 7 Werktagen", wusste mein postalisch geschultes Stammhirn zu bescheiden. Der Postmann war unzufrieden. "Und wie sieht das aus?" - Davon hatte nichts in der SMS gestanden. Ich summte.

    Der Postmann verschwand. Er blieb lang weg. Als er zurückkam, hatte irgendwas in mir bereits dazu beigetragen, dass der Personalausweis bereitlag. Der Postmann legte mir ein Zettelchen vor. Ich sah durch das Zettelchen den Marmortresen, durch den Marmortresen Felsen, durch die Felsen das Meer. Ich seufzte zufrieden und unterzeichente schwungvoll. Gern wäre ich noch geblieben, aber die Schlange schob mich zum Ausgang.

    Ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange ich in der Post war. Vielleicht ein paar Stunden, vielleicht ein paar Tage, vielleicht sogar ein ganzes Leben. Vielleicht ist dieser Eintrag ein Nachhall aus einer längst vergangenen Galaxie. Ich weiß es nicht. Aber es ist mir auch egal.

    Dienstag, 13. Dezember 2011
    Blogging November - 43

    An der Bewerbungsfront ist zu vermerken: erstaunlich viele Bewerberinnen tragen Tiernamen. Sie hier haben sich nicht zufällig alle zusammengetan, um mich ein bisschen durcheinander zu bringen?!

    Ansonsten wollte ich heute ausprobieren, wie es so ist, eine To-Do-Liste im Büro zu haben, musste nach mehreren Seiten Auflistung aber entkräftet abbrechen. Das will man doch alles gar nicht wissen, was da zu tun ist und was man alles nicht geschafft hat! Wozu soll das gut sein? Ist es nicht etwas masochistisch, das eigene Versagen auch noch schriftlich festzuhalten? Ab morgen lieber wieder Blindflug.

    Das Entspannendste heute war die stinklangweilige Fördervereinssitzung am Abend, und "stinklangweilig" war nun ein zufälliger, relativ blöder aber dennoch zutreffender Witz, denn es roch sehr nach unsauberem Mensch. Und der Glühwein, den es am Ende gab, war nicht ordentlich warm.

    Insgesamt also ein Tag mit Verbesserungsbedarf.

    November seit 7092 Tagen

    Letzter Regen: 24. August 2025, 00:36 Uhr