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    Montag, 5. Dezember 2011
    Blogging November - 35

    Das Leben ist ein Skwish und ab und gelingt es einem überdimensionalen Baby, mit seiner speckigen, unkoordinierten Hand zuzugreifen und so zwei Wirklichkeitsstränge zum Hinüberhopsen nah zusammenzuführen.

    So zum Beispiel wenn man sich auf Handlungsstrang A befindet, in der S-Bahn sitzt, an sich herunterschaut und sich so unglaublich verkleidet fühlt in der Business-Casual-Kostümierung und sich fragt, was man da eigentlich macht, ob es nicht fürchterlich absurd ist, in eines dieser Bürohochhäuser zu gehen und dort hochkonzentriert irgendwelche Dinge zu planen und anzuordnen, die aus Sicht des Rapunzelturmes sicher ihre Berechtigung haben, jedoch wenn man z.B. nur das Stockwerk wechselt schon komplett belanglos sind.
    Und wenn man dann also aus der S-Bahn aussteigt und just in diesem Moment Handlungsstrang B in Form der S-Bahn in der Gegenrichtung vorfährt, in die man - es sind wirklich nicht mehr als drei Schritte - einfach einsteigen und geradewegs wieder nach Hause fahren könnte. Einfach so. Und zu Hause Dinge tun, die der persönlichen Neigung gerade mehr entsprechen. Für immer. Ohne einen Grund zu nennen. Vermutlich würde man in Handlungsstrang B erstmal von Familienmitgliedern und Freunden angesprochen und um Vernunft gebeten, sie hätten sicher auch in gewisser Weise Verständnis, wären aber besorgt und würden eventuell einen Arztbesuch anraten. Vielleicht würde man, um Konflikte zu vermeiden, zum Arzt gehen und sich erst einmal krankschreiben lassen, vielleicht würde man sogar als arbeitsunfähig eingestuft und als therapieresistent und krankheitsuneinsichtig dazu, schließlich würde man sich nicht krank fühlen, sondern zufrieden. Man würde sich tagein, tagaus, hingebungsvoll der Familie widmen, Besuch empfangen und 5-Gänge-Menüs kochen, zwischendurch heiter einfach die Wand anstarren oder spazieren gehen und die Jahreszeiten beobachten, wie es halt gerade beliebt. Anfangs würde wahrscheinlich auch das Büro noch anrufen und eine Rückkehr, Erklärung, später eine geordnete Übergabe verlangen. Sehr bald schon würde sich aber niemand mehr melden - die Welt dreht sich weiter, das Geschäft ist schnell, muss den Job halt jemand anders machen.

    Das würde gehen, definitiv würde das gehen, es sind tatsächlich höchstens drei Schritte, für etwa 60 Sekunden. Dann öffnet das riesige Baby seine speckige Hand wieder, und die Handlungsstränge springen an ihre ursprüngliche Position zurück. Der Weg in eine andere Fahrspur der Realität ist nun wieder weniger naheliegend und mit ein bisschen mehr Aufwand und Entschlusskraft verbunden. Und trotzdem - es gibt eine Wahl. Vielleicht ist es das, was man nicht vergessen sollte.

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