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    Freitag, 17. September 2010

    Bei einer der zig Bus- und Bahnfahrten heute fiel mir auf, dass es mit pubertierenden Jugendlichen wirklich nicht einfach ist: sie sind zu alt, um niedlich zu sein, zu jung, um interessant zu sein und zu verhaltensauffällig, als dass man sie ignorieren könnte.

    Noch schlimmer ist allerdings ein Phänomen, das ich "publikumswirksames Erziehen von Kleinkindern" nennen möchte. Und es besteht darin, dass ein Elternteil vermeintlich zu seinem Kind spricht, um eine bestimmte, erwünschte Verhaltensweise herbeizuführen, sich aber tatsächlich in Stimmlage, Inhalt und Ausdrucksweise an das (so gut wie immer unfreiwillige) Publikum richtet, um diesem seine Haltung zur Welt an sich kundzutun. Ohne, dass das Publikum die Möglichkeit hätte, Stellung zu beziehen, denn eigentlich ist es ja gar nicht angesprochen. Ein wesentlicher Bestandteil der publikumswirksamen Erziehung ist allerdings der Bestätigung suchende Blick in die Runde nach Schlüsselstellen der Weltbilddarstellung. Sehr häufig bezeichnet das gerade publikumswirksam erziehende Elternteil sich übrigens als "die Mama" oder "der Papa".

    Dem Herrn, der diese Erziehungsmethode heute im Bus anwandte ("Jannik, der Papa hat dir jetzt schon bei den letzten fünf Bissen gesagt, dass du den Mund beim Kauen zumachen sollst. Die Leute hier im Bus möchten das auch alle gar nicht sehen! [Blick in die Runde]") musste ich daher mitteilen, dass mich als Teilmenge von "die Leute im Bus" sein penetrantes Erziehen deutlich mehr stört als der offene Mund des Sohnes, über den man sehr einfach hinwegsehen kann. Und dass es außerdem deutlich effizienter wäre, dem Kind die Brezel einfach wegzunehmen, statt die selbe Leier immer wieder zu dozieren.

    In der S-Bahn gab es dann auch noch etwas zu Beobachten. Eine Schulklasse stieg ein, in den Vierersitz mir gegenüber setzte sich der Klassenheld (sah man sehr deutlich an Auftreten, Kleidung und Haltung) mit seinen Gefolgsleuten. In den Vierersitz dahinter setzten sich die beiden Klassendeppen (ebenfalls sehr deutlich an Auftreten, Kleidung und Haltung auszumachen). Irritierenderweise setzte sich die Lehrerin dann anbiedernd zum Klassenhelden und reihte sich in dessen Gefolge ein - bespöttelte sogar mit ihnen die Klassendeppen, als dem einen (in für Klassendeppen typischer Spasseligkeit) eine Packung Salzstangen aus der Hand fiel und dem anderen, der aufsammeln helfen wollte, die Coladose umkippte. Wieder jemand, der auf spektakuläre Weise für seinen Job absolut ungeeignet ist.

    Mal ganz davon abgesehen, dass Essen und Trinken in öffentlichen Verkehrsmitteln in jedem Fall eine Unsitte darstellt, ob nun mit offenem Mund oder spasselig oder ganz normal.

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