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    Freitag, 6. November 2009

    Ich brauche ein Geburtstagsgeschenk für die Nachbarin. Die hat nämlich heute Geburtstag und hat mich zur Feier eingeladen. Als ich fragte, ob sie denn einen Wunsch habe, sagte sie sehr bestimmt mit abwehrender Körperhaltung: NEIN! Nichts mitbringen, bloß nicht! Ihr seid einfach nur eingeladen!!
    Mal abgesehen davon, dass Mademoiselle es überhaupt nicht schätzt, wenn es eine Geburtstagsfeier gibt und das Geschenk-kaufen-einpacken-überreichen ausfällt, war das im letzten Jahr genauso. Da kam ich dann halt einfach so ins untere Stockwerk gestolpert und das war auch prima, bis ich dann kurz darauf Geburtstag hatte, einlud, und die Nachbarin mit einem umfangreichen Buchladengutschein heranstürmte. Deshalb bin ich jetzt auf Geschenksuche.

    Eigentlich bin ich schon seit Montag auf Geschenksuche, aber Montag war irgendwie so viel, auch wenn ich jetzt nicht mehr weiß, was. Achja, da musste ich mit Mademoiselle unbedingt das zweite Schloss in Welt 8 von Super Mario knacken, was haben wir geschwitzt und geflucht und Superpilze geschluckt, da ging das mit dem Geschenk wirklich nicht.

    Und dann wollte ich Dienstag ein Geschenk beschaffen, aber Dienstag ist ja immer Musikschultag, was bedeutet vom-Büro-zum-Kindergarten-nach-Hause-Sachen-hinschmeißen-andere-Sachen-holen-zur-Musikschule-Kind-abgeben-40-Minuten-rumtrödeln-Kind-wiederholen-und-nach-Hause-schaffen-Essen-machen-alle-Essen-Kind-ins-Bett. In den "40 Minuten rumtrödeln", das hatte ich mir genau ausgedacht, wollte ich ein Geschenk beschaffen. Ich funktioniere ja eigentlich nur unter Druck und 40 Minuten, wenn sämtliche Läden in 15min Entfernung (einfacher Weg) liegen, sind optimal. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich ein Baby bekomme - also kein eigenes jetzt natürlich in den 40 Minuten, sondern das einer Freundin, naja, und eigentlich ist es auch kein Baby, aber so viel kleiner als die großen Mädels und auch sprachlich und zu Fuß noch etwas unsicher, daher nenne ich es "das Baby". Das Baby hatte keine Lust, mit mir unter Druck einzukaufen, immer wenn ich es unter den Arm klemmen und ins Geschäft verfrachten wollte, schrie es "aua aua aua!", wenn ich sagte "jetzt sei doch ma ruhig und komm mit!!" sagte es "nein!" Wir kamen unter viel "nein! aua!" bis zur Apotheke (halber Weg zu den anderen Einkaufsmöglichkeiten), dann fiel mir ein, dass ich vielleicht das Fahrrad nicht abgeschlossen hatte, also es erschien mir wahrscheinlich, genau herleiten konnte ich nicht weil das Baby so plärrte und ich bei Babygeschrei genau wie bei Staubsaugerlärm oder Fleisch-Anbrat-Gezische nicht denken kann. Also wieder zurück und wieder hin und dann war die Zeit aber auch schon um und wieder zurück und dann nach Hause, mit eigenem quiekigen Kind, das mir vom 16-Zoll-Fahrrad mit Auszug drohte.

    Mittwoch wollte ich dann auch wieder ein Geschenk beschaffen, es war auch der ideale Tag dafür weil der Nachmittag entgegen sonstiger Routine nicht verplant war. Dummerweise verbrachte ich den Mittwochnachmittag mit Magenkrämpfen auf der Couch und war überfordert, ich habe nämlich nie Magenkrämpfe und weiß nicht, was da zu tun ist. Ich muss ja immer was "tun", wenn irgendwas ist, und sowieso sonst auch. Einfach auf der Couch liegen und atmen kommt meiner Persönlichkeit nicht entgegen. Also lag ich auf der Couch während Mademoiselle Hexenschuhe suchte und hochwichtige Notizen in Hexenschrift anfertigte, sagte immer mal wieder "aua" und "nein!" und überlegt, was zu tun sei statt was zu schenken sei. Und die Magenkrämpfe ließen erst ziemlich genau zu dem Zeitpunkt nach, an dem ich zu meiner Margarita-Verabredung mit der Biertrinkerin aufbrechen musste. Dann war alles gut aber der Geschenkzeitpunkt vorbei.

    Gestern wollte ich auch wieder ein Geschenk kaufen. Ich hatte sowieso eine Einkaufsverabredung mit Mademoiselle, es ging um Ballettzeugs, das wollten wir rasch holen und dann, so dachte ich, würde mich im Einkaufszentrum sicherlich eine Inspiration überfallen. Tatsächlich überfiel mich zunächst ein Kinderkleidungs-Kaufrausch und danach wollte Mademoiselle mir den Handwerkermarkt zeigen, auch nur ganz kurz. Wo wir dann stundenlang einen Kürbis schnitzten und nochmal stundenlang eine Kette fädelten und wirklich stundenlang Karussell fuhren, außerdem mit den Wurstjungs quasselten und Mademoiselle ein Menü bestehend aus einem rohen Stück Kürbis, 3 rohen Karotten, einem Würstchen-im-Brötchen und 2 Zuckerwatte verspeiste. Den Kürbis können wir Samstag nach einer Preisverleihung abholen, Sonntag werden 16 Gänse verlost, das Karussell baut morgen schon ab, die Wurstjungs sind noch bis Sonntag da, über die Lebenssituation der Kürbisfrau und des Perlenfädelmannes wissen wir nun bestens Bescheid, eine Familie mit Drillingen haben wir noch kennengelernt und mit den Wurstjungs und einer Frau mit 8jährigem Sohn über die Vielzahl verschiedenster Karussellchips aus den vergangenen Jahren in den Geldbörsen gelacht. Die alte Frau auf der Bank fand das mit den zwei Zuckerwatten total schlimm und die Zuckerwatteverkäuferin mag selbst am liebsten Paradiesäpfel. Ich ja auch. Dann wurde es dunkel und fing an zu regnen und wir fuhren heim. Kein Geschenk.

    Unbewusst habe ich wohl die ganze Zeit auf heute nachmittag spekuliert. Freitags ist nämlich Mathe-AG im Kindergarten, was mir nochmal perfekte 40 Minuten beschert hätte, um unter Druck und wirklich im letzten Moment ein Geschenk zu beschaffen. Mathe fällt nun aber aus. Statt dessen steht ein ganz neuer Freitagspunkt auf dem Programm, das Kind möchte anstatt Vulkanforscherin nämlich neuerdings Ballerina werden, vermutlich wegen der Klamotten. Wir schauen uns das also heute mal an. Von dort aus werden wir dann nahtlos in die Geburtstagsfeier segeln, Mademoiselle wohl noch in Rosa und mit Schläppchen (und, definitiv, mit schwarzen Filzstift-Spinnennetzen über beide Handaußen- und Innenseiten gemalt und Abdrücken davon im Gesicht). Man hat das alles nicht immer so richtig im Griff, mit den Geschenken und den Äußerlichkeiten des Kindes, das in der letzten Nacht auch in Trikot und Schuhen schlief. Was aber eigentlich ja auch völlig egal ist und kein Kampf, den man führen muss, das mit dem Trikot und den Schuhen. Und auf dem Weg zwischen Ballett und Party liegt noch der eigene Keller, mit einem gut gefüllten Weinregal. Mit dem Vorzug, dass man dann immer sagen kann, der Wein sei ja für die Feier und daher auch gar nicht so richtig ein Geschenk.

    Perfekt.

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