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    Freitag, 28. September 2007
    Flashback II (Septemberregen)

    Zu den Klängen von Purple Rain und es hätte passender nicht sein können. Da steht er mit einem Rennrad an der Ampel, Businessklamotten, und zückt während der Rotphase sein Handy. Ich kann nur starren, die Augen liegen immer noch tief im Gesicht, die Schatten drunter sind vielleicht sogar dunkler, ansonsten deutlich aufgeräumter. Völlig aus Ort und Zeit gerissen, nichts passt hier, aber: unverkennbar.

    Ich starre und starre während der Regen strömt und er hebt den Kopf, sein Blick streift mich, kehrt zurück und er starrt und starrt. Dann stehen wir uns gegenüber auf dem Bürgersteig und sind uns so fremd, in dieser anderen Stadt und in diesem anderen Leben.

    Nicht, dass ich in den letzten knapp 20 Jahren an ihn gedacht hätte, aber wenn, dann hätte ich ihn eher unter irgendeiner Brücke verortet als hier. So unterhalten wir uns kurz, versuchen, die zwei Jahrzehnte in ein paar Minuten Bordsteinunterhaltung zu packen, weil wir beide wissen, dass wir uns nicht zu einem Bier oder Kaffee verabreden werden. Wir haben nichts mehr gemeinsam mit dem, was wir einmal teilten.

    Ein komisches Gefühl ist es, jemanden nach langer Zeit wiederzusehen, mit dem man solche Extremphasen durchgemacht hat. So ein bisschen wie wenn zwei Überlebende eines Schiffbruchs sich plötzlich auf der einsamen Insel begegnen.


    Manchmal glaube ich dann doch, dass da irgendwo ein kosmisches Wesen sitzt, und sich "Späßken" macht. Es irrsinnig lustig findet, mir jedes Mal, wenn ich beruflich gerade das zweite Bein wieder auf den Boden kriege, das erste wegzukicken. Von Ferne sieht das natürlich auch höchst spaßig aus, wie ich da so herumhopse. Man könnte das glatt für Steptanz halten.

    Gestern verließ ich z.B. das Büro mit dem guten Gefühl, gerade alles auf die Reihe gebracht zu haben und die zwei wichtigen und dringenden Gespräche auf den einzig möglichen Tag innerhalb der nächsten vier Wochen terminiert zu haben - nämlich heute. Heute morgen um drei wurde ich nur nicht von einem Kotzschwall aus dem Mund des vor dem Bett aufgetauchten Kindes geweckt, weil ich rechtzeitig zur Seite wich. Und als der Kinderarzt am Telefon fragte, wie oft sie denn erbricht, musste ich schon morgens um acht zugeben, schlichtweg den Überblick verloren zu haben und das ungefähre Ausmaß des Übels allenfalls noch in Waschmaschinenladungen angeben zu können.

    Die Terminvereinbarung gestaltete sich trotz diverser Joker (Private Krankenversicherung und life-Kotzgeräusche im Hintergrund) schwierig. Natürlich schlief das Kind gleich nach dem Telefonat ein, blieb auch beim Eintreffen zwei Stunden später in der Praxis noch Übelkeitsfrei und erfuhr dort, im Zimmer des Arztes, eine Spontanheilung. Dort lag nämlich eine Tüte mit Gummibärchen. Mittlerweile war aber auch Mittag und meine Termine eh gelaufen. Der Arzt dämpfte die Laune auch noch mit der Ankündigung von sicherlich folgendem Durchfall, wie passend, wenn man am nächsten Tag ins Flugzeug steigen möchte. So war die sinnvollste Tätigkeit heute der Erwerb neuer Windeln, denn ob wir das Anti-Durchfall-Zeug überhaupt mit ins Flugzeug nehmen dürfen ist ja auch fraglich.

    Heute Nacht, als mir dieser unvergleichliche säuerlich-milchige Duft die Nase umwehte während ich versuchte, ihr und mir die Haare aus dieser Angelegenheit zu halten, vielen mir dann auch noch so viele Dinge ein, die alle auf die eine oder andere Art in Verbindung mit einem Fitness-Studio-Besuch gestern hochkamen, und die sich alle noch nicht so recht greifen lassen, aber meinen Kopf umkreisten, nachts, wie kleine Fledermäuse. Auch jetzt lassen sie sich nicht in Worte packen sondern huschen hin und her, wispern mal in das eine, mal in das andere Ohr und lassen in meinen Augenwinkeln Bilder entstehen, die verschwinden, wenn ich den Blick auf sie richte.

    Vielleicht bin ich einfach zu müde. Ein andermal.

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