Die letzten drei Tage habe ich ja von zu Hause gearbeitet wegen Dingen und das Haus auch wegen Dingen überhaupt nicht verlassen, glaube ich, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Irgendwann muss ich aber wohl doch weggewesen sein, GLS konnte mich nämlich bei einer Paketlieferung nicht antreffen. Oder es liegt daran, dass die nicht geklingelt haben, möglicherweise ist GLS noch in einer Zeit verhaftet, in der man immer die Haustür offenstehen hat oder auf dem Haus vor einem Bänkchen sitzt, so ist das bei mir nicht, bei mir muss man klingeln, wenn man mich zu Hause antreffen will, genau deshalb konditioniere ich mich ja positiv auf die Klingel. Jedenfalls war mir nach diesen drei Tagen zu Hause prompt heute Morgen so, als hätte ich das Laufen verlernt, die Beine fühlten sich ganz merkwürdig an, als seien Sie 1-2 cm zu lang. Geschlafen hatte ich schlecht, mit wilden Träumen von schiefgegangenen Beerdigungen und schlecht beleuchten Seniorenheimen und dergleichen.
Morgens Telefonat mit Papa N. Gestern hatte er mir am Telefon berichtet, eine sehr langjährige Freundin, I., sei gestorben, ihr Mann hatte ihn benachrichtigt, konnte nicht so genau erklären, was passiert war aber Papa N. wolle jedenfalls zur Beerdigung nach Bochum und W, sein Freund, wolle mit, er wüsste aber noch nicht, wann die Beerdigung sei. Am Abend telefonierte ich mit meiner Schwester, um auszuklüngeln, wer an welchen Tagen einen stark gehbehinderten und einen fortgeschritten dementen Senior in ein Auto packen und zur Beerdigung begleiten könnte und an welchen Tagen diese Beerdigung besser mal wirklich nicht wäre, alles höchst kompliziert.
Als ich heute Papa N. anrief, war alles irgendwie ein Missverständnis und I. nicht verstorben, allerdings sehr krank. Nennen Sie mich unflexibel, ich freue mich natürlich, dass I noch lebt. Sehr durcheinander gebracht hat mich das schon, ich bin eine große Freundin des Ansatzes, nicht zu weit vorauszudenken und offenen Blickes zu bleiben, aber "ist gestorben" war für mich ein Signal für gewisse Verbindlichkeit. Alle Termine aus dem Kalender wieder ausradiert, einen Schnaps auf I., möge sie noch ein langes und glückliches Leben haben.
Den Arbeitstag über dezent genervt gewesen, weil mir ständig Personen berichteten, was ihnen an einem Gespräch mit anderen Personen nicht gefallen hat. Keine Ahnung, was das mich angeht, ich sagte jeder einzelnen, das müsse sie der anderen beteiligten Person sagen, nicht mir. Das wollten sie alle nicht, das brächte nur Streit. "Auseinandersetzung", sage ich, und nur Auseinandersetzung führt in persönlichen Beziehungen zu irgendwas, natürlich nicht zwingend zum erhofften Ergebnis. Wenn man das nicht möchte, kann man alles so lassen, wie es ist, das ist auch völlig okay.
Auf dem Heimweg kaufte ich vier Brote. Wir sind keine Brotfamilie, eher eine Haferflocken- und Müslifamilie, aber das Brotfach im Eisschrank war seit gestern aufgegessen, nach einem guten halben Jahr. Ich wollte es wieder auffüllen, dazu kaufe ich Brot, lasse es schneiden und friere die Scheiben ein, man kann das dann bei Bedarf einfach rausnehmen um im Toaster auftauen, das ist sehr praktisch, wenn man immer nur kleine Mengen braucht. Ich kaufte vier unterschiedliche Brote, eins mit Sonnenblumenkernen, eins mit Hafer, eins mit Karotte und eins, das ich nicht kannte, es nennt sich "Brotzeitbrot". Karotte und Brotzeitbrot waren vom Vortag und um 50 % reduziert.
"Das ist aber nicht in Ordnung, dass Sie gleich vier Brote kaufen", sagte ein Mann hinter mir, "die anderen wollen auch noch was!". "Schauen Sie mal, es ist 19 Uhr und die Regale liegen noch voll und diese beiden Brote hier sind die gestern schon nicht losgeworden", antwortete ich. "Trotzdem!", sagte der Mann. Offensichtlich bekloppt, ich ging mit meinen Broten weg.
Der nächste Stopp war bei der Augenbrauenzupffrau. Ich gehe morgen zum Frisör, die grauenhaft langen Haare abschneiden, vorher müssen die Augenbrauen gemacht sein, denn sonst will der Friseur das machen und der kann das nicht gut. Während die eine Zupffrau zupfte, ging die andere nach hinten und begann plötzlich bitterlich zu weinen. "Wollen Sie da mal nachschauen gehen, ich kann warten", fragte ich und die Zupffrau antwortete, es sei nicht so wichtig, die Mutter der Kollegin sei nur sehr krank. Ich erzählte, dass meine Mutter auch sehr krank war und kürzlich gestorben ist, wurde dann auch sehr traurig, die Zupffrau murmelte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe, es kam "subhanallah" dabei vor und es klang echt angestrengt, sie holte die weinende Kollegin nach vorne und drückte uns Tee und Mercischokolade in die Hand.
Jetzt zu Hause suche ich seit über eine Stunde meine Italienisch-Übungsgrammatik. In den letzten Tagen hat irgendwas im Kopf "klick" gemacht und Italienisch ergibt plötzlich Sinn, wird intuitiv, nach fast zwei Jahren, endlich. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, schnell die gesamte Grammatik zu erlernen, dann sprechen wir bald fließend. Cucinacasalinga stimmte mir zu, dass wir jetzt jeden Tag in der Mittagspause ein Kapitel durchgehen, ich glaube, das Buch hat 100 Kapitel oder so, also ca. 4 Monate dann sitzt das. Ich bin gespannt, ob dieser Plan aufgeht.