Der Morgen begann rasant, nämlich mit der kleinen Katze, die auf den schlafenden Herrn N. kotzte. Er wachte nicht davon auf. Ich aber und ich hatte Angst, es könnten Bröckchen auf meine Betthälfte rutschen, wenn er sich im Schlaf bewegt. Also entfernte ich die Katzenkotze von Herrn N, er wachte auch dabei nicht auf, ich checkte kurz die Vitalparameter, es war alles in Ordnung. Vermutlich hat er sich schlafend gestellt – er streitet es bislang ab.
Dann war es weiter rasant, ich stritt mich mit einem Kippladerfahrer von der Großbaustelle hinter dem Bürogebäude, er fuhr mir quasi vor die Füße, ich gestikulierte und brüllte, er stieg aus und brüllte und ging auf mich zu, ich brüllte und ging auf ihn zu, dann standen wir Nase an Nase und dann kam die Security. Ich trug das rosa Mäntelchen, mit dem ich mich immer wie die Queen fühle. Also halt nur nicht tot. Das Kantinenpersonal machte gerade draußen Rauchpause und amüsierte sich sehr. „Signorina Sie kriegen heute doppelt Dessert“, sagte der italienische Koch, nachdem die Security uns getrennt hatte.
Im Büro war es heute selbst für unsere Verhältnisse sehr verrückt. Eine Person, die sich echauffiert, dass in ihrer Abwesenheit an ihre Zimmertür geklopft wird, eine Person, die einer entsorgten Pflanze nachweint, die sie – ohne das mit irgendjemandem abzusprechen – in den Raum anderer Personen gestellt hatte, dort war sie eingegangen und nun ist sie halt im Müll, und auch ansonsten war es nicht so ganz einfach.
Passend dazu fragt die tägliche Contentvorschlagiste: „Was haben Sie am OC besonders geschätzt oder sogar übernommen?“
Eigentlich wollte Frau Herzbruch diese Frage beantworten, sie liefert aber ja nicht. Wobei ich mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen kann, ich habe gerade vorhin auch sowas von nicht geliefert, ich habe sie nämlich um Anruf gebeten, damit ich Herrn Herzbruch zum Geburtstag gratulieren kann, in dem Moment, als der Anruf kam, nahm ich ihn dann nicht an, weil ich gerade den Mund voll Erdnussflips hatte, rief nach dem (vermeintlichen) Schlucken zurück, aspirierte dabei einen Erdnussflipsrest und konnte, als Frau Herzbruch dann antwortete, schlicht nichts sagen. Also auch keinen Glückwunsch.
Am OC habe ich besonders geschätzt, dass er es sich nie leicht gemacht hat. Ich kann mich an keine einzige Situation erinnern, in der er einen Weg genommen hätte, von dem er nicht überzeugt war, nur weil es der leichtere unter den verfügbaren Varianten war. Das hat seinem Handeln eine große Verbindlichkeit und Integrität verliehen. Dass er diesen Anspruch – dass wir es uns nicht leicht machen – auch an uns hatte, hat mich viel gelehrt und in der Lernkurve auch einiges gekostet. Ich denke, dass ich heute davon profitiere, dass er uns über Jahre antrainiert hat, nicht wegzugucken, nicht durchzuwinken, uns nicht abwimmeln zu lassen und Dingen, die unklar sind, auf den Grund zu gehen, bis sie klar sind.
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Alles zu WmdedgT wie immer bei Frau Brüllen.
Wie man sich abends immer noch an morgens erinnern soll, meine Güte, 15 oder 16 Stunden liegen dazwischen mit tausend spannenden Dingen.
Der Wecker klingelte um 7 Uhr. Ich hatte keine Nachricht, wann das Kind zu wecken sei, also kümmerte ich mich nur um mich und ein bisschen um die Katzen, hatte also ausreichend Zeit, mich unfassbar über die Bahn aufzuregen. Dass ich mich am Freitag nach München transportiere ist klar, wie ich mich transportiere allerdings noch nicht. Einen Platz im Flixbus lehnte ich ab, ich weiß nicht genau warum, vermutlich aus Bockigkeit, ich habe ja ein Bahnticket und ich wollte mir eine Runde einbilden, dass ich aus Bockigkeit fliegen würde, wenn es denn ginge, es ist für alle Beteiligten besser, wenn ich mit meiner Laune nicht als Fahrzeugführerin auf der Autobahn bin, lieber sitze ich verängstigt (ich habe ja Flugangst) in einem Linienflug und ich könnte Fingerzeigen, nach unten aus dem Flugzeug heraus und sagen „Hier, ihr seid Schuld, dass ich fliege und das Klima zu Grunde geht!“, das waren schöne Gedanken mit keiner Gefahr der Verwirklichung, denn der Flughafen wird ja auch bestreikt. Ich spiralisierte mich in rechtschaffender Empörung bist ganz nach oben und kündigte dann mit einem fulminanten „Klick“ mit dem rechten Mittelfinger meine Bahncard.
Wir wissen alle: ich fahre im Jahr über 10.000 km Bahn. Natürlich werde ich die BahnCard, wenn die aktuelle abläuft, gleich für die nächste Fahrt wieder kaufen, da müssen wir uns nichts vormachen. Ist aber egal, das ist irgendwann im November, das ist nicht heute. Heute habe ich es ihnen so richtig gezeigt!
Mit quasi bereits vollendetem Tagwerk ging ich ins Büro, um dies und das zu tun. Den Vormittag über gelang es gut, weiter Krempel wegzuarbeiten. Mittags war ich mit Fragmente verabredet, wir aßen Pasta und ich berichtete ihr alle Neuigkeiten, zeitweise war sie etwas überwältigt. Der Nachmittag entglitt mir dann, das Telefon hörte nicht mehr auf zu klingeln und (externe) Personen schickten mir Quatsch statt Informationen, kurz vor Feierabend suchte ich noch dringend einen bestimmten Mitarbeiter, er schien verschwunden, ich fand ihn schließlich in der neuen (noch leerstehenden Etage) mit einer Flasche Bier, was soll man da machen, ich nahm mir auch eine und setzte mich dazu.
Später Bahngedöns, statt einer halben Stunde dauerte der Heimweg 90 Minuten, in denen ich den lustigen Artikel las in dem Weselsky sagt, Ziel der Wellenstreiks sei, dass die Bahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr ist – nunja, da müsste er sich gar nicht erst bemühen denke ich. Aber egal.
Pünktlich zum Event mit Frau Herzbruch war ich zu Hause. Wir trugen beide Streifen, das war schön. Vor lauter Erzählen vergaß ich, den kaltgelegten Crémant zu öffnen, immerhin schien Frau Herzbruch gut unterhalten zu sein durch meine Ausführungen und von Herrn N wurde zwischendrin Gemüsecurry serviert.
Jetzt noch ein Ründchen Sessel.
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Keine Blumen bekommen morgens. Ich war in drei Läden, in allen sahen die Blumen so aus, als hätten sie das Wochenende in wasserlosen Eimern verbracht. Also eine Woche ohne Blumen.
Dafür eine Woche mit vielen Menschen, die wegen irgendwas angefasst sind. Heute kam mir der Gedanke, ob die eventuell gerade alle noch irgendwelche Jahresanfangsvorsätze verfolgen, die sie so zermürben. Saftkur oder keinen Zucker oder sowas. Sie sind angefasst wegen lauter Dingen, die lösbar sind, die Lösung möchten sie nicht, lieber leiden sie unter der Situation. Ob wir wirklich mal ernsthaft in medias res gehen wollen oder ob sie nur leere Bestätigung von mir möchten, frage ich, und die Antwort ist eine Gegenfrage: Ob ich nicht einfach mal nett sein kann. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie das geht, mein „nett“ scheint nicht das „nett“ der anderen zu sein. Ich finde es nett, wenn ich mich in ein Problem vertiefe, analysiere, wo welche Verantwortungsanteile liegen und meine Ideen zu dem Bereich, der beeinflussbar ist teile, das kostet mich Zeit, das kostet mich Energie, das ist etwas, das ich für Wertschätzung halte. Leere erlernte Sprüchlein wie „ja das ist aber auch doof und was für ein Affront!“ aufzusagen finde ich nicht nett. Die kann man sich ja auch selbst ins Handy diktieren und bei Bedarf dann abspielen. Genau wie Lob und sowas. Das finde ich viel sinnvoller, als ständig darauf zu warten, dass jemand anders das sagt – das Streben nach der Bestätigung durch andere ist eher nicht so der Weg zur Glückseligkeit. Sinn verleihen muss man seinem Tun schon selbst.
Nunja, das alles wurde ich nicht gefragt, es fiel mir nur gerade ein, ich sollte ja nur nett sein und das gelingt mir nicht, weil ich nicht weiß, was das ist.
Keine Erledigungen am Abend und noch ausreichend Nudelsoße vom Wochenende zum angenehmen Resteessen und zur Vertiefung in meinen Bahn-Hass. Die Bahn streikt bis Freitag 13 Uhr und Freitag 14:30 Uhr möchte ich im Fernverkehr verreisen. Ich bin noch nicht bei der Akzeptanz angekommen, dass das nicht funktionieren wird. Statt dessen bin ich vergangen in Fantasien, wie ich eigenhändig die Bahn, also den gesamten Konzern, zerlege oder wie ich selbst Züge steuere, was natürlich absurd ist, denn dann kann ich ja auch ein Auto steuern. Aber wir sind nicht bei Rationalität, wir sind bei Hass. Es ist gut, dass das heute beginnt, bis Freitag habe ich mich vermutlich innerlich ausgetobt und bin gute Gesellschaft.
Frage in der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste: „Was ist eine gute Strategie, um sich beruflich ganz neu aufzustellen? Zweitstudium oder Lehrberuf in höherem Alter, Einstieg in anderen Bereich über persönliche Beziehungen, oder ganz anders, wie funktioniert es (auch aus Ihrer Recruiterinnen(?)-Sicht) am besten?“
Also: überlegen Sie sich erstmal, was Sie überhaupt wollen. Ob Zweitstudium oder Lehrberuf zum Beispiel kommt doch komplett darauf an, um welches Gebiet es geht. Wenn Sie Schreinerin werden wollen sollten Sie nicht Sinologie studieren, das wird nicht gut funktionieren. Was machen Sie gut, was machen Sie gerne, was können Sie am besten und wo können Sie das ausleben, wo werden Sie im besten Fall dafür geliebt und ecken zumindest nicht damit an? Halten Sie Ausschau nach dem passenden Spielfeld, das, wo Sie Lust haben zu liefern auch wenn gerade niemand hinschaut und gehen Sie dahin. Und dann werfen Sie sich rein, heben die Hand, wenn was zu tun ist und haben Spaß am Sein. Das war das Wort zum Montag. Noch eine ganze Werktagswoche Zeit, um was zu reißen! Amen.
(Ich bin keine Recruiterin. Meine Güte. Ich hasse Recruiting.)
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Puh, am Morgen stellte ich erst fest, was für ein Migräne-Klopper das gestern war. Die erste Tageshälfte war ich noch komplett tattrig und unkoordiniert. Immerhin aber wieder gut gelaunt! Fallen halt mal ein paar Dinge runter und ich renne ein paar Mal gegen Türrahmen oder bleibe mit der Hüfte an Sideboards hängen, das ist ja nicht so schlimm.
Den Tag verbrachte ich mit Häuslichkeit, tatsächlich in einem Maße, das schon fast den Übergang in ein Parallelleben darstellen könnte. Zum Frühstück gab es frisch gebackene Brötchen und Rührei, ich buk einen Kuchen mit vier Schichten (Boden, Pudding, Obst, Sahne), widmete mich überausführlich der Wäsche – normal mache ich ja nur Kurzwaschgang, ab und an muss dann gezielte Fleckenbehandlung, Deo- oder auch Geruchsentfernung auf höherer Temperatur und mit Vorbehandlung stattfinden. Das war heute.
Alles ist nun tippitoppi. Tippitoppi ist auch ein Wort aus meinem neuen Parallelleben. Die Rückwand hinter dem Herd habe ich noch abgewischt und die Griffe der Schränke gereinigt, die Gelbstecker in Pflanzen ausgetauscht und schon einmal die Balkonkästen daraufhin kontrolliert, was da so zu tun sein wird.
Zwischendrin musste ich immer die Füße hochlegen, weil mir post-migränisch-schwummrig wurde, dann saß ich im Sessel und sang leise lateinische Messen vor mich hin. Fast hätte ich sogar auch noch Fernsehen geschaut, Frau Herzbruch empfahl mir neulich eine Serie, ich konnte mich aber nicht mehr an den Titel erinnern und als ich es nachschauen wollte – die Empfehlung kam schriftlich – fiel mir wohl schon wieder etwas anderes ein, Abfluss-Siebchen reinigen oder so etwas, jedenfalls erinnere ich mich in diesem Moment erst wieder und mein Fernsehimpuls ist jetzt vorbei. Vergangen mit der Post-Migräne.
Ich hinterlege den Titel der Serie hier: The Good Place. Wenn ich wiedermal einen Fernsehimpuls verspüre, in einem Jahr oder so, werde ich das abfragen.
Die tägliche unverbindliche Contentvorschlagliste schreibt mir heute: „Fallen Ihnen Vorteile/Nachteile ein, ein Einzelkind zu haben?“
Ja, natürlich mir fallen Vor- und Nachteile ein, ein Einzelkind zu haben. Das ist wie bei allen Dingen, die man – ohne eine komplette Idiotin zu sein – auf die eine oder auch auf die andere Art entscheiden kann, weil eben beide Varianten Vor- und Nachteile haben. Wenn Sie nun eine Person mit offenem Geist, nicht komplett festgefahren, sind, so wie ich, können Sie sich diese Vor- und Nachteile erschließen, auch ganz abstrakt als kinderlose Person oder als eine solche, die sich bereits für eine der beiden Varianten entschieden hat. Das ist die Fähigkeit, Informationen zu analysieren. Ich habe diese Fähigkeit und ich bin offen gesagt verwundert, dass Sie danach fragen.
ChatGPT hat diese Fähigkeit übrigens auch, also falls Sie jetzt aus irgendeinem Grund eine Liste haben wollten, fragen Sie da nach.
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Eigentlich hatte ich heute den ganzen Tag Migräne, nebenher noch ein schlechtes Einkaufserlebnis auf dem Wochenmarkt. Ich wollte Kartoffeln kaufen. Die bekomme ich üblicherweise per Gemüsekiste, die Gemüsekiste habe ich für die nächste Woche abbestellt, weil noch ausreichend Obst und Gemüse durch Crowdfarming vorhanden ist, nur Kartoffeln fehlen. Also verabredete ich mich mit Schanuf um 13 Uhr zum Kaffee im Café und war um 12:50 auf dem Wochenmarkt, um Kartoffeln zu kaufen.
Das Problem bei meinem Einkauf waren Schilder. Auf dem ersten Schild, vor dem ich stand, war geschrieben „Wartezeit ab hier 15 Minuten“. Ich schaute mich verwirrt um. Ja, es waren etwa 10 Personen vor mir, hinter dem Kartoffelstand waren 4 Frauen, eine davon stand an einem Grill, die anderen drei standen da nur so und sprachen miteinander. Alle Personen vor mir standen mit Blickrichtung zum Grill an. Daher fragte ich nach, nämlich „Tschuldigung ist diese Schlange für den Grill, für die Kartoffeln oder für beides?“ – „Das ist egal“, sagte eine der Frauen – was natürlich komplett unzutreffend ist, es ist überhaupt nicht egal. Immerhin schloss sie an mit „Die ist für beides“ und ich sagte, „Ok, danke, schönes Wochenende dann!“ und wandte mich zum Gehen. „Wollen Sie denn nur Kartoffeln?“, wurde ich gefragt, bejahte, bekam Kartoffeln und sah in der sehr kurzen Wartezeit ein weiteres Schild, das mich nervte, nämlich eins mit der Aufschrift: Männerkartoffeln (Drillinge).
Ich kann keine Kartoffeln mehr auf dem Markt kaufen, ich werde sie wieder im Internet bestellen und vom Gemüsemann nach Hause bringen lassen. Ich will ja nur Kartoffeln kaufen, nicht noch Dummheit dazu. Der Gemüsemann hat mir vor vielen Jahren auch mal Unfug geliefert, nämlich irgendein merkwürdiges Magazin, damals rief ich dort an und sagte „Wenn ich noch einmal Ökopropaganda in meinem Essen finde war es das mit uns“. Es ist nie wieder vorgekommen.
Frage in der täglichen Contentvorschlagliste heute: „Gibt es Dinge, die Ihnen große Angst machen? Also im Sinn von Krieg, Terror, globale Erwärmung. Wenn ja, wie werden Sie dieser Angst Herr?“
Sie meinen abstrakte Ängste vor Dingen, vor denen ich nicht weglaufen kann und die ich auch nicht durch irgendeine Handlung kontrollieren kann, richtig? Ja, natürlich machen mir Krieg, Terror und globale Erwärmung Angst. Es wäre sehr merkwürdig, wenn nicht, oder?
Mir hilft es in solchen Fällen, das Thema mit kognitiven Methoden anzugehen. Es ist ja so, glücklicherweise, dass ich mich nicht mitten in einem Krieg, einem Terroranschlag oder einer akuten Katastrophe befinde. Die Angst entsteht also aus meinen Gedanken, aus meinem Gehirn. Und es ist nur logisch, dass, wenn mein Gehirn die Angst machen kann, es sie auch wegmachen kann. Das ist eine Frage der Steuerung. Auch der Aufmerksamkeitssteuerung. So kann ich zu dem Schluss kommen, dass meine Angst nicht komplett grundlos ist, allerdings auch gerade nicht zur Bewältigung einer akuten Situation dient und daher nicht sonderlich tauglich ist. Mit diesem Wissen kann ich meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten, das mir gerade besser bekommt. Manchmal bleibt die Angst dann noch, okay, dann ist sie halt dabei, was soll man machen. Manchmal hat man Leute dabei, die man nicht so mag, manchmal hat man Angst dabei, manchmal eine zu schwere Tasche oder eine leichte Migräne, ich möchte mich wirklich nicht von allen möglichen Dingen abhalten lassen, Spaß zu haben.
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Neuer Monat, Frühling, ich habe den Eindruck, das trägt ein wenig zum allgemeinen Durchdrehen bei. Keine Person bin ich heute begegnet, die sich nicht mit irgendeinem völlig crazy Anliegen an mich gewandt hätte. Es ist mein großes Talent, weiterhin fest zu glauben, dass ich die normale bin und die anderen die Abweichung bilden.
„Das Gute ist, wir langweilen uns nicht!“, sage ich immer zu einem Mitarbeiter, wenn uns wieder besonders großer Wahnsinn oder Inkompetenz begegnet. Er kann nicht anders als zustimmen.
Ich mag das aber gar nicht weiter alles im Kopf haben, habe es daher hinausfliegen lassen und wende mich jetzt der heutigen Frage in der Contentvorschlagliste zu: „Verzeihen Sie die späte Störung: in Bezug auf Liebe: Taube / Dach ? Oder arrangieren mit dem was ist.“
Gegenfrage: Haben Sie sich wieder irgendwelche Kategorien von außen aufoktroyieren lassen? Was soll denn die „Taube“ sein? Was heißt „arrangieren“?
Schauen Sie mal: Wie geht es Ihnen gerade mit sich und Ihrem Leben und Ihrem Lieben? Fühlen Sie sich wohl? Sind Sie glücklich? Haben Sie irgendwas, das Sie nicht missen möchten? Dann scheint mir das eine gute Sache zu sein, die ich so weitermachen würde.
Oder Fühlen sie sich unwohl, sind unglücklich, haben etwas, das Sie lieber los wären? Dann würde ich das in die Wege leiten, nicht zwingend mit der Suche nach einer „Taube“ sondern zunächst einmal mit dem Abwerfen von „Ballast“. Mit Personen, die mich unglücklich machen, möchte ich keine Zeit verbringen, das ist ja auch völlig unnötig.
Vielleicht fühlen Sie sich auch generell ganz wohl und gleichzeitig fehlt ab und an irgendwas, dann schauen Sie am besten, wo Sie das herbekommen. Liebe bedeutet ja nicht Ausschließlichkeit, wie Sie das gestalten, ist komplett Ihnen überlassen. Einen einzigen Menschen auszuwählen, mit dem ich in jedem Moment ausschließlich alles erleben möchte, finde ich eine abwegige Vorstellung. Menschen sind unterschiedlich, das ist gut, mit unterschiedlichen Menschen kann ich unterschiedliche Dinge erleben, das ist noch besser.
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Jedes einzelne Mal habe ich mich heute gefreut, wenn ich das Datum geschrieben habe und ich habe extra häufig irgendwas erledigt, das datiert werden muss. Das war schön.
Den Vormittag über arbeitete ich wie üblich von zu Hause und war wie übliche davon genervt, weil wie üblich meine Aufmerksamkeit zerfranste. Familienmitglieder verabschiedeten sich und/oder kehrten zurück, Paketboten und Müllabfuhr klingelten, Katzen wollten Streicheln oder Essen oder auf der Tastatur sitzen, das stresst mich alles. Um 12 Uhr kam endlich – superpünklich allerdings – der Rauchmelderwartungsmensch, es gab Unstimmigkeiten und ich verabschiedete ihn mit „Danke, das war nicht hilfreich“, rief dann die Hausverwaltung an und erklärte, dass es eine fachliche Thematik gäbe und eine ganz grundsätzliche im Vertragsverhältnis, dass es bei letzterem nämlich so ist, dass ich eine Dienstleistung bezahle und im Gegenzug erwarte, sie zu erhalten, was unter anderem bedeutet, dass meine Anliegen beantwortet werden und sehen Sie das anders Frau S oder haben wir zumindest in diesem Punkt ein Einverständnis?
M war im Anschluss etwas aufgeregt, „und da sagen alle immer, meine Generation wäre unhöflich!“, sagte sie. Ich fand mich nicht unhöflich. Wenn ich unhöflich bin, werfe ich mit Sachen. Ich finde Ms Generation allerdings auch nicht unhöflich, ich finde die alle immer total niedlich.
Den Nachmittag verbrachte ich im Büro. Der Fußweg war angenehm belebt, ich spiele immer ein kleines Spiel und zwar möchte ich, wenn die Ampel auf grün wechselt, von allen Wartenden immer die erste sein, die losgeht, aber dann möchte ich ganz kurz stehenbleiben, damit – falls jemand in einem Auto nicht aufgepasst hat – wer anders und nicht ich überfahren wird. Als allererste losgehen gelingt mir meistens (vermutlich, weil es niemand anderem wichtig ist), am dann kurz verzögern hapert es, dazu habe ich dann so gut wie nie Lust.
Als ich wieder zurückkam, hatte ich Paketpost. Als ich das Paket öffnete, war aber lauter Umverpackung von anderen Paketen darin. Da bin ich wohl neulich mit meinen Rücksendungen etwas durcheinandergeraten. Ich hatte einige Bestellungen, die Verpackungen von den Dingen, die ich behalten wollte, stopfte ich zusammen in einen Karton und die Rücksendungen bereitete ich wie vorgesehen vor, offensichtlich habe ich dann am Ende den Karton mit dem Müll auch wieder an der Packstation aufgegeben und er wurde mir heute wieder zugestellt. Das war lustig. Und eröffnet ganz viele ungeahnte Möglichkeiten. Ist es normal, dass sowas funktioniert? Könnte ich zum Beispiel ganz viele Paketumverpackungen bei Frau Herzbruch abstellen und sie schickt mir jeden Tag in einer davon eine kleine Überraschung, ohne Porto zu bezahlen? Das würde mir gefallen, also außer ich arbeite von zu Hause und es klingelt ständig irgendein Paketmensch, dann wäre ich genervt.
Genervt werde ich übrigens auch sein, falls die Bahn nächsten Freitag bestreikt wird und ich werde mich dann bemühen, so viele Menschen, wie ich irgendwie erreichen kann, von meiner Genervtheit in Kenntnis zu setzen. Ich sage es nur. Wäre ich die GDL, würde ich eher Dienstag/Mittwoch ins Auge fassen.
Frage in der täglichen Contentvorschlagliste: „Zu wieviel Prozent ungefähr beteiligt sich Herr N. am Haushalt? Und früher an der Kinderversorgung?“
Gegenfrage: Quantitativ oder qualitativ? In Zeit gemessen oder in Ergebnis am Wunschzustand? Das sind – ganz im Allgemeinen gesprochen – wesentliche Unterschiede, wir möchten schon genau sein, wenn doch nach Prozentangaben gefragt wird, okay, es wird nach „ungefähr“ gefragt, dennoch erscheint mir das alles sehr schwammig. Herr N, M und ich machen alle nicht sonderlich viel im Haushalt, weil wir ja eine Putzhilfe haben. Viele Dinge fallen dadurch weg. Viele Kleinigkeiten bleiben natürlich. 2x pro Woche kocht regelmäßig Herr N, 1-3x koche ich, manchmal kocht M. Herr N ist eher für die Spülmaschine zuständig, ich eher für die Waschmaschine, für die getrocknete Kleidung dann jede Person selbst. Ich bringe tendenziell eher Müll runter bzw. erinnere andere, Müll mit runter zu nehmen. Wer die Müllbeutel wechselt, weiß ich nicht, das geschieht meist in meiner Abwesenheit. Im Bad wischen alle immer mal hinter sich her, eine Person (auch da weiß ich nicht genau, wer) säubert häufiger zwischen den Putzhilfebesuchen den Spiegel und irgendwer gießt die Blumen drinnne, auch da weiß ich nicht genau wer. Herr N und M kaufen unter der Woche Kleinigkeiten ein, ich befasse mich grob monatlich mit der Vorratshaltung (per Bestellung oder Autofahrt zu einem Vollsortimenter). Ich würde grob schätzen, dass – nach Abzug von Putzhilfe und M – Herr N und ich jeweils 50 % Zeitinvest in den Haushalt einbringen, aber Herr N weniger als 50 % zu meinem Wunschzustand beiträgt, weil er sich eher an seinem Wunschzustand orientiert. Und umgekehrt natürlich. Ich investiere bekanntlich viel Zeit in Aussortieren und niemand außer mir schätzt das Aussortieren. Wenn ich wöchentlich also 60% meiner Haushaltsleistung in Aussortieren stecke, wäre es Herrn N und M lieber, ich würde diese 60 % in Kuchenbacken investieren, denn aus dem Aussortieren ziehen sie keine Freude. Herr N hingegen steckt viel Zeit in Angelegenheiten wie Fernseher programmieren, irgendwas mit Beleuchtung und Kabeln und manchmal Bildern, das für mich eher entbehrlich ist, ich fände da Staubsaugen wichtiger. Es gibt kein Vertragswerk dazu. Ich glaube, wir brauchen auch keins, denn niemand ist gestresst oder schlecht gelaunt wegen Haushaltsdingen.
Früher in der Kinderversorgung war es so, dass Herr N und ich (wir waren beide nicht in Elternzeit) am frühen Nachmittag „Übergabe des Babys“ gemacht haben. Herr N hat von morgens früh bis mittags gearbeitet, ich von nachmittags bis in den Abend. Das hat gut funktioniert und war enorm anstrengend, zumal wir einander nicht allzu häufig gesehen haben denn Herr N stand morgens gegen 4 oder 5 Uhr auf und ich kam abends gegen 21 oder 22 Uhr von der Arbeit, anders wäre das ja nicht aufgegangen.
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Ein großer Tag für mich heute: ich habe eine Behördenangelegenheit zum Abschluss gebracht, die ich seit März 2023 „zeitnah“ erledigen sollte und bisher verzögert habe. Nicht aus Trägheit sondern aus Überforderung, weil die Angelegenheit an sich mich stresste und der genaue Ablauf mir sehr unklar war, Begriffe enthielt, die ich keiner Bedeutung zuführen konnte und sich im weitesten Sinne auch noch um die Angelegenheit „Auto“ drehte und das ist ja nun ein Thema, das mich wirklich nicht begeistert.
Im weitesten Sinne war ein Gutachten notwendig, das in ein anderes Gutachten verwandelt wird das dann wiederum die Basis für ein offizielles Papier bildet, es ging um zwei Bundesländer und zwischendrin habe ich einfach alles ganz gründlich für ein paar Monate verdrängt, bis mir zum Jahresende plötzlich klar wurde, dass es eine hart definierte Deadline gibt, die ich im März 2024 verortete. (Tatsächlich habe ich mich dabei verguckt, sie ist erst im März 2025.)
Jedenfalls war heute der abschließende Behördenbesuch zu dieser Angelegenheit fällig und ich war sehr aufgeregt, weil es ja nun alles wirklich nicht mehr „zeitnah“ war und möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat mit sofortiger Verhaftung, was weiß man schon, ich überlegte heute morgen um 6, den Termin abzusagen um vorher noch meine Angelegenheiten zu ordnen aber dann ging ich doch einfach hin.
Was ich im Bürgerbüro Offenbach erlebte, kann ich gar nicht beschreiben. Ich war zu früh, mein Termin war um 8 Uhr, was auch die Öffnungszeit ist, ich stand aber (mit anderen Personen) schon um 7:50 Uhr vor der Tür. Und da ging die Tür auch schon auf, lauter lächelnde Mitarbeiternde standen dort, wünschten einen guten Morgen und fragten, ob Hilfe notwendig sei. Kurz darauf wurde meine Nummer auch schon aufgerufen und eine junge Frau war meine Ansprechpartnerin.
Ich reichte der jungen Frau relativ wortlos alle Papier zu meinem Anliegen, sie begann zu tippen, hielt irgendwann verwirrt inne und sagte „hm, ich kann da gar nichts abrufen, das ist ja merkwürdig“, schaute dann genauer hin und stellte fest „oh, der Vorgang ist ja schon fast ein Jahr alt, warum kommen Sie denn jetzt erst?“ „Weil ich es nicht hinbekommen habe, ich hab weder den Ablauf durchschaut noch die mentale Kapazität gehabt, ihn herauszufinden“ sagte ich und schilderte meine kleine Odyssee über nicht zuständige Personen, Begriffe, die ich nicht kenne, nicht verfügbare Termine und andere Fallstricke.
Zu meiner Verblüffung rief die junge Frau nicht den Sicherheitsdienst, um mich abzuführen sondern sagte „Ohje, das tut mir furchbar leid, dass Sie so eine schlechte Erfahrung mit uns gemacht haben. Das sollte so natürlich nicht sein. Da müssen wir uns verbessern und klarer kommunizieren!“ Dann tippte sie 20 Minuten lang alles ab, was sie vor einem Jahr noch hätte abrufen können und entschuldigte sich bei mir für die Wartezeit. Und danach riss sie kleine Märkchen von irgendwo ab, klebte sie auf, bearbeitete sie mit einem Rollding, so dass sich eine Art Siegel ergab, es war alles wie bei einer Kinderpost, ich hatte früher ja keine Kinderpost, war zu teuer, aber meine Freundin hatte eine und liebte es, Postbeamtin zu spielen. Vielleicht bestelle ich mir gleich auf Amazon eine Kinderpost, falls es sowas noch gibt.
Fast hätte ich die junge Frau gefragt, ob ich mich unter ihrem Schreibtisch zusammenrollen und für immer dort wohnen darf. Dann fiel mir ein, dass ich später noch Showdown mit dem Vermieter im Büro hatte und es mir daher genügen musste, mich über die erledigte Angelegenheit zu freuen.
So ein Tag war das heute.
Die unverbindliche Contentvorschlagliste fragt heute: „Wie wichtig ist es, als Familie gemeinsam zu essen?“
Das ist überhaupt nicht wichtig. Es ist völlig rotzegal, wer wann und was isst. Für ein gutes Familienleben ist es wichtig, in Kontakt zu sein. Essen ist dabei total egal. Außer, man hat gerade Hunger.
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Heute feierten wir mit Papa N seinen 87. Geburstag. Auf seinen Wunsch hin einem thailändischen Restaurant. Nicht auf seinen Wunsch hin – aber auch nicht dagegen, eher unabgesprochen – luden wir auch seinen Freund Willi ein, mit dem er sich seit 67 Jahren ununterbrochen streitet. Über alles. Früher über Frauen, Alkohol und Autos, heute über Rollatoren und wer noch weniger vom Essen geschafft hat als der andere. Papa N kennt mehrere Willis, wenn er von Willis spricht, muss man immer nachfragen welcher. Dieser Willi wird mit dem Beinamen „der Arsch“ geführt.
Willi war jedenfalls auch da und die beiden Herren stritten sich vortrefflich, umarmten sich zwischendurch, stritten beim Abschied, wer mit dem anrufen dran sei. Willis Sohn, meine Schwester und ich machten hinter ihren Rücken Zeichensprache, das nächste Treffen ist natürlich schon längst abgesprochen.
Am späteren Nachmittag saßen wir zu Hause noch mit einem anderen Freund, nicht ganz so alt und körperlich fit aber leider in einer mittleren Stufe der Demenz und der Nachbarin, hochbetagt. Der Freund und Papa N haben ein Ritual, irgendwann im Gespräch sagt der eine „So ist das Leben“ und der andere antwortet darauf „Man stirbt“ und dann sagt der erste wieder „Doch ihr kennt nicht den Tag noch die Stunde!“ An einem Nachmittag im schnitt 8-10 Mal. Heute verweigerte sich Papa N – aus unbekannten Gründen – diesem Ablauf und antwortete auf „So ist das Leben“ völlig überraschend Dinge wie „Und is doch jut so!“ oder „Darauf ein Bier!“ Als wir mit Kuchen am Küchentisch saßen, war er aber derjenige, der das Ritual begann und es entspann sich folgendes Gespräch:
Papa N: So is dat Leben!
Freund W: Man stirbt!
Papa N: Dat is mir aber ejal, da mach ich mir keinen Kopp drum. Ich bin dann ja wech.
Freund W: Glaubst du nicht, dass dann noch was kommt?
Nachbarin: Na wenn nicht, dann wäre der ganze Glaube ja umsonst!
Papa N: Umsonst ist der eh nicht, wir bezahlen ja Kirchensteuer.
Nachbarin: Also ich glaub schon, dass ich meinen Mann dann nochmal wiedersehe – also außer es ist da ganz voll, dann findet man sich nicht.
Darauf gab es dann noch ein Bier.
Die tägliche Contentvorschlagliste fragt heute: „Welchen Gedanken haben Sie über sich selbst immer wieder obwohl Sie wissen, das er falsch ist?“
Ich habe so einige Gedanken immer wieder, obwohl sich längst gezeigt hat, dass sie falsch sind. Beharrlich sage ich z.B. am Arbeitsplatz immer wieder „Die nächste Woche wird ruhiger“, neulich habe ich nachvollzogen, dass ich das seit 2005 sage. Es ist nie eingetreten.
Das hat natürlich nur mittelbar mit mir zu tun. Über mich selbst habe ich auch einige Annahmen, die sich hartnäckig halten, obwohl sie nicht zutreffen. Bis vor sehr kurzen, also bis zur Pandemie ungefähr, dachte ich, ich sei eine Person, die viel Zeit mit sich allein benötigt, um eine innere Stabilität zu bewahren. Das Gegenteil ist der Fall. Ich brauche permanent andere, um mich an den Begrenzungen, die sie mir bieten, immer wieder neu abzugleichen und auszurichten. Wenn niemand um mich herum ist bin ich nach einer nur mittleren Zeitspanne innerlich komplett orientierungslos. Das war mir bis 2020 wirklich nicht bekannt.
Was ich noch heute immer denke ist, dass ich den nächsten Tag wirklich ganz strukturiert erleben werde. Ich habe abends schon eine Idee, was ich am nächsten Tag frühstücken möchte und packe ein Buch für die Mittagspause ein, ich habe eine kleine Liste an zentralen Tätigkeiten im Kopf und das Bild vor Augen, dass ich den Tag quasi Stunde für Stunde bewusst und kontrolliert erlebe. Jeden Abend denke ich das. Es geschieht nie, absolut nie. Spätestens ab 11 Uhr (wochentags, am Wochenende später) bin ich von irgendwas so mitgerissen, dass ich alles andere vergesse, irgendwann esse ich hastig was und irgendwann denke ich „jetzt muss ich aber WIRKLICH nach Hause gehen“ und dann sitze ich im Sessel und frage mich, was um alles in der Welt das jetzt wieder war. Am Wochenende schlafe ich länger, setze mich dann sofort in den Sessel und überlege mir, was ich schönes machen möchte, fange mit irgendwas an und derselbe Ablauf entspinnt sich, nur zeitverzögert. Jeder einzelne Tag scheint mich nach ca. 4 Stunden Wachzeit aufzusaugen und mitzureißen, ich nehme grob Blöcke von 3 bis 4 Stunden wahr, kleinere Zeitabschnitte eher nicht.
Bei den übrigen Dingen, die ich über mich denke, habe ich noch nicht bemerkt, dass sie fehlerhaft sind.
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Gestern habe ich fast den ganzen Tag geschlafen. Erst Nachtschlaf bis morgens um 10, dann Mittagsschlaf von 13 Uhr bis 15:30 Uhr und dann abends ab 21:30 Uhr wieder. So erwachte ich heute schon vor dem Wecker gegen 6. Die Annahme, der Tag könne ruhig werden zerschlug sich schon um 6: 27 Uhr durch zwei Krankmeldungen.
Als allererstes begegnete ich im Büro aber meinen Playern im großen Stimmungszirkus, den ich letzte Woche veranstaltet hatte, mit vielen Worten, auch erhobenen und Paukenschlägen und so weiter. Heute entschied ich mich für ganz knapp und unterkühlt. Ich bin noch unschlüssig, wie ich am Mittwoch – dem Tag auf den die ganze Aktion hinzielt – vorgehen werde. Bislang dachte ich „ganz ruhig mit scheinbar mühsam unterdrückter unfassbarer Wut“, mittlerweile bin ich eher bei „die entspannteste Gesprächspartnerin der Welt, die nur ganz selten die Erinnerung anklingen lässt was passiert, wenn man ihr blöd kommt“. Ich warte mal morgen noch ab. Und entscheide dann spontan.
Später gab es ein Vorstellungsgespräch. Ich mag ja keine Vorstellungsgespräche, der Besuch ist meist irgendwie eingeschüchtert und ich muss Energie darauf verwenden das einzuhegen, dann ergibt sich mit etwas Glück maximal noch 30 Minuten Zeit für ein sinnvolles Gespräch und am Ende sieht man sich in 50 % (oder mehr) der Fälle nie wieder. Und ich selbst muss in weiten Teilen Dinge sagen, die ich schon zig Mal vorher gesagt habe, nur halt zu anderen Personen. Ich habe diesen Bereich deshalb abgegeben an eine Mitarbeitern, die solche Gespräche mit Elan und sehr gutem Urteilsvermögen betreibt. Heute wollte sie mich aber dabeihaben, es ging um ein Zweitgespräch und als ich fragte, was genau mein Auftrag da jetzt ist sagte sie „Die Kandidatin ist noch ganz jung und hat irgendwie Angst vor uns, du sollst machen, dass sie nicht mehr so viel Angst hat.“
Ja. Haben wir also gemacht. Wir sprachen viel über das Telefonieren, dass es manchmal echt unangenehm ist, ans Telefon zu gehen, wenn man die Anrufenden nicht richtig versteht, wenn es noch eine Fremdsprache ist, die Namen schwierig, alle in Eile und ich erzählte meine Badewannenschlauch-Telefongeschichte: als ich noch recht klein war, also vor der Grundschule, war das Telefon noch was Besonderes bei uns zu Hause, etwas für die Erwachsenen und Telefonieren war auch noch ziemlich teuer, an unserem Telefon stand eine Sanduhr, damit man nicht über die drei (oder fünf?) Minuten kam, die eine „Einheit“ kostete. Ich war halt noch klein und wollte auch immer mal telefonieren, durfte aber nicht und Anrufe kamen für mich sowieso nicht. Für meine älteren Schwestern (sie sind beide deutlich älter als ich) kamen ab und an Anrufe, für mich nie, ich war so neidisch! Irgendwann saß ich mal in der Badewanne und meine älteste Schwester reichte mir den Duschschlauch, sagte „Telefon für dich“, ich hielt mir den Brausenkopf ans Ohr und sie drehte das kalte Wasser auf. So weit, so gut. Das haben wir aber nicht nur einmal so gemacht sondern immer und immer wieder. Und ich wusste: da kann nur wieder das kalte Wasser kommen. Und gleichzeitig war die Hoffnung so groß, dass es eventuell doch mal ein Anruf für mich ist, dass ich immer wieder drauf reingefallen bin. Daran denke ich heute öfters, wenn ich vom Telefon genervt bin und dann freue ich mich über den nächsten Anruf wieder, immerhin kommt kein kaltes Wasser aus dem Hörer.
„Das ist schön, wie du dich immer mal wieder komplett entspannt zum Affen machst, um jemanden zu knacken“, sagte die Mitarbeiterin hinterher. Und ich fragte, warum um alles in der Welt sie denn eine Person einstellen möchte, die so zurückhaltend ist. „Weil wir alle hier sehr ausgeprägte Persönlichkeiten haben und wir brauchen mal ein bisschen Puffer dazwischen“, war die Antwort. Nun gut. Ich hoffe, der Puffer rennt nicht nach kurzer Zeit schreiend weg.
Die Frage in der täglichen Contentvorschlagliste heute lautet: „Können Sie gut Nein sagen und wenn ja, wie haben Sie das gelernt?“
Ich kann genauso gut Nein sagen wie Ja, es kommt halt immer auf den Zusammenhang an. Ich sage gern das, was ich richtig finde. Manchmal finde ich Ja richtig und manchmal Nein.
Die Frage soll vermutlich eigentlich bedeuten, ob ich anderen gut etwas abschlagen, ihre Erwartungen enttäuschen kann. Auch das kommt drauf an, wie ich den Wunsch, die Bitte, die Aufforderung der anderen Person einordne. Wenn es eine Diskrepanz zu meinen eigenen Wünschen gibt. wäge ich ab, ob es im Gesamtkonstrukt der Umstände angemessen ist, entgegenkommend zu sein und ich wäge ab, die die Unzufriedenheit der anderen Person, wenn ich ihren Wunsch nicht erfülle, aufzurechnen ist gegen meine eigene Unzufriedenheit, wenn ich ihn erfülle. Ich bin ungern unzufrieden. Andererseits bin ich gern grundlos nett. So entscheide ich mich dann halt für irgendwas und neige dann nicht zum schlechten Gewissen, ich habe ja vorher abgewogen und mich entschieden, fände ich die Entscheidung nicht gut vertretbar, hätte ich mich ja anders entschieden. Wenn Sie nicht dauernd davon ausgehen, dass andere Personen mehr Anrecht darauf hätten, zufrieden zu sein als Sie oder dass andere Personen Ihre Kapazitäten und Anliegen besser einschätzen könnten, als Sie selbst, dann können Sie einfacher Nein (oder auch Ja) sagen.
(Kommentare)
In den Kommentaren werden mir diese beiden „Sinnsprüche“ angereicht, damit ich mich auslassen kann, warum ich sie hasse.
Sehr gerne.
Carpe Diem! (unbedingt mit Ausrufungszeichen) hört man meist im Frühjahr oder Sommer. Im Herbst oder Winter ist das nicht so angesagt, da ist es offenbar okay, den Tag mal nicht zu nutzen sondern verstreichen zu lassen.
Ich halte schon per se nichts von Aufforderungen an andere, deren Leben wir null beurteilen können. Eigene Ansätze schildern, Impulse geben, Ideen suchen gerne, Aufforderungen JETZT NUTZ DOCH DEN TAG VERDAMMT NOChmAL SCHLAFEN KANNST DU WENN DU TOT BIST ja meine Güte, kommen wir da schon in den Bereich von „Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter“ und was ist dann mit der Nachhaltigkeit? In wessen Sinne soll ich denn was nutzen, was ist nutzen überhaupt?
Wir können uns auf etwas stabileres Terrain retten: „Also, „nutzen“ heißt das zu machen, was du willst, was dir gut tut“. Aha. Schöner Allgemeinplatz, worüber sprechen wir hier, was war jetzt der Anlass, überhaupt irgendeinen Sinnspruch aus der Mottenkiste zu ziehen? Und kann ich auch mal Sachen tun, die mir nicht gut tun, weil sie anderen gut tun? Das tut mir dann natürlich sozusagen gut-by-proxy, weil ich es für richtig halte, auch wenn es mir nicht gut tut, es tut mir ethisch gut, irgendwie scheinen wir uns immer dahin retten zu können, dass am Ende dann doch alles gut ist und sonst, Achtung neuer Spruch, ist es noch nicht das Ende. (Irgendwann halt doch.)
Sagen wir mal einer Person, die sich gerade komplett zwischen Pflege von Angehörigen, Geldsorgen und Job zerreibt „Carpe Diem!“ oder, weniger hoch aufgehängt, jemandem mit akut Magen-Darm.
Ich denke, es reicht, wenn wir es immer noch bis zum nächsten Tag schaffen. Wunderbar, wenn es klappt, Spaß dabei zu haben. „Carpe Diem!“ ist ein Luxus für Leute, die nicht wirklich was zu tun haben.
Der andere ist eigentlich noch schlimmer, weil: noch dümmer. „Hinfallen, Krönchen richten, weitermachen!“ Erst einmal: wieso überhaupt Krönchen? Sprechen wir mit einem Kind im Prinzessinnenglitzerkleid? Was ist da sprachlich los, geht es mit noch etwas mehr Herablassung?
Dann, inhaltlich: was ist, wenn ich lieber was anderes machen will statt weitermachen? Könnte ja sein. Was ist, wenn ich mir echt weh getan habe? Muss ich das ignorieren, weil „ALLES WAS NICHT TÖTET HÄRTET AB!!“? Wird es nicht so sein, wenn ich sage, nee, ich mache jetzt nicht weiter, das war so richtig Scheiße, das brauche ich kein zweites Mal, dass ich einen guten Grund dafür habe und dass ich das vollumfänglich einschätzen kann und mir herablassende Sprüche erspart bleiben sollten?
Auch möglich, dass ich durchaus gerne weitermachen möchte, möglichst ohne weiteres Hinfallen und wenn ich dann wirklich keine absolute Idiotin bin schaue ich mal nach, WARUM ich hingefallen bin. Vielleicht kann ich daran was ändern, also falls ich weitermachen will ohne Hinfallen. Kann natürlich auch sein, dass ich ganz gerne hinfalle und dann ein bisschen liegen bleibe und andere sich um mich kümmern, hat auch einen gewissen Nutzen, kann manchmal angesichts der Gesamtumstände eine kluge Wahl sein. Wie Leute, die sich ein Bein brechen beim ersten Truppenausmarsch in den Krieg und dann leider zurückbleiben müssen, sind hinterher dann auch nicht tot oder die immer wieder sagen neeee ich kann nicht kochen und dann immer die Kartoffeln anbrennen lassen, irgendwann kocht wer anders, ist doch prima.
Krönchen. Meine Güte.
(Kommentare)