Die Klassenlehrerin hat einen Brief in der Postmappe mitgegeben, darin steht: "Liebe Eltern, die Ferienzeit naht und das erste Schuljahr Ihres Kindes neigt sich dem Ende zu."
Hallo?! Hatte das nicht gerade erst angefangen? Stand ich nicht vorhin, bevor ich den Brief ausgehändigt bekam, noch im Kaufhaus und hätte in leichter zeitlicher Verwirrung beinahe eine Schultüte gekauft? Und jetzt soll das Schuljahr zu Ende sein? Wie soll das denn gehen?! Gut, sie liest mittlerweile schneller als die Omas und als neulich die Freundin, die noch im Kindergarten ist, bei uns übernachtete, weckte Mademoiselle mich nächtens um mir mitzuteilen, am nächsten Tag wolle sie wieder mit Schulkindern spielen, weil die Kindergartenfreundin "so langsam denken" würde. Was soll man da sagen, also außer "schlaf weiter" nachts um vier.
Mal von den neuen Verknüpfungen im Gehirn abgesehen, die die Schule ja doch zu bilden scheint, ist dieses neue (ich sage einfach jetzt auch nach einem Jahr noch "neu") Umfeld für mich weiterhin gewöhnungsbedürftig. Zehnfache Kindermenge, zehnfache Pädagogenmenge, zehnfache Pädagogische-Gesprächsereignis-Menge. Allen Ernstes wurde ich heute zu einer "Reflexion des Schulsommerfestes" eingeladen - also: das Sommerfest ist bereits vorbei und sollte dann nachbesprochen werden, hat man sich sicher beim Fußball abgeguckt. Ich hätte, wenn überhaupt, eine Planungssitzung im Vorfeld wichtiger gefunden, aber das ist ja nur der umgedrehte Ansatz denn hinterher ist natürlich irgendwie auch vorher. Trotzdem ist es ein bisschen symptomatisch für den "auswertungsbetonten" Ansatz, der an Schulen oft vorzuherrschen scheint.
Nunja, ich muss mich nicht aufregen, ich verbringe dort täglich etwa zehn Minuten und diese Kontingent wird sicher in den nächsten paar Jahren auf "etwa einmal im Vierteljahr 10 Minuten" zusammenschrumpfen. Wenn die Zeit bis dahin weiter so schnell umgeht, wie das letzte Jahr, dann ist das auszuhalten.
Die Erlebnisdichte von Freitagmittag bis heute hätte gut auch für einen etwas längeren Zeitraum ausgereicht. Jetzt gerne Wochenende. Dankeschön.
Sollten Sie heute auf einem Erdbeerfeld im Rhein-Main-Gebiet unterwegs gewesen sein, haben Sie möglicherweise eine Situation völlig falsch eingeschätzt.
Die Kinder, die auf diesem Erdbeerfeld von drei unfreundlichen Frauen immer wieder mit "Wirst du wohl weggehen?? Komm nicht näher als drei Reihen hier ran! Bist Du schon wieder hier? Husch, geh auf die andere Seite vom Feld!" verscheucht wurden und sich schließlich mit Stöcken duellierten, dann eine Tanz-Gesang-Choreographie vorführten und zuletzt von der Erdbeer-und-Blumenfeldbesitzerin mit frisch geschnittenen Dahlien beschenkt wurden und sich an den verkaufsfertigen Erdbeeren unbeschränkt laben durften, waren keine Vagabunden, die sich dort unbefugt aufhielten. Ganz im Gegenteil gehörten sie sogar zu den ruppigen Frauen dazu. Jedoch handelte es sich um verzogene Großstadtgören, denen es zu anstrengend war, Erdbeeren zum Sofortverzehr von den Sträuchen zu pflücken und die daher immer wieder in die Körbe griffen, die die Damen im Schweiße ihres Angesichts per Feldarbeit füllten. Dafür hatte man kein Verständnis und hatte deshalb ein Näherungsverbot ausgesprochen.
Wie es den Gören genau gelang, die Chefin des Feldes zu den Naturalienspenden zu becircen, kann daher auch nicht überliefert werden.
Irgendwie haben die es drauf.
Tropfnass von einem Sintflutereignis auf dem Heimweg begegneten Mademoiselle, ihre Freundin und ich gestern in der Haustür einer Nachbarin aus der betreuten Wohngemeinschaft in unserem Haus mit ihrer Sozialansprechpartnerin (wie auch immer sowas heißt - die Leute, die gucken kommen, wie der Alltag so läuft und ob man was braucht). Die Nachbarin kenne ich ein bisschen, weil sie sich Weihnachten beklagt hat, sie müsse immer so viele Pakete für mich annehmen und mit der Lösung, die ich ihr anbot (einfach die Annahme abzulehnen) unzufrieden war.
Frau N. und Kinder: Hallo!
Sozialfrau: Ja wollen Sie der Frau W. denn nicht gratulieren?!
Frau N: Was?
Sozialfrau: Die Frau W. hat doch heute Geburtstag. Das wissen Sie nicht?!
Frau N, zur Nachbarin: Wer ist denn die Frau W., sind Sie das?
Sozialfrau: Sie kennen die Frau W. gar nicht?
Frau N: Wenn das Frau W. ist kenne ich sie, nur wusste ich bisher nicht, wie sie heißt. Hallo Frau W. Herzlichen Glückwunsch.
Sozialfrau: Wie lange wohnen Sie denn schon hier?
Frau N: Und wie heißen Sie?
Sozialfrau: G., von der Dingenshilfe, angenehm.
Frau N: Ja, sehr angenehm, und ich bin Frau N. und sehr nass, auf Wiedersehen.
Sozialfrau: Moment, Frau N., wissen Sie, die Frau W. hat es ja schwer gehabt.
Frau N: Mhm.
Sozialfrau: Und die Kontakte im Haus sind uns wichtig. Haben Sie sich denn noch nie gegenseitig besucht?
Frau W: Ich war mal oben.
Frau N: Genau.
Sozialfrau: Ach das war doch sicher nett!
Frau W: Ich hab gesagt dass ich die Pakete nicht mehr annehmen will und dann hat sie gesagt ich soll sie einfach nicht mehr nehmen.
Sozialfrau: Die Pakete? Ja, aber Frau W, warum wollen Sie denn...
Frau N: Das ist kein Problem, es ist völlig ok wenn sie die nicht nimmt.
Sozialfrau: Die Frau W. hat es ja schwer gehabt, das dürfen Sie nicht auf die Goldwaage legen mit den Paketen.
Frau N: Überhaupt kein Problem, kann ich jetzt mal durch?
Sozialfrau: Ja aber es ist doch jetzt in Ihrem Gedächtnis verankert!
Frau N: Was?!
Sozialfrau: Sie verbinden die Frau W. ja jetzt mit dieser Sache mit den Paketen. Das ist bei Ihnen jetzt verknüpft. Das möchten wir so nicht stehenlassen.
Frau N: Für mich und ich glaube auch für Frau W. ist das kein Problem.
Sozialfrau: Wie ist denn Ihr Hintergrund?
Frau N: Was??!
Sozialfrau: Dass Sie meinen, beurteilen zu können, was für die Frau W. problematisch ist. Die Frau W. hat es schwer gehabt. Haben Sie denn eine psychologische Ausbildung?
Frau N: Entschuldigung - wenn Sie von mir irgendetwas möchten, dann müssen Sie meinen Hintergrund so nehmen wie er kommt. Ansonsten hören wir an dieser Stelle gerne einfach auf zu reden.
Sozialfrau: Sie sind wegen der Pakete verärgert, ich verstehe das.
Frau N: Ich bin nicht wegen der Pakete verärgert, aber ich bin nass und unser Gespräch ist absurd.
Sozialfrau:Aber wenn Sie in sich hineinhorchen...
Frau N.: Halt. Ich will nicht mehr mit Ihnen reden. Aus dem Weg.
Sozialfrau (zurückweichend): Also Frau W. - haben Sie das gehört? Das ist ja unglaublich. Da würde ich auch keine Post annehmen für diese Leute!
Heute vor zig Jahren:
Nach der Schule wollen wir mit dem Dope den Ferienbeginn feiern, und zwar im Park. Wir brauchen erstmal ziemlich lange, um eine Stelle zu finden, die wir beide gut finden. Als das geschafft ist und die Raucherei vorüber ist, ruhen wir uns erstmal aus. Dann haben wir Hunger auf Eis und fahren zur Eisdiele, die wir fast nicht finden können. Danach fahren wir in die Stadt und Pe kauft sich ein T-Shirt und dann fahren wir zum See schwimmen.
Stellen Sie sich hier viele bunte Cocktails als Platzhalter fuer den Dialog mit der Sozialarbeiterin der "Betreutes-Wohnen"-Nachbarin vor. Herzlichen Dank.
Heute vor zig Jahren:
Geigenkonzert. Und beim Fechten ist eine Neue die Kim heißt und total nett ist.
Mademoiselle hat sich heute ungefähr zwei Stunden lang mit einem Möbiusband beschäftigt, dass ich gelangweilt zusammengeklebt hatte, weil sie beim Schuhe anziehen so trödelig war. Als sie dann immer noch nicht entdeckt hatte, welche Seite welche ist, wurde sie sehr ungehalten.
Für morgen plant sie, das zu malen, was hinter dem Ende des Universums ist, und hinter dem Ende von dem, was hinter dem Ende des Universums ist, und so weiter. Auf meine geäußerten Bedenken nin sagte sie, wenn man lange genug malt, würde einem schon einfallen, wie das alles genau organisiert ist. So sei das in der Schule auch immer, wenn man eine Aufgabe nicht sofort weiß: man fängt dann einfach erstmal an. Wir dürfen gespannt sein.
Heute vor zig Jahren:
Den ganzen Tag Schwimmen am See.
Heute möchte ich Lernmaterialien in der Erwachsenenbildung anprangern.
Hier, Lernzeuganbieter: Ich bin erwachsen. Wenn ich mich entscheide, irgenwas zu lernen bzw. zu lesen, dann tue ich das, weil ich das, was da steht, wissen will. Sei es aus brennendem Interesse (selten) oder weil ich aus rationalen Gründen die Notwendigkeit dazu sehe, mir dieses Wissen anzueignen. Beides ist Motivation genug und deshalb, das ist der wichtige Punkt, bedarf es keiner zusätzlicher Motivaton von Ihrer Seite durch beknackte Kalauer oder Wortspiele oder "provokante Thesen in Form von rhetorischen Fragen" zu Beginn des Stoffes, bis man dann mal zur Sache kommt. Sparen Sie sich das und ersparen Sie es mir, denn es klappt nicht. Es stört sogar. Statt mich darüber aufzuregen könnte ich jetzt beispielsweise etwas über Personalmarketing lesen, wenn das Buch nicht so blöd angefangen hätte. Konzentrieren Sie sich inhaltlich auf die Sache und in Bezug auf Layout und Rechschreibung verhalten Sie sich am besten unauffällig. Und am Ende keine doofen Wiederholungsfragen bitte. Ich bin in der Lage, zurückzublättern und bezahle nicht für Redundanz.
"Over-Ende-und-Tschö", wie Mademoiselles Freundin am Telefon zu sagen pflegt.
Heute vor zig Jahren:
Es ist wieder KJG-Fete und wieder total langweilig. Deshalb sind wir um 21 Uhr gegangen und haben uns noch ein bisschen auf den Spielplatz vor dem Haus vom Kuli gesetzt. Dann sind wir in die Altstadt gefahren und holten uns eine Pizza und setzten uns an den Rhein und überlegen, dass wir jetzt eine Zeit lang nicht in die Altstadt gehen werden weil wir Angst haben, Illy zu begegnen.
Danach wollten wir bei der Tankstelle vorbeischauen und dann zum HBF fahren. In der U-Bahn trafen wir einen Typen aus Martinique, Bob, den wir schon ein paar Mal in der Bahn getroffen und mit ihm geredet haben. Er fragte uns flüsternd, ob wir Dope kaufen wollten und ich hatte einen Lachanfall weil er mich so an den Typen aus der Sesamstraße, der Buchstaben verkauft, erinnert hat. Er wollte 10 DM pro g und das fanden wir ok. Als er das Geld schon am HBF haben wollte, wurden wir misstrauisch. Wir beschlossen, ihn zu verfolgen, als er das Zeug holen wollte.
Wir rennen also hinterher und sehen, wie er in eine Straßenbahn einsteigt und erwischen gerade noch die letzte Tür. Als er aussteigt, steigen wir auch aus und verfolgen ihn weiter, er geht zu den besetzten Häusern und wir warten an einer Straßenecke. [Kommentar heute für Frau Herzbruch: vor der schönen Amasya!]. Als Bob zurückkommt, sprechen wir ihn an und er ist glaube ich etwas genervt, dass wir ihn verfolgt haben und will uns das Dope auch erst am HBF geben weil ihn da in der Gegend zu viele Leute kennen. Also fahren wir wieder zurück zum HBF und machen die Übergabe. Danach quatschen wir noch ein bisschen und Bob dreht sich eine Tüte und raucht die und ein paar Prolls kommen und fragen, ob er ihnen Koks besorgen könnte aber er sagt, damit will er nichts zu tun haben.
Heute stand ein großes Ereignis im Hause Novemberregen an. Und zwar der Stadtlauf der Kuscheltiere.
Bereits am Mittwoch hatten Mademoiselles Kuscheltiere einen Zettel erhalten, auf dem die Erziehungsberechtigte, Mademoiselle, ankreuzen konnte, ob das jeweilige Tier am Stadtlauf teilnehmen kann und darf. Der Rücklauf ging bis Freitag ein und mit Stolz können wir verkünden, dass sich 30 Tiere mitlaufen wollten. Ich befand mich in der glücklichen Situation als ehrenamtliche Helferin ausgewählt worden zu sein. So wurde also morgens zunächst die Laufstrecke abgesteckt, und zwar fast ganz exakt 1,5 km durch die Wohnung.
Danach war schnell die Aufstellung erledigt und das geeignete Instrument zur Auswertung der Schritte/Schnelligkeit gefunden.
Und dann fiel auch schon der Startschuss. Das Feld zog sich relativ schnell auseinander.
Bei einer Teilnehmerin wurde relativ schnell klar, dass sie außer Konkurrenz lief.
Würde der Spitzenreiter seinen Vorsprung ins Ziel retten können?? Die Spannung war beinahe unerträglich.
Natürlich schafften es alle ins Ziel, wenn auch manch einer mit letzter Kraft.
Die Auswertung nahm mehrere Stunden in Anspruch, derweil waren die Tiere bei der Pasta-Party.
Und am Ende standen die Sieger fest. Für jeden Teilnehmer gab es eine Urkunde und die Läuferin, die außer Konkurrenz angetreten war, wurde besonders geehrt.
Und wie haben Sie den Sonntag verbracht?
Heute vor zig Jahren:
Den ganzen Tag schwimmen am See
Neuerdings schaue ich, wenn ich den Rechner einschalte, immer als erstes was das Vögelchen macht.
Ansonsten sind die Tage geprägt von gutbürgerlichen Dingen wie dem Verschicken von Dankeskarten, Kühlschrankreinigung, Ausprobieren neuer Gebäckarten und dem gepflegten Kaffee auf dem Balkon. Nachmittäglich liest mir das Kind nun aus der Neukirchener Kinder-Bibel (sehr empfehlenswerte Ausgabe übrigens, falls Sie ein Kommunionsgeschenk oder Vergleichbares suchen. Schöne Sprache, schöne Bilder, kindgerecht aber mit Anspruch.) und sogar der Telefonanbieter hat klein beigegeben und mein virtuelles Guthaben erstattet.
Es muss auch solche Zeiten geben. Sonst wird man ja bekloppt.
Heute vor zig Jahren:
Schulfest. Danach gehen wir im See schwimmen.
Ein wenig ernüchternd ist es schon. Man kommt in die Arztpraxis, stellt sich am Empfangsschalter an, zahlt 10 Euro, wird in ein Wartezimmer geschickt. Exakt zum Termin aus dem Wartezimmer rausgeholt und ein paar Gänge entlang und ein Stockwerk hinunter in einen anderen Wartebereich gebracht. Dort nach ein paar Minuten von der Ärztin abgeholt und in ihr Zimmer mitgenommen. Ein paar Minuten Gespräch, dann gibt es ein Post-it auf dem "Zimmer 7" steht, damit soll man zu einem weiteren Empfangstresen. Von dort aus wird man in den Wartebereich von vorher weitergeleitet, nach ein paar Minuten erscheint eine Sprechstundenhilfe und führt in Zimmer 7. Zimmer 7 ist eigentlich eher eine kleine Zelle mit Liege und Ultraschallgerät. Die Ärztin appariert in Zelle 7, vollführt binnen Sekunden alle möglichen Tests an der Schulter und glibbert ein bisschen mit dem Ultraschallgel. Es gibt ein weiters Post-it für den Empfangstresen, man wartet in einem weiteren Wartebereich und wird nach wenigen Minuten von der Ärztin wieder in ihr Zimmer gebeten um dort eine sicherlich kompetente Auskunft zu erhalten, die allerdings genau dasselbe beinhaltet, was man sich auch selbst schon zusammengereimt hatte. Und die Sachen, die auf dem Rezept stehen, hat man auch schon zu Hause. Was ich nicht grundsätzlich beklagen möchte - eine überraschende und sehr seltene schwere Krankheit diagnostiziert zu bekommen, wäre mir selbstverständlich viel unrechter gewesen.
All das in 30 Minuten - straff durchorganisiert, keine Frage. Allerdings hat es ungefähr weitere 30 Minuten gedauert, bis ich nach dem ganzen Hin und Her den Ausgang wiedergefunden hatte.
Heute vor zig Jahren:
Nach dem Geigen sehe ich vor meinem Haus eine sonderbare Gestalt auftauchen, deren Gang mir bekannt vorkommt. Es ist Phil. Ich hätte ihn fast nicht erkannt, weil er keinen Iro mehr hat. Er begrüßt mich und bewundert die Geige. Als er hört, dass ich auch Klavier spiele, meint er, ich solle in seiner Band mitspielen. Er gibt mir seine Telefonnummer damit ich ihn mal wegen der Band anrufe.