Gerade mit meiner Schwester Muttertagsgespräche am Telefon geführt. Meine Schwester ist die Soziale in der Familie und gemeinhin für die Erinnerung an Elternereignisse und die zeitgerechte Beschaffung von Geschenken zuständig. Das hat sich über Jahre so eingependelt und sie erhält dafür von uns anderen Schwestern Anerkennung und Bewunderung.
Nun ist das gegenwärtige Kalenderjahr mit rundem Geburtstag und goldener Hochzeit schon eines der aufreibenderen - ich zum Beispiel komme schon ziemlich durcheinander damit, welches Event nun für wann geplant war. Umso wunderbarer war es, meiner Schwester auf ihre Frage, ob ich mir schon Gedanken zu Muttertag gemacht hätte, nicht nur "ich habe schon was" zu antworten, sondern den Once-in-a-lifetime-Satz, sehr nonchalant vorgetragen:
"Och, ich habe schon was. Ich hab was getöpfert."
Vor Schreck hat sie gleich erstmal aufgelegt.
Heute vor zig Jahren:
Pe ruft Phil an, aber der hat schon was vor. Wir gehen auf den Friedhof am Park und klettern auf Bäume. Danach fahren wir in die Stadt und holen Pizza, mit der Pizza in der Hand treffen wir Illy und diesmal erkennt sie mich und will mir drohen. In dem Moment kommt ein total komischer Typ und will uns 5 Mark geben, damit er unsere Füße küssen kann. Wir nutzen die Verwirrung um abzuhauen. Irgendwann gehen wir nach Hause.
Wir waren heute im Kletterpark. Der Kletterpark ist allerdings neben dem Fußballstadion, und dort war - das wusste ich nicht - ein Spiel. Daraus ergab sich ein unerwartetes Parkplatzproblem.
Auf den ersten sonst immer verfügbaren großen Parkplatz fuhren wir unvorbereitet und wurden vom Parkbeauftragten in orangefarbener Warnweste nach unserer Eintrittskarte gefragt. "Was für eine Eintrittskarte?!" - "Fürs Spiel!" - "Was für ein Spiel?!" - "Junge Frau, fahrense gleich da vorn wieder raus, hier ist heute nur für Fußball."
Auf den zweiten sonst immer verfügbaren großen Parkplatz fuhren wir vorbereitet, wurden vom Oberparkbeauftragten in gelber Warnweste nach unserer Eintrittskarte gefragt. "Wir haben keine, aber wir könnten sagen, dass wir uns gleich da vorn eine kaufen, dann dürften wir hier parken. Zwar möchten wir in Wirklichkeit zum Kletterpark, bitten aber im Angesicht von Logik und Ehrlichkeit darum, unser unwürdiges Gefährt, das jedoch, wie Sie feststellen können, ein fußballerisches Nummernschild und Dekoration trägt, hier abstellen zu dürfen." - (Kurze Pause) - "Junge Frau, fahrense gleich da vorn wieder raus, hier ist heute nur für Fußball".
Auf den dritten sonst immer verfügbaren großen Parkplatz fuhren wir entschlossen und bremsten elegant vor einer Polizistin mit Helm, Schild, Bewaffnung und allem. Fenster runter: "Ah, klasse, Sie sehen so aus als könnten Sie mir helfen! Ich habe hier hinten drin ein Kind, das unbedingt in den Kletterpark muss und wir finden weit und breit keinen Parkplatz. Haben Sie eine Idee?" - "Hm, fahren Sie mal da hinten in die letze Reihe und fragen Sie da."
Vor der letzten Reihe gleich berittene Polizei. "Die Kollegin vorne hat gesagt, wenn Sie nett sind, dürfen wir hier parken". - "Aber sicher doch, immer rein die Damen!".
Ich sah es hinter Mademoiselles glänzenden Augen auf der Rückbank arbeiten. Ich fürchte, dort ist nun abgespeichert, dass Logik von List und Charme ausgestochen wird. Das Kind hat etwas Grundlegendes gelernt.
Heute vor zig Jahren:
Es ist KJG-Fete. Vorher wollen wir noch Wein kaufen aber es gibt keinen Kellergeister. Wir holen einen anderen, aber es gibt auch keinen Strohhalm. Wir trinken ihn vor der KJG. Irgendwann kommen die anderen, aber ohne Ah. Gegen 20:30 gehen wir, weil es so Scheiße ist. Wir fahren in die Altstadt und essen Pizza. Ich will gerade jemanden anschnorren da denke ich, nee, lass, der hat nen Iro. Er kam näher und ich dachte, es wäre Phil. Er war es auch, mit Oh. Wir gehen zusammen zum Rehin und sie holen uns Bier. Wir reden über das Verhör, Ah, Haarefärben und -schneiden und wie wir alle aussehen. später gehen wir in den Hofgarten. Vor dem Hotel da erschrecken sich ein paar Leute voll vor uns und der Oh versucht, sie zu beruhigen und sagt immer "nein, keine Angst, wir tun doch nichts. Wirklich. Hey, wir tun doch nichts!" Sie bringen uns noch nach Hause und sagen, wir sollen wegen Illy aufpassen, dass sie gefährlich ist.
14.4., Steuererklärungstag
13:30 - Beginn der Steuererklärung im weiteren Sinne: Ich bringe das Kind außer Haus.
14:00 - ich kaufe Lebensmittel
14:20 - ich rufe Herrn N. an um mitzuteilen, dass ich gerade die Steuererklärung mache.
14:25 - die Programm-CD habe ich sofort aufgefunden
14:35 - das Lizenzkennwort habe ich fast sofort aufgefunden. Das Programm installiert.
14:36 - das Programm bittet mich um 12 Minuten Geduld, da es 90,82 MB Updates installieren möchte.
14:36:30 - ich öffne Twitter und ein Chatprogramm und teile allen mit, dass ich die Steuererkärung mache.
14:40 - esse ein Kokos-Eis in einer halben (kleinen) Kokosnuss, weil ich ja jetzt die Steuererkärung mache. Werfe dabei einen Blick in die Tüte mit den Belegen. Entschließe mich, lieber abzuwarten, bis das Programm fertig ist. Multitasking ist bekanntlich ungesund.
14:42 - huch, das Programm ist schon fertig, viel füher als vereinbart! Fühle mich unter Druck gesetzt. Erstmal kurz auf den Balkon, nach den Blumen schauen.
14:45 - ich lade die Daten vom Vorjahr. Besser: ich suche die Datei mit den Daten vom Vorjahr. Im Vor-vorjahr war ich so klug, mir die Daten des Vor-vor-vorjahres an sämtliche Mailkonten zu mailen. Ob ich im Vorjahr auch so clever war?
14:46 - ja.
14:47 - Und: ich war nochmal eine Runde besser, denn ich habe sie nicht passwortgeschützt. Letztes Jahr hatte ich nämlich die Datei, aber kein Passwort dazu.
14:48 - das geht bisher erstaunlich glatt. Ich muss darüber eine Weile nachdenken. Erstmal zwischenspeichern.
14:49 - kalte Füße, im direkten Sinne. Kaffee kochen. Auf den Boden legen und an den Fußleisten schnuppern, ob die Wohnung schimmelt.
14:55 - ähm, wie, was, Beiträge ohne Wahlleistungen...?
15:00 - leicht überfordert, vier verschiedene Arten der Kinderbetreuung in der Eingabemaske unterzubringen
15:15 - Fahrtkostengedöns
15:23 - Ahhhh ich habe die Hausabrechnung 2011 noch nicht, jammerjammer...
15:30 - Ich brauche einen Taschenrechner
15:31 - Ich brauche einen Textmarker
15:32 - Wieso hat mir niemand den Kaffee gebracht? War Herr N. nicht eben hier? Ich mache doch Steuererkärung!!
15:33 - Kaffee geholt, Textmarker vergessen. Textmarker geholt, Taschenrechner vergessen. Taschenrechner geholt. An den Fußleisten geschnuppert. Weiter.
15:44 - was, Unterlagen von 2010? Wolln die mich, dingens?
15:59 - jetzt Versicherungen
16:03 - jetzt Spenden
16:12 - Hinweis des Programms: "Tricks, mit denen Sie sofort Steuern sparen können: Heimunterbringung von Angehörigen". Denke scharf nach, wer dafür in Frage käme.
16:20 - Heimunterbringung verworfen. Zu erwartende Rückzahlung ist auch so im üppigen Bereich. Fertig.
16:24 - Ahh!! Speichern!!!!! (Herzkasper)
16:25 - Fertig.
14.4.
Heute vor zig Jahren:
Der Vertrauenslehrer will uns ein Gespräch aufzwingen weil wir früher von der Schule wegmüssen wegen der Vorladung. Ist ganz witzig. Sie wollen alles mögliche wissen, wer die Idee hatte, wer angefangen hat, aber wir haben das ja gar nicht mitbekommen. Scheinen sie nicht glauben zu können. In der Altstadt treffen wir schon wieder Illy, sie hat aber immer noch nichts gerafft.
Mademoiselle und ich hatten heute den einzigen Tag der Osterferien gemeinsam frei und wollten eigentlich morgens in die Bücherei gehen, danach mit einem Mietauto diverse Altkleidersäcke in einen Kleiderladen der Diakonie bringen und dann mit demselben Auto in den Kletterpark fahren und dort ein paar Stunden klettern. Das war jedenfalls gestern Abend der Plan.
Heute morgen war der neue Plan von Mademoiselle, auf jeden Fall den gesamten Tag im Nachthemd zu verbringen. Damit fiel Kletterpark definitiv aus, und da sie nicht auf Bücherei und ich nicht auf Altkleidersäcke bestand, blieben wir einfach ganz zu Hause.
So gab es auch für mich zunächst keinen Grund, mich anzuziehen. Es wundert mich sowieso, dass Pyjamas sich im Laufe der Zeit nicht als Alltagsbekleidung durchgesetzt haben. Sind Jeans in der Bequemlichkeit mit Pyjama zu vergleichen? Nicht wirklich. Am frühen Nachmittag hatte ich allerdings eine Telefonkonferenz und stellte für mich fest, dass ich unbedingt zu diesem Zeitpunkt geduscht und angekleidet sein muss. Vorher überlegte ich, ob es wohl albern ist, sich für eine Telefonkonferenz frisch zu machen. Aber es ist ja alles Psychologie. Es war absehbar, dass das Gespräch keines der einvernehmlichen und wohlwollenden Sorte ist, den Sprachnachteil habe ich zusätzlich sowieso schon immer (wobei man, wenn man Zeit gewinnen will, immer gut vortäuschen kann, man habe nicht verstanden und bräuchen eine Wiederholung des Gesagten in anderen Worten), da wollte ich mir nicht zusätzlich mitten in der schönsten Auseinandersetzung eines Körperpflegenachtieils bewusst werden. Im Nachhinein was es auch eine gute Entscheidung.
Nach dem Gespräch habe ich mich sofort wieder zurück-umgezogen. Eine Coaching-Person hat mir mal erklärt, man solle für sich eine symbolische Handlung durchführen, um nach der Arbeitszeit das Büro mental ad acta zu legen. Vorgeschlagen wurde, sich mit den Händen vom Kopf den Körper hinabzustreichen und dann irgendwie so Richtung Boden zu schieben, so als ob man das Büro "abstreift", wie einen Sack, der einem vorher über dem Kopf zugebunden war (das mit dem Sack wurde so nicht gesagt, das ist von mir). Und ich ziehe mich gleich total und in echt um. Die Coaching-Dame wäre sicher stolz auf mich.
Heute vor zig Jahren:
Ich habe einen neuen Nachhilfeschüler, der voll schwer von Begriff ist. Und jetzt zweimal pro Woche Fechten, einmal Florett, einmal Degen. Ah ruft an und wir reden über das Verhör morgen.
Ich habe derzeit eine Religionsphase. Keine religiöse Phase, wohlgemerkt. Eine Religionsphase. Man hat ja immer Phasen, alle sagen immer, Kinder hätten Phasen, in Wirklichkeit haben Erwachsene die auch. Ich zumindest.
Im Büro zum Beispiel. Da habe ich mal ungefähr ein halbes Jahr lang ständig Leute gehabt, die aus irgendwelchen Nicht-Standard-Ländern mit irgendwelchen Nicht-Standard-Nationalitäten einreisen möchten, um Nicht-Standard-Tätigkeiten zu verrichten, und ich habe ununterbrochen von morgens bis abends (außer, dass ich ja nur bis mittags arbeite) alles mit Aufenthaltstiteln gemacht. Dann war ich Aufenthaltstitelprofi und prompt brauchten natürlich niemand mehr einen, es kamen nur noch Schengen-Europäer. Dafür war dann die Komische-Lebensereignisse-Phase, also nicht bei mir, bei anderen, wo man sich dann überlegen muss, wie man auf die komischen Lebensereignisse von Mitarbeitern reagiert. Dann kamen abgefahrene Sachen mit Steuer. Hatte ich je in meinem Leben irgendwas mit Steuern zu tun? Nein. Dann plötzlich: oh ja, Steuern und sonst nichts! Alles eine Phase.
Aber ich wollte ja von meiner Religionsphase erzählen. Die Ostersache war das eine, gestern war die Pfarrerin abends zu Besuch und zwischendrin wurde ich auf der Straße von zwei Radfahrern angesprochen und nach Kirchen befragt, sehr im Detail, weil man wohl rein optisch annahm, ich hätte Ahnung. Hatte ich ja auch. Das deutet alles auf einen neuen Lauf, diesmal eben im Bereich Religion, hin. So etwas muss man ausleben, ich kaufe mir daher jetzt bald, vielleicht sogar gleich, eine Bibel für die S-Bahn. Die wollte ich immer schonmal ganz lesen, bin aber bei früheren Versuchen immer schon an den Völkertafeln gescheitert. Heutzutage habe ich zum Glück jeglichen Perfektionismus abgelegt und würde diese Passage einfach überspringen, bis wieder Interessanteres kommt.
Nur eine Frage ist noch offen: Besorge ich mir einen dezenten Schutzumschlag, oder lasse ich die S-Bahn-Gespräche, denen ich sonst natürlich begegnen würde, einfach auf mich zukommen?
Heute vor zig Jahren:
Ah ruft an, er kann doch nicht. Pe und ich machen den ganzen Nachmittag Hausaufgaben.
Über diese Wasser-Boden-Parkett-Versicherungssache lernt man so beiläufig dann doch mehr, als man jemals wissen wollte. Eigentlich war ja mein Plan, das Ganze Szenario völlig erkenntnislos an mir vorbeigehen zu lassen. Das üben wir noch.
Der Kopf schaltet dafür neuerdings von selbst immer mal ganz unvermittelt auf "Tilt". Kennen Sie sicher: man findet sich plötzlich irgendwo wieder wo man tatsächlich hinwollte, das ist gut, jedoch keinerlei Erinnerung hat, wie man dorthin gekommen ist, was irritierend ist. Oder man sitzt irgendwo und schaut aus dem Fenster und dann ist eine Stunde um. Oder man steht im Büro des Oberchefs, der sehr deutlich sagt, dass er nur Zeit für eine einzige Frage hat, wenn überhaupt, und Sie fragen - wieso wird für immer unklar bleiben - wie es ihm geht. Und er antwortet sehr ausführlich und dann ist dann ist die Audienz beendet und Sie stehen im Gang und fragen sich, wie jemand so sein kann, im einen Moment ganz da und komplett offen und im nächsten Moment knallhart raus und Tür zu bitte.
Wie kam ich hierher? Achja, der Kopf. Vielleicht ist das ja auch gut. Immerhin saß ich heute im Kindergarten 1,5 Stunden neben der Dame, die mir damals vorwarf, zu wenig um den heißen Brei zu tanzen, auf der Heizung. Und hinterher sagte sie erfreut, sie habe mich noch nie so entspannt erlebt.
Heute vor zig Jahren:
Klavierunterricht. Ich färbe nochmal die Haare. Sie sind jetzt hellgelb. Ah ruft an, wir wollen uns am Mittwoch noch wegen der Vorladung treffen. Pe und ich rasieren und hinten die Haare ab und üben Tollen zu machen. Pe2 ist wieder da, sie war bei Hühnchen.
Dass ausgerechnet jetzt der Zeitpunkt naht, zu dem man definitiv über die Steuererklärung nachdenken sollte, finde ich äußerst unpassend. Wo ich mich doch gerade mit Petrus, meinen Schulungsunterlagen, dem Wasserschaden und dem Leben an sich hervorragend zu beschäftigen weiß.
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Das Kind kann es übrigens nicht lassen, über das kaputte Parkett zu laufen. Die Küche ist groß und es gibt zwei Hauptlaufwege, die man wählen kann. Das Kind wählt immer den, der über den kaputten Bereich führt. Heute habe ich deshalb die nach oben stehenden Schicht entfernt. Hat aber auch nicht geholfen, jetzt läuft das Kind über die Senke.
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Einen Abnehmer für die 12 Säcke und 2 Kisten Altkleider gefunden. Nun ist nur noch die logistische Frage zu klären, wie die Sachen dorthin kommen sollen.
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Immerhin ist das Büro derzeit eine Oase der Entspannung...
Heute vor zig Jahren:
Pe2 ist von zu Hause abgehauen. Wir suchen sie in der Stadt, finden sie aber nicht. Ich versuche, Ah anzurufen aber der ist nie da.
Heute ein Durchhänger. Dagegen hat auch Schwimmbad und alkoholfreie Cocktails mit Kind und Besuchskind nicht geholfen.
Heute vor zig Jahren:
Wieder Schule und Geigen und Fechten. Ich kaufe mir eine Baseball-Jacke.
Anruf 1, der Nachbar:
Nachbar: Halloooo, hier ist der R. von unten. Sag mal, seid Ihr zu Hause?
Frau N: Wir sind noch auf der Autobahn - so in zwei Stunden sind wir da, wieso?
Nachbar: Also, bei uns tropft es so ein bisschen aus der Decke. Im Bad. Ist aber nicht viel. Nur so in die Lampe rein.
Frau N: ???
Nachbar: Also ich denke das reicht, wenn ihr in zwei Stunden da seid, wenn ihr dann mal schaut...
Frau N: Ähm, also wenn es Dir nichts ausmacht, könntest Du mal hochgehen und gucken? Wir sind nämlich schon seit Freitag weg.
Nachbar: Ja, klar - ja, haste eigentlich recht. Ich schau mal.
Anruf 2, der Nachbar:
Nachbar: Also - wir sind jetzt gerade bei Euch, ähm, also - wir wischen da jetzt mal auf. Da ist sozusagen das Bad geflutet. Naja, und die Küche. Und das Parkett ist hochgekommen. Wir wischen das jetzt mal trocken und dann können wir ja mal schauen, wenn ihr kommt.
Anruf 3, der Nachbar:
Nachbar: Ja... die Frau W. von oben ist jetzt auch da. Wir haben jetzt gerade den Notdienst gerufen, denn jedes Mal, wenn die Frau W. irgendwie Wasser benutzt, oder auch die drüber, oder eigentlich auch die drunter - also wenn irgendwer im Haus Wasser benutzt, dann kommt das bei Euch in der Küche oder im Bad im Waschbecken hoch. Und die Waschbecken sind ja schon übergelaufen, da läuft es dann raus. Oder aus der Waschmaschine. Oder aus der Spülmaschine. Also eigentlich überall raus. Also, wir machen das mal, mit dem Notdienst. Ich rufe wieder an, wenn die fertig sind.
Zu Anruf 4 kam es nicht mehr, da waren wir nämlich schon da und der Notdienst gerade erst fertig, weil es wohl etwas schwieriger war. Und auch eigentlich noch nicht fertig ist, aber jetzt erstmal geht.
Das Gute: Küche und Bad sind jetzt hervorragend geputzt. Das Schlechte: das Parkett steht kreuz und quer und der gesamte Bereich schwappt "unterirdisch", wenn man darauf läuft.
Ich bin recht entspannt, denn dass ich das selbst repariere, steht ja völlig außer Frage. Das wird irgendwer anders machen, und bezahlen wird es auch irgendwer anders. Man muss es also nur in die Wege leiten, das ist ein bisschen wie im Büro.
Trotzdem, wenn heute noch einer "Na, so eine Osterüberraschung!" sagt, muss ich leider hauen.
Heute vor zig Jahren:
Wir gehen in die Stadt und setzen uns auf den Boden um nachzudenken und kriegen wieder Geld vor die Füße geworfen. Dreist. Nicht viel los.
Heute der Service-Post für alle, die das mit Ostern mal etwas genauer als "Kreuzigung - Auferstehung" wissen möchten, aber in Religion nicht aufgepasst haben.
Also, erste Sache: Palmsonntag. Palmsonntag ist der Beginn der Karwoche, das war also letztes Wochenende. Die Karwoche heißt so, weil "kara" althochdeutsch für "Kummer" ist. Am Palmsonntag ging Jesus nach Jerusalem, und zwar auf einem Reittier (meist: Esel), den er beschlagnahmen lassen hatte. Als er in die Stadt kam, warfen die Leute grüne Zweige und Kleidung auf den Weg, damit er weicher ritt. Daher: Palmsonntag.
Fun Fact: Das Lied "Tochter Zion", das wir an Weihnachten singen , beschreibt den Einzug nach Jerusalem und ist somit eigentlich ein Palmsonntagslied. Falls Ihnen also im Frühjahr einmal weihnachtlich zumute ist, singen Sie "Tochter Zion", und wenn Sie jemand schräg anspricht, können Sie klugscheißen.
Montag bis Mittwoch: In Jerusalem macht Jesus ziemlich Krawall. Er schmeißt Geldwechsler und Händler aus dem Tempel, diskutiert mit den Hohepriestern und lässt einen Baum verdorren, weil da gerde kein Obst dran ist, das er essen möchte. Oberhohepriester Kaiphos is not amused.
Gründonnerstag - genaue Etymologie des Wortes unklar, es hat vermutlich etwas mit Erneuerung, Absolution, Symbolik der Farbe Grün in der Liturgie zu tun, in anderen Sprachen heißt der Tag meist nichts mit "grün" - spitzt sich die Situation zu. Einer der Jünger (Judas Iskariot) und die Hohepriester kommen zu einer Vereinbarung - von welcher Seite dies ausgeht, ist unterschiedlich überliefert. Jedenfalls soll Judas 30 Silberlinge und die Hohepriester sollen Jesus bekommen. Am Gründonnerstag fand das letzte Abendmahl statt, an diesem Tag war Passah-Fest in Jerusalem: die Jünger saßen zusammen und Jesus erzählte ihnen, was geschehen würde - Verrat, Leugnung, Kreuzigung, Auferstehung. Das kann sich keiner vorstellen und alle beteuern, sie würden immer zu ihm zu stehen. Besonders vollmundig dabei: Simon Petrus, der umgehend die Retourkutsche erhält, dass er Jesus dreimal verleugnen wird, noch ehe der Hahn kräht.
Jesus geht sich dann ein wenig sammeln und mit Gott Zwiesprache halten, und zwar im Garten Gethsemane. Aus diesem Zwiegespräch stammt das Zitat Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Ein paar Jünger hat Jesus mitgenommen, sie sollen wachen, schlafen aber immer wieder ein, und Jesus sagt hier, möglicherweise genervt, Nunja, der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Dann kommt aber auch schon Judas Iskariot mit einer Gruppe bewaffneter Leute und verrät Jesus durch den Kuss, daher: Judaskuss. Jesus wird also festgenommen und die Jünger, surprise, surprise, rennen mehrheitlich weg. Simon Petrus, das muss man ihm zugute halten, folgt der Truppe und schleicht sich sogar in das Gebäude, in dem Jesus befragt wird. Dort wird er jedoch von verschiedenen Leuten als ein Jünger erkannt und darauf angesprochen. Dreimal leugnet Petrus, Jesus zu kennen. Dann kräht der Hahn und Petrus schämt sich mächtig. Und er ist nicht der einzige - auch Judas Iskariot hat sich das mit dem Verrat nochmal überlegt und fühlt sich schlecht. Er geht zum Tempel und gibt das Geld zurück, den Priestern ist das aber alles herzlich egal und Judas erhängt sich. Armer Kerl.
Karfreitag. Jesus wird vor Pontius Pilatus (Römer, Statthalter) geführt. Auch Pontius Pilatus ist ein armer Kerl - er ist ja eigentlich Besatzung und möchte sich in die religiösen Befindlchkeiten dieser Hohepriester gar nicht so sehr einmischen. Die Hohepriester hingegen ziehen sich schön aus der Affaire, sagen, dass Pilatus eben verantwortlich sei und stacheln dann das Volk auf. Pilatus' Frau hackt auch noch auf dem armen Statthalter herum, sie hat nämlich schlecht geträumt in Zusammenhang mit diesem Jesus und hätte lieber, wenn Pontius sich aus dieser Angelegenheit heraushielte. Im Lukasevangelium versucht Pilatus, die Angelegenheit an König Herodes zu eskalieren, der gerade vor Ort ist. Der will sich aber auch die Finger nicht schmutzig machen und schickt Jesus wieder zurück. Daher die Wendung Von Pontius zu Pilatus laufen. Mittlerweile ist auch Eile geboten, am nächsten Tag ist nämlich Sabbat und da muss eine eventuelle Kreuzigung erledigt sein. Pilatus verurteilt Jesus also, wenn auch recht angefressen: Er wäscht sich vor dem Volk die Hände und sagt, hier, eure Entscheidung, ich wasche meine Hände in Unschuld.
Sowieso hat er aber noch ein As im Ärmel. Und zwar wird immer am Passah-Fest ein Verurteilter freigelassen. Das könnte doch Jesus sein, findet Pilatus. Findet das Volk aber nicht, denn die sind aufgewiegelt von den Hohepriestern und lassen sich einen schnöden Verbrecher (Barrabas) freigeben. Also Jesus ans Kreuz.
Die Kreuzigung kennen Sie ja sicher. Interessant sind hier die (vor)letzten Worte Jesu (bei Matthäus und Markus), nämlich der Ausruf "Eli, Eli, lama asabtani!", in etwa: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Kann ich gut verstehen. Die Bibelforschung aber nicht, es liegt hier möglicherweise eine Übersetzungsproblematik vor und in Wirklichkeit ist alles ganz anders, Jesus denkt natürlich nicht, Gott hätte ihn verlassen, sondern es müsste irgendwie so wie "Mein Gott, dafür hast Du mich aufgespart!" heißen. Naja. Mir ist der Jesus, der im letzten Moment arge Bedenken bekommt, emotional näher. Jedoch bin ich weder gläubig noch kann ich Aramäisch. Nur bei Lukas übrigens sagt Jesus das bekannte Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
Jetzt findet nochmal einer der Jünger seine Integrität überraschend wieder und bittet darum, den Leichnam mitnehmen zu dürfen. Er darf und hat zufällig auch ein schönes Grab zur Verfügung, dort kommt Jesus hinein. Josef heißt dieser Jünger. In manchen Evangelien kommt dann noch was mit Einbalsamierung, das Grab wird verschlossen, fertig.
Wir essen am Karfreitag Fisch, weil das ein Symbol des Christentums ist. Was die Jünger abends taten, konnte ich nicht finden. Aber wenn man mal nachdenkt: alle zusammen gerade ihre Lebensrealität verleugnet, Jesus gekreuzigt, Judas Selbstmord, Petrus am Ende mit den Nerven - ich könnte mir vorstellen, dass sie keinen Appetit hatten.
Karsamstag. Da passierte nichts, da war Sabbat.
Ostersonntag. Der ist immer der Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, also immer frühstens am 22.3. und spätestens am 25.4.
Am Ostersonntag geschah am und um das Grab je nach Evangelium etwas leicht unterschiedliches. Insgesamt kann man aber sagen, dass Frauen am Grab waren und auf Engel trafen und dass später Jesus Frauen und/oder Jüngern erschien, die Frauen immer gläubig reagierten, aber ihre Kunde für Geschwätz gehalten wurde, die Jünger eher nichts begriffen, bis - in allen vier Varianten - Jesus ihnen dann beim Abendessen erschien. Nebenbei: im Johannesevangelium hält Maria Magdalena Jesus am Grab zunächst für einen Gärtner, das finde ich charmant.
So. Ostern fertig. Bei Johannes kommt noch der ungläubige Thomas und der See Tiberias. Bei anderen ein bisschen Erscheinung und Verbreitung des Glaubens. Und dann eben die Himmelfahrt. Das ist aber ja erst im Mai. Damit enden die Evangelien.
Heute vor zig Jahren:
Wir gehen wieder mit schwarzen Klamotten in die Sadt und treffen Ah, Kuli und den S. aus unserer Klasse und den R. aus der Parallelklasse. Es ist ein Lacherfolg: der Ah ist jetzt Skin. Das macht uns ziemlich fertig. Er schleust uns in eine Wave-Disco ein uns wir treffen da einen Mann von Jamaica. Viel ist nicht los. Wir diskutieren die meiste Zeit über und mit Ah und was das soll und wie man so bescheuert sein kann. Wir schlafen bei Pe und steigen nachts aus dem Kellerfenster, holen an der Tankstelle Eis und gehen auf den Minigolfplatz. Es ist der vorletzte Ferientag. Es gäbe noch so viel zu klären, aber die Zeit ist zu kurz.