Als ich gerade 15 war, war ich mal in Schottland in einem indischen Restaurant. Nach dem Essen fragte der Kellner, ob jemand Kaffee möge. Kaffee trinke ich ja erst, seit ich ein Kind habe, also wollte ich keinen. Weil mir aber usselig kalt und müde und überhaupt war konsultierte ich kurz die Karte und befand, dass ich Tee wünschte.
Den genauen Gesprächsablauf kann ich heute natürlich nicht mehr wiedergeben, ich muss aber wohl so etwas wie "Tea, please" gesagt haben. Und ich weiß noch sehr genau, dass der Kellner "Indian Tea?" erwiderte, und dass mir viele Gedanken durch den Kopf schossen. Ich meine - was sonst für Tee, English Breakfast Tea ist doch auch nicht Englisch, oder? Und ob Indien, Sri Lanka oder was-weiß-ich war ja auch egal, Tee eben, manno. Dies zu verbalisieren fehlte mir damals aber die Sprachkompetenz oder eventuell auch eher das Vertrauen in selbige. so dass ich wohl nur "yes, please" sagte. Der Kellner lachte dann, das weiß ich noch genau. Er ging zu einem Kollegen, tuschelte mit ihm und zeigte auf mich. Ich glaubte, den Begriff "Indian Tea" herauszuhören. Beide verschwanden in der Küche, schallendes Gelächter erklang. Der Kellnerkollege kam aus der Küche, fragte nach ob ich diejenige sei, die indischen Tee wolle, kicherte und verschwand wieder. Wenig später wurde mir von zwei Kellnern unter viel Hihi eine Tasse stinknormaler schwarzer Tee serviert.
All das habe ich erfolgreich unter unbegreifliche aber gefühlt hochpeinliche Pubertätserlebnisse abgelegt vedrängt. Bis gestern.
Gestern waren Mademoiselle und ich bei ihrer allerbesten Ex-Kindergartenfreundin zu Besuch. Die Konversation dort verläuft immer etwas verwirrend - die Kinder sprechen Deutsch mit ihrer Mutter und Englisch mit mir, die Mutter Urdu mit den Kindern, die Kinder untereinander zwei Phantasiesprachen (eine für die Jungs, eine für die Mädels), der Vater Englisch mit den Kindern und Deutsch mit der Mutter und Urdu mit mir (oder war es umgekehrt??) und ich sage meistens gar nichts, weil ich linguistisch überfordert bin. Ist auch so laut genug.
Jedenfalls fragte die Mutter, als ich eintraf, ob ich Kaffee möge, "or maybe tea?". Tee fand ich gut. "Gerne Tee", sagte ich also. Und die Mutter erwiderte "Pakistani tea??" und kicherte. Ich war sofort wieder 15 - naja, nicht ganz, die Sprachhemmung war zwar dieselbe aber ich habe mit den Jahren an Hartnäckigkeit gewonnen und fragte daher nach, ob das ungewöhnlich sei. Ich erhielt aber keine Antwort sondern zugegebenerweise kompetente Ablenkung in Form eines orangefarbenen Reisgerichts, das es an "special days" gibt, mit Mandeln, Nüssen, Pistazien und etwas, dessen Namen ich mir mehrmals vorsprechen lassen musste und am Ende so ähnlich wie "Zerda" artikulierte, was völlig falsch war und alle zu brüllendem Gelächter animierte, inklusive Mademoiselle, denn Zerda ist ein weiteres Kindergartenkind und daher natürlich nicht in der Speise enthalten und Mademoiselle kann sowieso viel besser Urdu als ich (was nicht schwer ist). Als ich gerade fragen wollte, was für ein special day denn nun überhaupt sei, hieß es - mit viel Kichern - "here, your Pakistani tea!", und mir wurde eine Tasse mit wirklich ganz normalem schwarzen Tee gereicht. Durch eine schnelle Folge unvorhergesehener Ereignisse derart, wie sie meist dann eintreten, wenn mehrere Kinder anwesend sind und die Erwachsenen sich gerade in Ruhe ein Heißgetränk zuführen möchten, wurden weitere Rückfragen von meiner Seite verhindert.
Eigentlich wollte ich das heute alles aufklären, sowohl das mit dem special day als auch die Sache mit dem Tee, die mich ja nun schon einige Jahrzehnte verfolgt. Die heutige Verabredung wurde aber leider kurzfristig abgesagt.