Was für eine merkwürdige Idee es doch ist, an einem 11. Dezember wieder mit dem Laufen anzufangen!
Die letzten zweieinhalb Jahre hat mich nichts, aber auch gar nichts zum Laufen getrieben. Es erschien mir absurd, jemals Spaß daran gefunden zu haben. Und dann wache ich mit diesem fixen Gedanken im Kopf auf, es juckt in den Füßen.
So trabe ich Richtung Park. Schiefergrau ist der Himmel und es ist doch tatsächlich noch richtig schön kalt geworden. Der Weg im Park ist trotzdem vermatscht, was mich nicht stört, denn ich hätte nicht gedacht, dass ich überhaupt - laufend - so weit komme. Fand meine letzte Laufrunde doch vor einer längeren Babypause statt. Der Matsch wäre schon fast ein Grund, doch lieber ins Schritttempo zu wechseln, hätte ich nicht genau dort, auf dem schlammigen Weg, meinen Rhythmus wieder gefunden. Tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp. Hypnotisch.
Tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp. Die Gedanken fließen. Erinnerung an die Schulzeit, an endlose Strafrunden auf dem Sportplatz, immer mit der besten Freundin und immer mit Jeans und Docs. Dabei nie einen Rhythmus gefunden, schon gar nicht meinen.
Tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp. Erinnerung an eine Wette, einige Jahre später. Eine Runde um den Maschsee in Hannover. Das tat weh am nächsten Tag. Wette gewonnen - worum es überhaupt ging, verrät die Erinnerung nicht mehr.
Tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp. Erinnerung an den ersten wirklich freiwilligen Lauf, wieder einige Jahre später. Wie komisch ich mir in den Sportklamotten vorkam. Die Laufschuhe erschienen so riesenhaft. Bei jedem Entgegenkommenden hätte ich mich am liebsten in den Büschen versteckt, so blöd kam ich mir darin vor.
Tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp. Erinnerung an Silvesterläufe um die Obernau-Talsperre, 10 Kilometer restlos vereist, schäbige kalte Pensionszimmer, Würstchen und Tombola und mit dem Auto in die Dämmerung, nochmal quer durch Deutschland zu irgendeiner Silvesterparty, mit müden Beinen aber einem guten Gefühl.
Tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp. Erinnerung an Bern, selten einen Streckenabschnitt so sehr verflucht wie den Aargauer Stalden. Zelten und endlose, immer wiederkehrende Diskussionen, welcher Kilometer auf welcher Strecke der schwierigste ist Der 34. beim Marathon? Der 7. bei 10 Kilometern? Immer der dritte, wenn die Euphorie verfliegt aber die Muskeln noch nicht richtig warm sind? Immer der letzte? Bis einer die Diskussion für immer beendet mit den Worten: "Am schwierigsten sind die ersten 20 Zentimeter. Das sind die, wo man den Hintern von der Couch hebt."
Tsapp tsapp tsapp tsapp tsapp. Die Kondition fehlt, um weiter im Rhythmus zu bleiben. Die Gedanken brechen ab. Der Rückweg ist eher zäh.
Trotzdem, die ersten 20 Zentimeter waren die schwierigsten.