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    Samstag, 11. November 2006
    "Ich kann nicht kochen"

    "Ich kann nicht kochen" ist einer der albernsten Sätze der Welt, und er begegnet mir leider ständig. Könnte mir ja egal sein, ist es aber nicht, denn er wird meist mit einer Koketterie vorgetragen, die zu implizieren scheint, dass am Kochen irgendwas ehrenrühriges ist, Heimchen-am-Herd Klischee oder Biolek-Geschlürfe und -Gelaber oder was weiß ich, jedenfalls hat kann der moderne hippe Mensch von heute nicht kochen, wozu auch, ist ja genug Geld da um Essen zu gehen oder was Kommen zu lassen, kochen ist uncool.

    An dieser Stelle mag sich erstmal jeder beliebige Gründe denken, warum ich mich darüber so ereifern kann, könnte mir ja eigentlich egal sein, ist es aber nicht. Man mag Vermutungen anstellen über geringes Selbstbewusstsein oder die Angst, in genau jenes Klischee zu fallen, oder der Wunsch, mir ein eigenes zu schaffen zwecks besserer Ordnung der Welt, oder mir ist der letzte Auflauf angebrannt oder was auch immer, ist aber alles nicht der Fall, ist auch egal, ich reg mich auch wann ich will und darum geht es hier auch nicht, es geht um die, die "nicht kochen können", so, das wäre geklärt.

    Heute war eine Freundin bei mir, die immer viel zu tun hat, viel unterwegs ist, und da gerade Mittagszeit war schaute man mal in die Gemüsekiste und beschloss, den dort aufzufindenden Kürbis zu Suppe zu verarbeiten, während wir in der Küche bei einem Gläschen Wein weiterschwatzten und ich halt nebenher den Kürbis zerstückelte und die Zwiebelchen in etwas Butter anschwitzte und ein paar Kartoffeln Rosara schälte und würfelte (das ist eine Allround-Kartoffel mit hübscher rötlicher Schale, aber das muss man nicht wissen, um zu kochen, hauptsache man erkennt eine Kartoffel an sich und das gelingt, meine ich, sogar noch den meisten Assistant Key Account Managern in pleitelnden Internetagenturen, ansonsten macht man halt Nudeln oder Reis). Da sagte meine Freundin mitten im Gespräch, das sich gar nicht ums Kochen drehte "Ach wie du das machst, so mit dem Kürbis und den Kartoffeln.. ich kann ja gar nicht kochen" und blickte leicht lächelnd aus dem Fenster. "Magst du keinen Kürbis?" fragte ich und ihre Antwort war: "Der ist doch gerade wieder ziemlich in", worauf ich den Kürbis in den Topf schmiss, mich umdrehte und sagte, "es ist absoluter Schwachsinn zu sagen, dass du nicht kochen kannst - sag von mir aus, dass du Kochen blöd findest, dass Du keine Lust hast, zu kochen, aber sag nicht dass du nicht kochen kannst". Während die Kartoffeln im Topf verschwanden bemerkte sie leicht alarmiert, das mit dem Kochen, das könnte sie wirklich nicht, ihr würde sogar das Teewasser anbrennen, haha.

    "HAHA!" wiederholte ich. Und als ich dann da stand und mit dem Suppenlöffel, von dem Gemüsebrühe aufs Parkett tropfte, auf sie deutete und erwiderte, sie solle können und wollen nicht verwechseln, sonst würde sie sich für immer selbst im Weg
    stehen, kam ich mir plötzlich vor wie mein ehemaliger Russisch-Lehrer, der sich bis fast zum Herzinfarkt echauffierte, wenn wir jemandem vorsagten, mehr als über irgendetwas anderes, und uns dann im Zustand höchster Erregung vorwarf, dem Kommilitonen die Möglichkeit zu nehmen, eigene Fehler, eigene Erfahrungen zu machen, dass wir ein Stück Leben stehlen durch unsere Bevormundung. Ich fand den Mann damals äußerst wunderlich, hatte er doch einen Doppelnamen (als Mann, na sowas!), trug merkwürdige Kleidung, forderte uns ständig zum Demonstrieren auf - kurz gesagt ein alter 68er, der mich eines Nachmittags in sein Büro bat und mich zunächst wirklich zur Schnecke machte und dann sehr sentimental wurde, denn normalerweise schrieb ich immer sprachlich experimentelle Klausuren, die dann auch die entsprechende Fehlerzahl aufwiesen, wenn sie auch formell kreativ waren, so dass ich, als es aufs Abitur zuging, beschloss, es einfach mal ganz einfach zu versuchen, mit einer Klausur die nur aus 3-, maximal 4-Wortsätzen bestand (was man diesem Satz hier beileibe nicht vorwerfen kann, zählen Sie mal nach!), so dass sie tatsächlich sprachlich fehlerfrei war, dafür aber auch einfach nur beschissen zu lesen, und diese Vorgehensweise - wenn auch an sich wenig angreifbar im Notensystem - widerstrebte dem Altachtensechziger mit dem Doppelnamen derart, dass er eine Bewertung verweigerte und mich aufforderte, die Klausur nachzuschreiben, und zwar anders, denn so etwas würde er nicht bewerten, das wäre ein Verbrechen an der Sprache und an meinen Fähigkeiten, er würde sich nicht zum Mittäter dabei machen, selbst wenn es ihn seine Stelle koste. Sehr dramatisch. Sehr absurd. Absolut unbegreiflich für mich zum damaligen Zeitpunkt, aber in dem Moment, als mir die Brühe aufs Parkett tropfte und die Frau, die kein Wasser kochen kann - WILL - vor mir stand, fand ich seine Logik plötzlich schlüssig und begann, ihn zu vermissen.

    "Sag, dass du nicht kochen willst" stieß ich hervor und fuchtelte mit dem Löffel. "Nee, nee, das ist es nicht", wandte sie - die Lage völlig verschätzend - ein. "Das Wollen ist nicht das Thema, ich krieg das einfach nicht so hin, ich weiß nie, wieviel und welche Gewürze...". "Kannst du lesen?" knallte ich ihr ein Kochbuch vor die Nase. "Kannst Du schmecken?" schob ich ihr einen Löffel mit - zugegebenerweise noch recht heißer - Suppe in den Mund. "Schmeckt das oder fehlt hier was?". "Ich weiß nicht, ist ganz gut...ich weiß nicht wie Kürbis schmecken soll" sagte sie. "Ist völlig egal, hier soll überhaupt nichts, hauptsache dir schmeckt es, also ist es gut oder nicht?" "Ja" "Gut, dann lassen wir sie jetzt noch ziehen - kannst du spülen?" "Ja sicher kann ich spülen...."

    Während sie spülte und ich meinen Wein weitertrank, dachte ich noch ein bisschen über den Unterschied zwischen Können und Wollen nach und legte eine Gedenkminute für meinen alten Russischlehrer ein.

    "Manchmal bist du merkwürdig, da mache ich mir fast ein wenig Sorgen um deinen Geisteszustand" sagte sie, als wir am Tisch saßen und die Suppe aßen. "Ach was" sagte ich. Ich auch, fügte ich in Gedanken hinzu.

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