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    Dienstag, 27. Mai 2025
    27. Mai 2025 - be water

    Ich hatte heute ein völlig bizarres Schwimmerlebnis. Ich wollte in das Schwimmbad gehen, für das ich die Zehnerkarte gekauft hatte, die ich bisher einmal genutzt habe, ich bin damit dort ja sozusagen Stammschwimmerin. Als ich den Kofferraum öffnete, sagte eine freundliche Passantin: "Wollen Sie Schwimmen gehen?" - "Ja", antwortete ich. Das hatte sie sich gedacht, weil sie nämlich meine Tasche gesehen hatte. Aber ich sollte mal schauen, das Schwimmbad sei gnaz dunkel, es sei nämlich seit zwei Wochen geschlossen, für den Sommer. Die Frau schien mir kontaktfreudig, also erwiderte ich "Danke für die Info, da laufe ich jetzt nicht umsonst hin, aber jetzt mal eine Frage, der offensichtlich geschäftstüchtige Bademeister hat mir beim letzten Besuch eine 10er-Karte aufgeschwatzt, was halten Sie moralisch davon und wann macht dieser Schuppen wieder auf?" Die Frau lachte und sagte, die Zehnerkarte gelte auf für das Freibad am anderen Ende des Ortes. Und das Hallenbad würde wieder öffnen, wenn das Freibad wieder schließt. Wie Sonne und Mond.

    Ich googelte das Freibad in diesem Ort und sah, dass es sich um ein "Spaßbad für die ganze Familie" handelt - so etwas macht mir generell keinen Spaß, daher disponierte ich um und fuhr in das Schwimmbad ein paar wenige km vor der eigenen Haustür, in dem M schwimmen gelernt hatte. Da gibt es nicht viel, nämlich nur ein 50-Meter Becken ohne flachen Bereich und ein Kinderbecken, es gibt Umkleiden und Duschen aber keine Schränke, also jedenfalls nicht, wenn man kein eigenes Schloss mitbringt und der Eintritt kostet nach 18 Uhr drei Euro. Das Wetter war für mich perfekt: vielfältig-grau bewölkter Himme, Temperatur um 20 Grad, leichter Wind. Ich zog mich um, stellte meine Sachen auf eine Bank am Beckenrand, so wie alle anderen auch (es war nicht allzu voll) und schwamm hin und her.

    Dann kam es zu dem bizarren Ereignis, nämlich entlud sich von jetzt auf gleich eine Regenzelle (oder so etwas) direkt über dem Schwimmbad und alles, wirklich alles war patschnass. Die Sachen von allen anwesenden Menschen, alle Schwimmtrainer und -trainerinnen am Beckenrand, einfach alles. Wir alle im Becken starrten fassungslos auf die Umgebung des Beckens, die jetzt so nass war wie das Becken selbst. Manche Personen gingen sofort aus dem Wasser um noch etwas zu retten - vergeblich - andere, so wie ich, verschoben die Problemlösung auf einen späteren Zeitpunkt und schwammen erst einmal weiter. Mir fiel sowieso spontan nichts zuträgliches ein, warum also nicht, wie ich sowieso vorhatte, noch weiterschwimmen, so dass das schöne Erlebnis zunächst einmal ungetrübt stattfinden kann, alles andere sieht man später. Hätte ja auch sein können, dass eine Viertelstunde später eine Art Sonneneruption kommt und alles vorzugsweise trocknet, im größeren Probemfall verbrennt. Das könnte ja auch passieren. Da kann man schon froh sein, wenn die Sachen nicht verbrannt sondern nur patschnass sind!

    Irgendwann hatte ich keine Lust mehr zu schwimmen und machte mir ein konkreteres Bild der Lage: desaströs. Meine Jens tropfte, meine Strickjacke tropfte. Mein Shirt war einigermaßen okay. Unterwäsche tropfte, Socken tropften. Das große Handtuch war noch fast ganz trocken. Ganz unten in der Tasche schwamm meine zweite Schwimmbrille. Ich zog mir mühsam die klatschnassen Jeans und das trokene Shirt an sowie die nass quietschenden Sneakers, auf den Rest verzichtete ich.

    Ein anderer Herr war sehr blass und wirkte fast den Tränen nah, er fragte, ober ich eventuell ein Handy habe, mit dem er einen Anruf machen könnte. Das hatte ich natürlich allerdings im Auto gelassen. Einmal sei er ohne Handy unterwegs, berichtete er, und jetzt sowas, er müsse mit der Bahn nach Hause mit zweimal Umsteigen und seine Sachen waren mindestens genauso nass wie meine, er wolle versuchen, seine Frau zu erreichen, damit sie ihn vielleicht abholt. Warum er von Zweimal-Umsteigen-Weit-Weg ausgerechnet in dieses Schwimmbad fährt, interessierte mich doch sehr und ich fragte es ihn später, als wir nämlich vor meinem Kofferraum standen und ich ihm gerade das Handy geben wollte sagte ich "naja, ich kann sie halt eigentilch auch heimfahren, das ist ja sonst irgendwie Quatsch und ich habe Sitzheizung". Ob die Sitzheizung jetzt ein besseres oder schlechteres Gefühl machte, diskutierten wir im Verlauf der Fahrt kontrovers, ich hatte allerdings auch eher das Problem, dass meine Knie sich in den nassen Jeans nicht gut für die Bedienung von Gas, Bremse, Kupplung biegen ließen und jetzt auch noch alles juckend lauwarm wurde, er trug nur Badehose und ein großes Handtuch, so dass er eher den wärmenden Faktor schätzte. In das Schwimmbad ging er, weil er schon immer in diese Schwimmbad ging, schon als Kind, als Jugendlicher, als junger Erwachsener und eben auch jetzt, er geht eben in dieses Schwimmbad, Punkt, aus. Und wie er sich wohl revanchieren könnte? Ich sagte, dass ich jetzt öfter käme, vielleicht ergäbe sich was und er könne mich mal vor dem Ertrinken retten oder so, man weiß nie, es findet sich, be water!

    Frage in der täglichen Contentvorschlagliste heute: "wie stellen sie sich wieder auf komplett unverbockt?"

    Ja, das wüsste ich auch sehr gerne jetzt schon, ich habe nämlich noch keine Ahnung. Deshalb habe ich das Gespräch ja erst einmal abgesagt. Es gibt im Wesentlichen zwei Strategien, die sich bewährt haben. Die eine, die zuverlässig funktioniert, ist ein harter Reset per Kontrollverlust durch zu viel Alkohol (oder so), am nächsten Morgen fühlt man sich nicht mehr allmächtig und bei allem völlig im Recht und als Herrscherin der Welt sondern ist demütiger und offener für den Gedanken, dass man selbst auch nicht immer klug handelt, dementprechend auch großzügiger anderen gegenüber. Ich scheue allerdings den Schmerz, ich habe das das letzte Mal vor knapp zwei Jahren gemacht und erinnere mich immer noch mit Grauen nicht nur an den nächsten Tag sondern auch noch an die zwei bis drei danach. Ich habe aktuell keine Zeit für sowas. Die zweite Möglichkeit ist, genau zu durchdenken, was mich an der Situation so anfasst und warum, als den Grund für die Bockigkeit herauszufinden und auf eine Weise zu integrieren, dass ich auch noch andere Handlungsmöglichkeiten habe. Auch zeitaufwändig, auch nicht schmerzfrei, im Grunde tun sich die beiden Möglichkeiten nicht viel, stelle ich gerade fest. Zu beidem ist es günstig, eine Person zu haben, die mitmacht. Ich denke ich schaue, für was ich zu erst eine geeignete Begleitung finde.

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