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    Mittwoch, 10. Januar 2024
    9. Januar 2024

    Ich möchte zunächst eine Warnung aussprechen, es ist möglich, dass die Welt heute noch implodiert. Kurz vor Feierabend nämlich saß ich mit zwei Mitarbeiterinnen zu einer Besprechung zusammen und wir merkten, dass eine Info fehlt, die vom nOC kommen müsste, der war aber nicht da, also griff ich zum Telefon und rief ihn an. Es antwortet aber nur die Mailbox und ich sprach kurz darauf, so in etwa in der Art „Hallo, Frau N hier, uns fehlt von Ihnen noch die Info, ob wir den Bewerber*innen absagen können.“ Als ich auflegte, herrschte Stille im Raum, vier Augen starrten mich an, blanke Panik im Blick. „Was is?!“, fragte ich irritiert und die eine sagte: „DU HAST DEM CHEF AUF DEN ANRUFBEANTWORTER GEGENDERT!“

    Ja, so ist das wohl. Ich arbeite ja in einem Umfeld, in dem gendergerechte Sprache als ein bisschen crazy angesehen wird. Für mich selbst habe ich 2019 beschlossen, meinen Sprachgebrauch gendergerecht umzustellen und zunächst einmal mit der schriftlichen Form angefangen, da habe ich mehr Zeit, mich zu sammeln und zu sortieren als beim Sprechen. Zunächst schrieb ich nur noch gegendert, später unterschrieb ich auch nur noch gegenderte Texte, wobei ich in aller Regel keine Sonderzeichen verwende, das würde in meinem Umfeld verstören. Gleichzeitig mag ich persönlich keine substantivierten Adjektive oder Partizipien und auch keine Umschreibungen mit dem Passiv, die finde ich nicht schön, ist ja Geschmackssache und so verwende ich mehr Sachbezeichnungen, sexusindifferente Personenbezeichnungen, Relativsätze und besonders direkte Anreden. Es hat ja sowieso jede Person beim Schreiben einen eigenen Stil, meiner hat sich nun halt in diese Richtung entwickelt.

    Erst kam es mir ganz merkwürdig vor, also so um 2019/2020 herum und ich seufzte immer ein wenig, wenn ich wieder was umformulierte. Mittlerweile hat sich das komplett gedreht, ich seufze nun, wenn mir doch mal ein generisches Maskulinum irgendwo reingerutscht ist und fühle mich kurz unwohl, wie bei einem Faux-Pas.

    Vor ca. 2 Jahren fand ich, ich könnte den Effort jetzt auch beim Sprechen machen, Übung war schließlich mittlerweile vorhanden. Schwierigere Sache für mich, ich denke üblicherweise nicht so viel nach vor dem Sprechen, weiß nie so genau, wo ein begonnener Satz endet (beim Schreiben ehrlich gesagt auch nicht, aber da kann ich ja nochmal nachgucken), mit der Zeit wurde es aber auch beim Sprechen einfacher, nur in sehr langen Gesprächen, zum Beispiel Vorstellungsgesprächen, bei denen es dann immer wieder um die Beschreibung des Arbeitsumfeldes, um die Belegschaft mit ihren unterschiedlichen Positionsbezeichnungen geht, kam ich weiterhin nie schnell genug auf die Formulierungen oder verhaspelte mich in Doppelformen, so dass ich mich schlussendlich für den Glottal Stop entschied – jederzeit spontan noch einfügbar und minimalinvasiv, meiner Meinung nach. Privat mache ich den sowieso. Beruflich allerdings in Gesprächen mit Personen, von denen ich weiß, dass sie sich daran stören, eben nicht – es ist ja völlig unnötig, Sachthemen über Bord zu werfen für eine einzelne Ausprägung einer sprachlichen Haltung, die auch völlig anders ausgedrückt werden kann, Möglichkeiten gibt es ja eben genug.

    Jetzt ist es aber wohl so, dass ich auf den Anrufbeantworter gegendert habe. Auch okay, ich denke – im Gegensatz zu den anderen – nicht, dass da was implodiert. Im Gegenteil, der nOC kann es sich zur Gewöhnung gleich ein paar Mal anhören, es sieht ja so aus, dass ich das sowieso jetzt aus meinem normalen Sprachgebrauch nicht mehr rauskriege, es werden sich also zukünftig alle arrangieren müssen, da kann er ganz vorn mit dabei sein, das ist eine tolle Chance.

    Für ein sprachliches Problem habe ich übrigens noch keine ganz zufriedenstellende Lösung gefunden. Nämlich wenn eine Person morgens später kommt, jemand fragt „wo ist denn xy“ und meine Antwort wäre „kommt später, ist beim Arzt“. Das ist für mich so ein feststehender Ausdruck, dass alles andere auf mich konstruiert wirkt. „Kommt später, holt sich noch medizinischen Rat“ ist affig, „Kommt später, lässt noch was abklären“ viel zu vage, „Kommt später, ist noch in der Praxis“ ergibt keinen Sinn. Mit Frau Herzbruch habe ich das vorhin erörtert und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ich ja jetzt 51 Jahre lang „ist beim Arzt“ gesagt habe und daher nun die nächsten 51 Jahre einfach „ist bei der Ärztin“ sagen werde. Das finde ich eine gute Lösung. Falls Sie eine noch bessere haben, aber immer gerne her damit.

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