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    Dienstag, 10. Februar 2009

    Heute morgen in der S-Bahn saß ich auf der Terroristenbank. Die Terroristenbank - für diejenigen, die es wider aller Wahrscheinlichkeit nicht wissen sollten - ist natürlich die Bank ganz hinten im Wagen, die durchgehende. Genau wie die hinterste Reihe im Bus oder der letzte Waggon einer Straßen- oder U-Bahn das Terroristenabteil bildet. So sagte jedenfalls der Vater meiner Freundin - den ich übrigens Onkel nannte, das war damals so - immer, wenn wir abendlich das Haus verließen: "Aber fahrt nicht im Terroristenabteil!" Darauf schien sich die Besorgnis ob unserer Umtriebe zu begrenzen und der dazugehörigen Tante, der viel weitreichendere Gründe einfielen, sich um den Schlaf zu bringen, begegnete er mit den zwei weiteren Kernstücken seiner Lebensphilosophie: "Et is wie et is" und - unsere besondere Zustimmung findend - "Lasse hüppen..."

    Ich fuhr nun jedenfalls auf der Terroristenbank und mir gegenüber saß ein hochgewachsener älterer Herr, der mit gesenktem Kopf in der Zeitung las. Immer wieder fiel mein Blick auf ihn, denn er erinnerte mich in sehr nachdrücklicher Weise an jemanden, den ich vor, ach, 13 Jahren oder so kannte, nur war der Mann in der Bahn nicht nur 13 sondern eher 50 Jahre älter, sah aber genau so aus, wie meine Bekanntschaft es mit Mitte siebzig tun würde - wenn sie Glück hat. Sogar Gestik und Mimik schienen mir so ähnlich, dass ich ganz verwirrt war und schließlich - um auszuprobieren, ob ich einer Zeitschleife oder einem ganz merkwürdigen Zufall gegenübersitze - sagte ich leise: "Klaus?" [Name geändert oder auch nicht, warum werden Sie noch sehen.].

    Zumindest wollte ich das leise sagen, meine Stimme funktionierte aber nicht wie gewohnt, es war ja noch früh, und es kam kein Ton heraus. Also versuchte ich es nochmal, und dann nochmal, und plötzlich hatte ich unwillkürlich in variierenden Stimmlagen "Klaus-Klaus-Klaus-Klaus" gesagt, so in etwa wie man "Test-Test-Test-Test" in ein Mikrophon spricht. Naja, es war ja auch ein Test.

    Die gesamten Terroristenbank sah mich an; nur der vermeintliche Zeitschleifenklaus blieb in seine Zeitung vertieft. Mir wurde warm im Gesicht, und ich wollte gerade etwas von Headset murmeln und mich wichtig an meinem MP3-Player zu schaffen machen, als mein Blick noch an dem Mädchen drei Plätze neben mir hängen blieb, das - hier wird es etwas skurril - einer weiteren Bekannten äußerst ähnlich sah, nur so, wie diese vor 13 Jahren aussah, mit Dauerwelle und allem drum und dran, so dass ich statt "Headset" zu murmeln völlig entgeistert "Claudi??" [hier wird nun die Sache mit dem Namen klar] sagte. Und dann antwortete die Frau direkt neben mir, die etwas komisches Blau-Weißes strickte und einer früheren Arbeitskollegin ähnelte (die aber ganz anders hieß): "Ja? Ich wusste doch, dass ich Sie irgendwoher kenne!?"

    Ich sah mich weiter um, entdeckte auf der Terroristenbank (mit etwas gutem Willen) noch einen Doppelgänger meines Hauptfachprüfers, den eines ehemaligen Schülers und zwei Personen, die ich gerade nicht zuordnen konnte, was aber nichts heißen muss. Ich stieg eine Station früher aus.

    Vielleicht hat der Onkel genau so etwas im Kopf gehabt, als er uns damals so nachhaltig vor dem Terroristenabteil warnte, und wir haben ihn nur all die Jahre missverstanden indem wir von einer merkwürdig-überzogenen Elternbesorgnis ausgegangen sind. Leider kann ich ihn nicht mehr fragen.

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