Falls Sie im Umland von Düsseldorf in der Nähe eines Ackers auf einer Anhöhe leben, wurden Sie eventuell bis vor wenigen Minuten Zeugen des folgenden - mit leichten Variationen mehrfach wiederholten - Dialogs:
"Ich hab eine gesehen - nee, das war ein Flugzeug!" - "Wo ist den jetzt dieser große Wagen, ist der das da?!" - "Ich hab doch schon dreimal gesagt, das ist Andromeda!" - "Mama!!!" - "Seid doch mal leise!!" - "Oma!!!" - "Da, da war was, ganz sicher!!" - "Das war doch sicher ein Satellit. Was blinkt denn da so?" - "Fluuuugzeuuuuug" - "Könnt Ihr nicht alle einfach mal still sein?!"
Das war die erweiterte Familie N. Und "besinnlich" kann die nur auf Ritalin.
Heute vor zig Jahren:
Ich schlafe bei Pe, nachdem ich zu Hause groß und breit darüber diskutieren musste. Als ob das sowas besonderes wäre!
Eine Runde so groß wie möglich durch den Badesee, immer an den Schwimbereichsbegrenzungsbalken entlang und die dazugehörigen Gesprächsfetzen:
Am Anfang des Schwimmerbereichs:
Junge: "Hier kann ich auch noch stehen. Hier kann ich echt noch *blubblubbblubb* *japs* ich kann hier *blubbblubb*"...
Paar, sie optisch ca. 20 Jahre älter als er, knutschend.
Er: "Die Leute gucken. Lass uns nach Hause fahren."
Sie: "Erst noch eine Runde schwimmen."
Linke Seitenbegrenzung, auf/an dem Balken:
Teenagermädel zum anderen: "Und dann wach ich auf und alle anderen schlafen und da denk ich "Ey, ein Gespenst!", echt, das war als wär da ein Gespenst!!"...
Zwei weitere Mädchen, die auf dem Balken sitzen und zählen, wie oft es ihnen gelingt, sich einen Tennisball zuzuwerfen ohne runterzufallen:
"Eins!"
"Zwei!"
*platsch*
"Eins!"
*platsch*
"Eins!"
"Zwei!"
*platsch*
"Hihihihi"
Drei Jungs, schweigen, beobachten die Mädchen.
Hintere Begrenzung, auf/an dem Balken:
Vier Mädchen:
"Hihihihihi"
"Hihihihihi"
"Hihihihihi"
*murmelmurmel* "Hihihihihi"
Jungsgruppe:
"Ey, das rutscht voll, ich falle!!"
"Alter, scheiße!" *platsch*
"Ich bin noch oben!" *platsch*
(etc.)
Weitere Jungsgruppe:
"Gehen wir raus jetzt?"
"Ey, was willst du da, ist warm und dann stehen da sicher die Bullen!"
[Hier wäre ich gern langsamer geschwommen um evtl. zu erfahren, welche Geschichte da gerade geht. Wieso sollte da die Polizei warten, was ist hier der Hintergrund, ist in irgeneinem Kleiderhaufen am Strand Diebesgut verborgen, sind hier Täter auf der Flucht in den See gesprungen? Sehr spannend!]
Zwei Mädchen, dahinter zwei Jungs.
Mädchen1: Lass das!! Hau ab!
Junge1: Ich find dich total süß!
Mädchen1: Du bist voll pervers, wie alt bist Du, Du bist doch höchstens 13, Du könntest mein Bruder sein!!
Mann, Einzelperson:
"Geile Haare. Ficken?"
Sehr große Jungsgruppe:
"Ey dann sagt die..." "Ey dann hat der gesagt..." "Ey, ehrlich, dann hat die gesagt..." etc.
An der schwimmenden Insel, Vater (Heiliger, Märtyrer) mit 3 kleinen Jungs mit frischem Seepferdchen auf den Badehosen, die ihn schubsen:
Vater: "Ahhh ich kann mich gar nicht halten. Ohje, die Piraten, Hilfeeee" *platsch*. "Ich klettere jetzt wieder hier hoch. Die Piraten erwischen mich nicht. Ahhh, ein Pirat, ohjeee, ich habe Angst, ich falle!!" *platsch* "Neuer Angriff, ich erwische die Piraten..." etc.
Kleine Jungs: (diverse Triumphlaute und lautes Quieken)
Rechte Seitenbegrenzung, auf/an dem Balken:
Jungs Pärchen
Er: "Da brauchen wir eine Tür, und auch eine Treppe, also eine Treppe die zu der Tür führt, mein Vater kann..."
Zwei Jungs:
Junge1: "Da war ein Riesenfisch!"
Beide: "Scheiße. Argh!" (verschwinden quiekend)
Drei Mädels:
"Uh, die sind da drüben alle nackt, ihhh!"
Wieder am Anfang des Schwimmerbereichs:
Zwei Männer:
Mann1: "Nee, also so ein See, das ist dann ja echt mit Sand und allem, hier, guck mal, so Wasserpflanzen, echt, nee, ich glaub das ist nichts für mich" (schwimmt wieder raus)
Hachja. Ich könnte dort stundenlang im Kreis schwimmen. Am schönsten ist es, wenn es eigentlich noch zu kalt ist und windig, das Wasser sieht dann ganz schwarz aus und der Wind treibt kleine Wellen auf einen zu, durch die man gleitet, so dass man sich enorm schnell vorkommt. Aber wenn keine anderen Leute da sind, gibt es natürlich auch nichts zum Zuhören.
Heute vor zig Jahren:
Nix besonderes.
Jetzt ist nochmal Sommer, gut, von mir aus. Ich hatte zwar eigentlich genug Sommer, aber die Paprika auf dem Balkon sind noch nicht ganz reif, die Pepperoni könnten noch etwas Schärfe vertragen und mich stört es in diesem Jahr auch nicht so sehr. Dieses Wochenende verbringe ich am See, nächstes Wochenende gehe ich dann Zelten und dann ist schon bald September und da werden die Nächte frisch. Wenn die Nächte kühl sind, ist alles in Ordnung.
Heute vor zig Jahren:
Roger kommt zum Kaffee zu mir. Hinterher kaufen Pe und ich die Depeche Mode Platte.
Die erste Schulwoche ist fast rum und ich glaube, ich bin angestrengter davon an Mademoiselle. Das liegt an der Mitteilungsflut. Mitteilungen sind grundstätzlich immer gegenzuzeichnen, manchmal ist auch Auskunft oder gar Handlung notwendig.
Ja, ich habe den neuen Stundenplan zur Kenntnis genommen. Ja, ich habe die Materialliste erhalten. Ja, ich helfe beim Kuchenbuffet für die Erstklässler und ja (separater Zettel) ich bringe einen Kuchen ("Nudelsalat" - Insider für die Twitter-Stammleser) mit. Dem Projekt Schulhund stimme ich zu, nein, keine Angst vor Hunden, nein keine Tierhaarallergie. Ich habe gelesen, dass am Freitag die Schule ausfällt und am Montag nächster Woche Vertretungskräfte anwesend sind und am Mittwoch nächster Woche keine Betreuung nachmittags ist und ja, mein Kind darf dann allein nach Hause gehen. Mein Kind hat einen Cowboyhut und bringt den für die Aufführung mit. Ich erkläre mein Einverständnis, dass die Hefte aus der Klassenkasse angeschafft werden. Natürlich, es wird bald Elternabend sein (oh großes Grauen), nein, Montage sind keine günstigen Tage für mich. Nee, ich möchte keine Broschüre über G8/G9, bis mein Kind so weit ist, ist das alles noch zig Mal "reformiert" worden. Nein, ich helfe nicht bei der Bestuhlung für das Konzert. Nein, ich komme auch dieses Jahr garantiert nicht zur Informationsveranstaltung über Mediennutzung, das wollen Sie auch nicht, seien Sie sich dessen gewiss! Ja, an dem Tag, an dem Religion morgens ist (immer noch Mittwoch) ist keine Gleitzeit, das habe ich verstanden. Und nein, ich möchte definitiv nicht am Projekt "Mittagstisch" mit Testessen teilnehmen und auch nicht am Projekt "zuckerfreier Vormittag" - ich bin sogar gegen letzteres Projekt.
Am Montag, dem ersten Tag nach den Ferien, gab es drei Mitteilungen. Am Dienstag gleich fünf, heute acht. Wir warten alle gespannt darauf, an welchem Tag es zum ersten Mal zweistellig wird.
Heute vor zig Jahren:
Wir waren mit Tina aus unserer Klasse in einer Teestube weil sie meint das wäre total cool da. Es war aber langweilig und prollig noch dazu. Ich bin dann in die Altstadt gefahren um mich mit Roger, den ich in Schottland im Bus kennengelernt habe, zu treffen. Pe wollte nicht mit wegen Illy. War trotzdem gut.
Ich überlege immer mal wieder, was ich mir kaufen würde, wenn ich plötzlich im Geld schwimmen würde - man kann sich nie früh genug darüber Gedanken machen, es kann schließlich jederzeit geschehen. Wobei, bei mir eher nicht, ich spiele ja nichts, kein Lotto, keine Lose, gar nichts. Dennoch: be prepared.
Dummerweise fällt mir nie etwas ein. Für ein Auto habe ich so gut wie keine Verwendung, Umziehen möchte ich nicht und Schmuck, naja, ich seh da eh keine Unterschiede.
Was ich mir sofort kaufen würde, ist eine BahncardFirst100 - nicht, um dauernd Bahn zu fahren, sondern um mich nicht mehr um Fahrkarten kümmern zu müssen. Einfach überall einsteigen wie man will und fertig. Ok, wenn ich im Geld schwömme, könnte ich auch schwarzfahren und die Strafen zahlen, aber das ist einerseits mit einem gewissen Verwaltungsaufwand verbunden und andererseits wird man dann irgendwann angezeigt, das fände ich lästig. Eine BahncardFirst100 ist nun aber nicht sooo das Knallerding, das gebe ich zu.
Heute kam mir endlich, nach Jahren des Grübelns, eine weitere Idee. Ich habe nämlich "Früstückspause Kind Ideen" gegoogelt. Mein Kind mag kein Brot, Müsli ist organisatorisch schwierig, Obst allein reicht nicht, Süßigkeiten sind nicht gern gesehen. Tolle Ideen gibt es zuhauf - ausgehölte und gefüllte kleine Tomaten, Spieße mit diesem und jenem, Reis- und Nudelsalate, alles super nur: wer soll das vorbereiten? Keiner hier hat Lust dazu. Und hier kommt mein plötzlicher Reichtum ins Spiel denn: ich hätte Personal. In Form einer Person, die liebevolle Frühstücksdosen zusammenstellt. Und dann hätte ich noch weiteres Personal (von mir aus kann auch eine Person beide Jobs machen) und zwar einen Schneider (m/f), der sämtliche Kleidung einfach maßschneidert. Bei mir sind ja immer normale Hosen zu kurz und lange Hosen zu lang und Ärmel häufig zu kurz, und bei Mademoiselle ist schlichtweg einfach alles zu weit. Die Schneiderperson könnte von Grund auf neu schneidern oder von mir aus auch fertige Dinge ändern, das ist mir alles recht, ich möchte mich nur nicht selbst damit befassen.
So. Haben wir also eine Lösung für das Geldproblem gefunden. Ich bin sehr erleichtert.
Heute vor zig Jahren:
Ah ruft um 13 Uhr nicht an. Um 13:05 verlassen wir die Wohnung und gehen Nogger-choc essen und planen unsere Aktionen am freien Wochenende.
Nachdem die Hasenstory jetzt endgültig durch ist - ich war gerade noch einmal unten, um den Nachbarn zu zeigen, wie sie die Medikamente in ihr Tier kriegen und morgen dürfen sie sich noch aussuchen, ob sie das Baby beerdigen wollen oder nicht (übrigens bin ich gegen die Viecher glaube ich mittlerweile allergisch, immer wenn ich dort war, jucken meine Augen und die Nase kribbelt, das mag natürlich auch psychosomatisch sein) - kann ich ja mal sagen, dass ich abends fast immer einhändig tippe. Das liegt dran, dass in der anderen Hand die Rattenoma sitzt und frisst-schläft-frisst-schläft.
Die Rattenoma ist uralt und ich sagte Mademoiselle bereits im Mai, dass sie bald stirbt. Ende Mai sagte ich, man könne unbesorgt im Sommer lange verreisen, die Rattenoma sei dann längst tot. Als sie bei Antritt der Reise noch lebte, musste sie zu Papa&Mama Novemberregen transportiert werden. Die Rattenoma ist nämlich auch noch krank, sie hat einen Tumor, der fast so groß ist wie sie selbst, diesem schenkt sie aber wenig Beachtung und klettert damit munter umher, hat einen Mordsappetit und klare, fröhliche Augen und bekommt ihre eigene Körperpflege noch gut in den Griff. Allerdings hat sie neben dem Riesentumor auch kaum noch Fell und sieht insgesamt ganz offen gesprochen so aus, als wäre sie einem Gruselkabinett entsprungen. Wir mögen sie deshalb kein bisschen weniger, aber den Nachbarn kann man sie nicht mehr zumuten. Okay, nach der Hasengeschichte natürlich schon, aber nächsten Sommer ist die Rattenoma dann doch ganz sicher tot, auch wenn wir mittlerweile heimlich vermuten, sie könne eventuell unsterblich sein. Jedenfalls, als die Rattenoma in den Urlaub fuhr, sagte ich Mademoiselle, dass wir uns verabschieden sollten, denn wir würden sie vermutlich nicht lebend wiedersehen.
Aber die Rattenoma lebt immer noch. Und sitzt jeden Abend ungefähr eine Stunde in meiner Hand und frisst-schläft-frisst-schläft. Und deshalb tippe ich einhändig.
Heute vor zig Jahren:
Wir waren abends im Park. Da haben wir drei Typen kennengelernt, die wir alle Carlos genannt haben, und Kaffeepulver geraucht. Von einer Telefonzelle habe ich Ah angerufen, der mir in einem langen Monolog mitteilte, dass jeder Mensch Marius hört und dass am 22.8. die Verhandlung ist und wir uns dringend treffen müssen. Er will am Sonntag um 13 Uhr anrufen.
Posting ohne Happy End.
Alte Lebensweisheit: immer wenn man denkt, die Sache mit den Hasen ist durch, kommt es nochmal ganz dick.
Sie erinnern sich: schwangere Häsin in der Klinik, gesunder Hase daheim, also nur normal füttern und ein bisschen bespaßen, keine Medikamentengabe im 3-Stunden-Rhythmus 24/7. Aber dann heute morgen kurz vor Aufbruch zum Ausflug SMS vom Zweitpfleger.
1. SMS: Ich hab mit der Klinik telefoniert, die finden auf dem Ultraschall den Welpen nicht mehr.
2. SMS: Es ist total unwahrscheinlich, aber kannst Du mal SOFORT gucken ob im Zimmer noch ein Welpe ist, der dann - wenn er noch lebt - SOFORT in die Tierklinik muss.
3. SMS: Es ist viel wahrscheinlicher, dass sie den in der Klinik bekommen und aufgefressen hat.
4. SMS: Oder sonst hat den mittlerweile der Hase sowieso aufgefressen.
5. SMS: Es ist wirklich total unwahrscheinlich.
Man kann sich vorstellen, wie schnell ich ein Stockwerk tiefer war mit dem festen Ziel vor Augen: sollte irgendwo in diesem Zimmer ein noch lebender Welpe sein, wird er von mir gefunden werden. Die Kontrolle der Nester ergab alleridngs nur Fehlalarme (ein Apfelviertel, das ich beim Tasten für einen Welpenrest hielt und - der war gemein - ein kleiner Plüschteddyschlüsselanhänger). In den Nestern also nichts, da wurde es schwierig. Kurzerhand räumte ich alle beweglichen Gegenstände aus den Zimmer heraus und leuchtete mit einer Taschenlampe in alle verbleibenden Nischen, Höhlen, Ecken, Winkel. Ich fand alles: Geld, Tintenpatronen, Nintendo-Spiele, Armbänder, Scoubidous und mehr, und dann zwischen Schreibtisch, Kleiderschrank und Wand auch etwas, das im Schein der Taschenlampe aussah, wie ein halb gegessener Weihnachtskeks, als ich es berührte, war aber schon alles klar. Ein sehr kleines Kaninchenbaby, leider tot und irgendwie auch noch sehr "unfertig" (kann aber gut sein, dass Kaninchenbabys immer so aussehen, ich kenne mich nicht aus). War wohl alles etwas viel.
Zusätzlich zu allem andere sieht das Zimmer unten nun also auch noch aus wie nach einer Hausdurchsuchung. Dann, andererseits, kommt es darauf wohl auch nicht mehr an.
Heute vor zig Jahren.
Pe hat Marco in Englisch als Klassensprecher vorgeschlagen und ihn durch Wahlfälschung gewinnen lassen. Als Geburtstagsgeschenk.
Extra Breaking: Es gibt zwar nichts Neues, aber das Kaninchen ist wieder in der Klinik.
Aber fangen wir vorne an - nach der Medikamentengabe um 0:45 nachts gab es die nächste um 8:00 Samstagmorgen, Aufbaufutter um 8 und um 11. Medikamente um 13 Uhr mit nochmal Aufbaufutter und um 15 Uhr nochmal Futter und dann war für den Rest des Tages der Zweitpfleger zuständig und wir gingen wird in den Streichelzoo, mal was mit Tieren machen.
Der Zweitpfleger brachte die Häsin dann aus diversen nur halb logischen Gründen zurück in die Klinik. Nunja. Ist mir eigentlich egal, nur finde ich es relativ viel Hin und Her und auch recht kostspielig. Aber da mich weder das eine noch das andere direkt betrifft, habe ich meinen "Hasenanzug" (= völlig verhaarte und breifleckige Jeans+Fleecejacke, aus Ekelgründen kein Bild) in die Waschmaschine gesteckt und sehe einem freien Sonntag entgegen.
Heute vor zig Jahren:
Wir waren bei Pe und gingen zum Gummitierhändler um ein Nogger-choc zu holen. Als wir zurückkamen, fuhr gerade der Eismannwagen vorbei. Wir gingen rein und Pes Mutter wies uns hysterisch an, dem Eismann zu folgen weil sie Brokkoli brauchte. Wir sahen ihn am Ende der Straße stehen und waren noch einen halben Häuserblock weg, als er abfuhr. So ging das immer weiter und wir verfolgten ihn durch die halbe Siedlung bis Pe ihn erwischte. Dann sind wir vor Lachen fast geplatzt und konnten wegen Lachanfällen nicht sagen, was wir wollten. Der Eismann war voll genervt.
Breaking: Das Kaninchen ist doch nicht scheinschwanger.
Dafür ist es jetzt aus der Klinik zurück inklusive einer Rechnung über 380 Euro und einem detaillierten Medikamentenplan, nach dem morgens, mittags und abends jeweils vier Medikamente zu verabreichen sind und zusätzlich alle drei Stunden Aufbaunahrung gefüttert werden muss. Ich wollte ja immer schonmal Kaninchen-Intensivpflege erlernen.
Der Zweitpfleger ist in dieser ganzen Angelegenheit leider zu gar nichts nütze - zu luschig. Er kann nicht nur nicht das Kaninchen richtig festhalten, sondern auch nicht zusehen, wie ich das mache, das Festhalten und die Sache mit den Spritzen. Selbst eine Good Cop - Bad Cop Nummer scheiterte, so dass ich Mademoiselle zur Hilfe rief. Bei aller Tierliebe - entweder bekommt das Viech das Zeug und ist dabei schlecht gelaunt, oder es bekommt das Zeug nicht und ist dann tot. Und außerdem sollten sich alle Beteiligten schnell an den Vorgang gewöhnen, der wird schließlich regelmäßig alle paar Stunden ausgeübt. Bis Mittwoch. Aber ab Montagabend sind die Besitzer wieder zurück und ich mache drei Kreuze. Was die machen, wenn sie sich unmittelbar nach dem Urlaub Krankenpflegerkenntnisse aneigenen müssen und außerdem nun ihre beiden Karnickel in getrennten Räumen und getrennten Käfigen (einen neuen Käfig haben sie dementsprechend auch) vorfinden, weil das Tierklinikpersonal dies übereinstimmend für in der Situation unerlässlich und dringlich hielt, ist mir ehrlich gesagt gerade relativ egal.
Heute vor zig Jahren:
Zum 1. Mal der Spanisch-Kurs. Der findet an einer anderen Schule auf der anderen Seite der Stadt statt und wir fahren nach der 6. Stunde direkt dahin. In der Nähe wohnt Tina aus unserer Klasse und läd uns zum Essen bei sich ein, danach will sie uns zu der Schule bringen. Das ist aber das totale Missverständnis und sie meint eine ganz andere Schule als die, wo wir hinmüssen. Wir fragen uns dann so durch, dann ist diese Schule noch riesig und wir haben die Raumnummer und den Namen der Lehrerin vergessen uns bis wir den richtigen Raum gefunden haben sind wir dreißig Minuten zu spät und mal wieder das Spektakel schlechthin.
Auf dem Weg zum Feriencamp fand Mademoiselle heute einen Stock. Also, einen Zweig eher, recht dünn, maximal 2 cm Durchmesser, aber immerhin etwa 1,5 Meter lang, ist aber auch egal, Stöcke jeglicher Art dürfen jedenfalls - ebenso wie Taschenmesser, Handys und sogar auch Jojos - nicht mit in das Feriencamp. Ich schlug ganz praktisch vor, den Stock wegzuwerfen. Das ging natürlich keinesfalls. Auch meine Alternative, ihn irgendwo ins Gebüsch zu legen und abends wieder abzuholen, wurde abgelehnt, denn es war ein ganz besonderer Stock. Um welche Art von Besonderheit es sich handelt, durfte ich nicht erfahren, es hatte jedoch mit dem Schicksal der Welt zu tun und wichtige zeremonielle Handlungen mussten daran vorgenommen werden - ich vermute, dass es sich um den Elderstab handelte. Die ganze Stocksache war dem Kind jedenfalls höchst wichtig, so dass ich mich in einem Moment geistiger Umnachtung bereiterklärte, den Stock mit ins Büro zu nehmen, um ihn dann später, bei der Abholung, wieder mitzubringen. Nach diversen Schwüren und komplizierten Handbewegungen - Vorschläge mit Blut lehnte ich konsequent ab - konnte ich, mit dem Stock, meines Weges gehen.
Was ich gar nicht bedacht hatte: so ein 1,5 Meter langer Stock erregt in der Hand einer bürogekleideten Dame deutlich mehr Aufsehen, als in der Hand eines schmutzigen und strubbeligen kleinen Mädchens.
Der erste Stockinteressent war ein alter Mann im Bus. "Was hamse denn da?", fragte er. "Einen Stock", antwortete ich. "Mit so nem Stock darf man nicht in den Bus!" - "Das ist mein Gehstock, Sie haben ja auch einen." - "Das glaube ich nicht!", schimpfte der Mann. Ich sagte, das fände ich nicht schlimm.
Nummer zwei war eine Frau in der S-Bahn, sehr schick und mit vielen Unterlagen, sehr blond, sehr genervt, dass ich auf den Platz wollte, auf dem ihre Tasche stand. "Was haben Sie denn da?", fragte sie. - "Einen Stock." - "Das sehe ich!" Ich zuckte mit den Schultern.
Nummer drei, die Frau schräg gegenüber im Vierersitz. "Ich habe auch einen kleinen Jungen zu Hause." Ich lächelte ihr zu.
Nummer vier, die Bäckereiverkäuferin, schaute nur komisch.
Nummer fünf, der Mann beim Bäcker hinter mir: "Gibts hier auch Stockbrot?" Gleich diesen ekligen Lagerfeuergeruch in der Nase gehabt, von dem ich im Urlaub zwei Tage lang Kopfschmerzen hatte.
Nummer sechs, im Aufzug zum Büro. "Damit sorgen Sie jetzt für Ordnung da oben, was?" Mittlerweile lächelte ich nur noch müde. Kann man nicht einfach mal unbehelligt mit einem Stock durch die Stadt laufen?
Im Büro selbst nahm niemand Notiz vom Stock. Man kennt mich dort. Auch die Kollegin, mit der ich einen Termin wahrnahm, von dem aus ich gleich wieder nach Hause fuhr, zuckte mit keiner Wimper, als ich den Stock mit ins Auto schleppte. Dezent verblieb er während des Termins auch dort - was gar nicht nötig gewesen wäre: neben dem Tisch, an dem unsere Besprechung stattfand, lagen gleich drei ähnliche Stöcke, die ich natürlich sofort fachmännisch untersuchte. Die Gastgeberin ließ entschuldigend wissen, viele Leute mit Kindern kämen nach Waldspaziergängen ins Restaurant, man würde der Stockflut kaum noch Herr, ständig fände sich irgendwo noch irgendein Stock, egal wie sehr man aufgeräumt habe. Ich nickte verständnisvoll.
Nachmittags in der Drogerie Nummer sieben, ein älterer Herr: "Mein Enkelchen hat auch immer solche Stöcke, wir haben eine ganze Sammlung!"
Nummer acht, im Supermarkt: "Kann ich den für meine Tomaten haben?" - "Gute Frau, ich schleppe seit 7:50 Uhr diesen Stock mittels fünf Verkehrsmitteln durch drei Städte. Den gebe ich jetzt nicht mehr her!"
Nummer neun, der Busfahrer des teilweise defekten Busses, der jedem einzelnen Fahrgast "Diese Bus hat eine Fehler, Aussteigen und Einsteigen daher nur vorne möglich, keine Möglichkeit, hinten aussteigen oder einsteigen, ich bitte um Entschuldigung aber wir fahren gleich in Hof an der Hebestraße und bekommen eine blitzneue Bus mit Möglichkeit, hinten einzusteigen und auszusteigen und auch vorne. Machen Sie keine Sorgen, die Bremse geht, haha, ich bringe Sie alle gut nach Hause oder auch zu anderen Ort, wie Sie es wollen" zurief. Jedem. Einzelnen. "Hören Sie, Sie, auch mit dem Stock geht es nur vorne einsteigen und aussteigen, diese Bus hat eine Fehler..." Und als wir im Hof an der Hebestraße in den blitzneuen Bus umgestiegen waren, erkundigte er sich per Lautsprecher, ob alle drin seien und nichts vergessen, Einkaufstasche-Laptop-Handy - auch der schöne große Stock?!
Stolz präsentierte ich den Stock bei Abholung den Kind. Mit Hinter-dem-Rücken-Hervorziehen und tadaaa!
Mademoiselle: "Und was soll das bitteschön sein?!"
Frau N: "Dein Stock!"
Mademoiselle: "Was für ein Stock??"
Frau N: "DER STOCK VON HEUTE MORGEN, DER WICHTIGE STOCK, AN DEM DAS SCHICKSAL DER WELT HÄNGT!!"
Mademoiselle: "Ach ja. Stimmt. Den müssen wir zerstören."
Sprach es, zerbrach den Stock in drei Stücke, warf ihn händereibend ins Gebüsch und hopste davon - höchst zufrieden mit sich selbst, Welt gerettet.
Heute vor zig Jahren:
Wir sind in die Stadt gefahren, um Pe ein T-Shirt u kaufen. Auf dem Weg zur U-Bahn lästern wir die ganze Zeit über Illy. Auf der Rolltreppe dreht sich Pe um und da steht Illy direkt hinter ihr. Sie erinnert uns daran, dass Gina und sie uns etwas gesagt hätten. Wir sagen, dass wir uns auch daran erinnern. Illy ist diesmal in Begleitung eines Mädchens mit Prollpony und auch vielen Pickeln.
Illy: Wir haben Euch doch was gesagt!
Pe: Ja, aber uns interessiert nicht, was du sagst.
Ich: Außer die blöden Geschichten, die ihr euch immer ausdenkt, die sind witzig.
Illy: Ihr glaub ja wohl nicht, dass euch irgendwer ernst nimmt, und mit so einem Shirt dürft ihr sowieso nicht rumlaufen.
Ich: Sagt wer?
Pe: Komm, lass die doch.
(Illy folgt „unauffällig“)
Ich, mich umdrehend: Geh weg. Kusch, kusch!
Illy, drohend: Wir ham halt n HALS auf euch. Das ist jetzt so!
Ich: Meinetwegen.
Illy: Jetzt geht mal schnell.
Ich, noch stehend: Sofort.
Illy: Ja, dann geh auch!
Ich: Nach dir.
Illy: Willste was??
Pe nahm dann das Gespräch in die Hand weil sie von mir einen Bockigkeitsanfall befürchtete. Pe versuchte mit Illy vernünftig zu reden worum es überhaupt geht und was überhaupt los ist, so dass am Ende Pe und ich uns noch gestritten haben weil ich finde, dass es nichts bringt, mit denen vernünftig zu reden und Pe sich aufgeregt hat dass ich meine Sturheitsanfälle immer noch nicht im Griff habe.