Ein wichtiges Update. Das Jahr ist fast ganz halb rum und ich reiße immer noch meine Abreißkalender ab! So lange habe ich das noch nie geschafft. Ein bedeutender Milestone war heute: ich war seit dem 28.5. nicht mehr zum Abreißen gekommen – nur an zwei Tagen wegen zu viel zu tun, dann wegen Wochenende, dann wegen Abwesenheit. Und doch ging heute im Büro gleich mein dritter Weg des Tages zu den Kalendern.
Ich erkläre es mir so: sonst hatte ich immer einen Kalender. Ist dann ein halber Monat vergangen, denke ich mir, nunja, jetzt ist es auch egal, dieses Projekt gebe ich für dieses Jahr jetzt halt auf, in einem anderen Leben vielleicht, nicht in diesem. Jetzt habe ich aktuell aber ja vier Kalender. Ich würde also vier Projekte gleichzeitig aufgeben, vier Leben, in denen ich jeweils einen dieser Kalender annähernd täglich abreiße und nein, so weit bin ich am 10. Juni noch nicht. Wir sind wieder à jour!
Zwischen den Jobtätigkeiten musste ich heute einen privaten Anruf machen, vor dem ich Nervosität verspürte, denn: das Ergebnis, das Gelingen, war sehr wichtig. Allerdings auch nicht wirklich kompliziert, im Zweifelsfall ganz sicher eine Problematik, die mit Geld gelöst werden kann. Es musste nämlich – ich verwende jetzt heute erlerntes Fachvokabular – eine „kurzfristige Nutzerkreiserweiterung“ für ein Kraftfahrzeug herbeigeführt werden. Zu diesem Zwecke rief ich die Autoversicherung an. Die Dame in der Hotline war wild entschlossen, unfreundlich zu sein. Ich war wild entschlossen, freundilch zu sein. Die stärkste Energie im Raum bestimmt bekanntlich die Energie im Raum. Die Dame eröffnete mit „Also SIE können da gar nichts machen, denn der Halter des Fahrzeuges und Versicherungsnehmer ist ja Ihr Mann!“ und ich konterte mit „Das ist schonmal ein super wertvoller Hinweis für ich, vielen Dank, ich höre schon, Sie haben Erfahrung, was raten Sie mir, wie wir vorgehen können?“ Die Antwort war, es sei eine E-Mail zu schreiben, also natürlich nicht von meinem Mailaccount und der oben genannte Fachbegriff fiel, den ich mit ausdrücklicher Begeisterung notierte und dabei erwähnte, ich sei überrascht, also wirklich völlig perplex angesichts dieser Kulanz, das hätte ich so von der bisherigen Versicherung nicht gekannt, ich sei sehr froh, dass ich – also mein Mann – zu dieser aktuellenl Versicherung gewechselt haben. Die Frau bemühte sich um weitere Unfreundlichkeit, es seien unbedingt alle Nummern anzugeben, KFZ-Kennzeichen UND Versicherungsnummer, es sei nicht zumutbar, dass die „Fachabteilung“ selbstständig vom einen auf das andere schließt. Ich stimmte natürlich zu, die Versicherung hat auch praktische kleine Kärtchen verschickt, auf denen beides abgedruckt ist, auch da: super Service! Das erlebt man nicht oft heutzutage. Ob sie mir nur noch einen riesigen Gefallen tun könnte, fragte ich, nämlich mir die Mailadresse nennen, ich könnte sie natürlich auch nachschauen aber sei mir ja sicher, dass die Frau sie sofort für mich präsent hat. Hatte sie. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, sagte ich, „ich hatte vorher Sorge, dass jetzt alles ganz schwierig wird und dann war unser Gespräch die netteste Begegnung meines Tages bisher!“ An dieser Stelle knickte die Frau ein und sagte sehr grummelig „Dann Ihnen noch weiter einen schönen Tag“. Zufrieden legte ich auf.
Später am Tag drehte mein Gehirn noch ein paar merkwürdige Runden, möglicherweise jetlagbedingt, ich bin noch immer nicht wieder ganz präsent da, wo mein Körper sich befindet. Ich fuhr mit Fragmente Richtung Badesee, sie war an einem Kreisverkehr unsicher, welche Abfahrt zu nehmen ist, da das Navi sich unklar verhielt – ich hatte dasselbe Erlebnis vor wenigen Wochen an derselben Stelle, hörte dabei einen Podcast mit Kevin Kühnert und als ich Fragmente in die Seitenstraße lotste saß auf einer Bank ein Mann ungefähr im selben Alter wie Kevin Kühnert und mit ähnlicher Haarfarbe und ich hatte einen kurze Realitätsverschiebung. Später nochmal, als wir vom Badesee zurückfuhren, Fragmente hatte nach dem Baden von Bürohose auf andere Hose gewechselt, verwirrenderweise in ähnlicher Farbgebung aber mit anderem Muster, einem reptilienartigen Muster, so dass ich ganz kurz dachte, sie verwandelt sich gerade vor meinen Augen in einen Echsenmenschen. Diese Gedanken – dass Kevin Kühnert auf der Bank sitzt und Fragmente zum Echsenmenschen wird – produziert mein Gehirn völlig beiläufig, nicht als Schrecken oder Anomalie sondern als logisches Ergebnis einer Mustererkennung, das macht es so überzeugend. Ich wollte Fragmente am Bein anfassen, um die Haptik der Echsenhaut festzustellen, konnte mich aber noch einregulieren. Vielleicht hat mein Gehirn auch eine kurzfristige Nutzerkreiserweiterung. Oder bekommt Migräne.
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