An diesem Morgen wachte ich als erste auf, als zweite kam der Hund ins Wohnzimmer und wir gingen gemeinsam in den Garten, Bälle werfen und die Nachbarin kennenlernen. Als alle anderen aufwachten, war ich schon bei angenehmen 300 ml Kaffee angekommen und gesprächsbereit.
Nach dem Tag gestern, an dem ja gar nichts geschah, wollten wir uns heute nicht gleich mit Erlebnissen überfordern. Frau H und ich fuhren erst einmal einkaufen, der leckere rosa Cidre war aus. Allerdings nicht nur bei uns sondern auch im Supermarkt, in einer Übersprungshandlung kauften wir von allen anderen rosa Cidresorten zwei Flaschen, eine, um festzustellen, ob sie schmecken und die zweite um im positiven Falle dann noch eine Flasche entspannt trinken zu können. Ich glaube, wir hatten beide nicht ganz präsent, dass wir in wenigen Tagen schon abreisen.
Auf dem Hinweg zum Einkaufen forderte Frau Herzbruch Lob ein, dass sie den Weg zurück schon ohne Navi kennt. Der Rückweg war dann ungewöhnlich lang und als wir zum zweiten Mal am Kino vorbeikamen, schalteten wir das Navi dann doch wieder ein.
Zurück im Haus nahmen wir Bestand auf, was alles neu kaputt gegangen war: Waschbecken im WC (Stopfen unentfernbar im Abfluss) und Herr H hatte, als er nachts im Dunkeln schauen wollte, wer vor dem Haus Lärm macht, versehentlich eine Leiste über dem Fenster abgerissen. Gestern ging ja die Grillzange kaputt, an Tag 1 schon fiel in Frau Hs Zimmer die Vorhangstange ab. Reparaturen wurden in die Wege geleitet, es ist ja immer etwas zu tun in so einem Haus.
Als nächstes machten wir uns auf in das schönste Dorf Frankreichts, das hatte ich aber falsch verstanden, es ist das Lieblingsdorf der Franzosen (und Französinnen?) nach einer Umfrage von France 3 und es hatten sich insgesamt unter 20 Orten beworben. Gut, dass ich das falsch verstanden hatte, ich wäre sonst beunruhigt gewesen.
Der Ort war nett. Der Laden, den Frau H unbedingt aufsuchen wollte, war ein Ort des Grauens. Ich kann mir das nur so erklären, dass er früher mal toll war und nun immer noch von einem Ruf lebt. Es war ein ziemlich weitläufiges Ladenlokal und darin untergebracht sämtlicher weltbekannter Nippes und Tourikram. Die geblümten Teetassen, die es auch im Blumenladen in Offenbach gibt, die Seifen, die jede Apotheke hat, die Kosmetik aus der entsprechenden Abteilung bei Manufactum, dazwischen das Sortiment von Depot und dieser Dekoladenkette, die Kikeriki oder so ähnlich heißt. Unfassbar. Es gibt nur einen Weg durch den Laden, man muss alles anschauen, um wieder hinauszukommen. Wir kauften nichts.
Jetzt ist es stürmisch geworden, das ist sehr gemütlich, wir müssen uns nun dem Doppelkopf und dem Cidre und den ca. 20 eingekauften Creme-Brulees widmen.
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Die Herren Herzbruch fuhren heute noch einmal zu Kriegsschauplätzen, wir anderen blieben daher im Anwesen, denn wie gesagt, eine andere Fortbewegungsweise als die per Auto ist hier nicht vorgesehen. So harrten wir – gut versorgt durch morgendliche Einkäufe – auf der Terrasse mit Meerblick den ganzen Tag über aus, in meinem Fall unterbrochen von einem kleinen Schläfchen.
Ich las dabei – beim Auf-der-Terrasse-sitzen, nicht beim Schlafen – die Tagebücher von Erich Mühsam und war amüsiert-verwundert über sein ständiges Jammern hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Situation. Ein erwachsender Mann, der erwartet, von seiner Familie ausgehalten zu werden – war das damals üblich? Und er bekam sogar finanzielle Unterstützung aber fand, es sei zu wenig, schließlich sei ja mehr Geld da. Dann andererseits gehen ja heute auch viele Leute davon aus, es stünde ihnen irgendwie zu, dass andere ihnen ein auskömmliches Leben ermöglichen. Darüber bin ich auch immer wieder verwundert.
Später geschah das Ereignis des Tages: ein Wägelchen hielt am Campingplatz gegenüber und trug die Aufschrift „Le Petit Wan“. Wir gingen es besichtigen, es handelt sich um einen Thai-Imbiss, der immer Mittwochs kommt. Dienstags kommt ein Döner&Burger-Wagen, was an den anderen Tagen kommt, habe ich schon vergessen, was daran liegt, dass kein einziger Wagen für uns irgendwie interessant ist.
Morgen fahren wir einen Ort besichtigen, der auch ganz toll sein soll – er hat die größte Austernzucht Frankreichs (örks), vor der Küste liegt eine Quarantäne-Insel, die bei der Pest und dann noch bis ins letzte Jahrhundert in Gebrauch war, es gibt zwei Türme, die nach einer verlorenen Seeschlacht mit der niederländisch-englischen Flotte entstanden und einer davon wird noch militärisch genutzt, dann gibt es noch eine Kirche die allen im Meer Ertrunkenen gewidmet ist. Das Highlight des Ortes scheint ein Laden mit Gewürzen, Feinkost und Deko-Zeugs zu sein, in dem Frau Herzbruch sich heute schon mental einen Einkaufskorb zusammengeklickt hat.
Die Überfahrt zur Pestinsel haben wir für einen anderen Tag gebucht, morgen war schon alles voll – es dürfen nur 500 Personen pro Tag auf die Insel. Man könnte theoretisch auch zu Fuß durchs Watt hinwandern doch haben wir nicht die richtige Ausrüstung und außerdem ist Nipptide, da zieht das Wasser bei Ebbe nicht weit genug raus, zusätzlich käme es mit den Uhrzeiten auch alles nicht hin. Und Handyempfang um Rettung anzufordern ist hier ja auch nirgendwo.
Dann müssen wir morgen noch einkaufen, und zwar den Cidre rose doux e fruité. Den Champagner nehme ich wieder mit nach Hause, wir haben derzeit einen billigeren Geschmack.
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