Sonne. Ächz. Ich habe Sonnencreme dabei und die Temperaturen waren immerhin so, dass ein Cardigan über dem T-Shirt noch ging. Frau H hatte Sorge, drinnen oder im Schatten zu frieren. Ich hatte Sorge, Sonne auf die Arme zu bekommen. So konnten wir gut mit insgesamt nur einem Jäckchen losgehen, denn immer dann, wenn die eine es bräuchte, braucht die andere es ja gerade nicht. Wir fühlten aus sehr schlau.
Am Morgen waren wir in der Pferdeshow, das war sehr schön, die Pferde sehen so aus, als hätten sie Spaß an dem, was sie da machen und auch Spaß daran, zwischendrin einfach mal was anderes zu machen. Dreimal war ich ja schon beim Morgentraining, nun war es an der Zeit, eine Show zu sehen. Falls Sie da überlegen: das Morgentraining reicht aus. Der Unterschied zwischen Show und Training ist hinsichtlich der Preisdifferenz nicht ausreichend groß, sowohl in Bezug auf das, was gezeigt wird, als auch in Bezug auf das Ambiente.
Von der Pferdeshow aus gingen wir frühstücken in einem eher modernen Lokal, ausgezeichneter Kaffee, keinerlei Käse auf der Karte obwohl es kein veganes Lokal war, hervorragendes Brot, das wir mit Eierspeisen aßen, alles sah sehr hübsch aus. Leider nur ein Pokestop in der Nähe. Wir fühlten uns nach zwei Stunden bereit, in näherer Zukunft noch Kaiserschmarrn essen zu können und planten eine Route in ein anderes Lokal, die am Parlament, also an mehreren Arenen, vorbeiführte. Vor dem Parlament saßen wir längere Zeit und spielten, bis ich zum einen wegen der reflektierenden Sonne überall fast erblindet war und zum anderen eine Pro-Palästina-Demo begann. Letztes Jahr waren wir ja schon vor einer solchen Demo in den Dom geflohen und hatten dort alles mitgemacht, inklusive Abendmahl, gestern waren wir vorsichtiger, wo die Flucht uns hinführen würde. Hatten aber auch keine Lust mehr auf Kaiserschmarrn sondern nun auf Käse. Wir fuhren in den Supermarkt in der Nähe des Apartments, kauften Käse und Brot (und Kaffee, Törtchen, Germknödel für die Mikrowelle), bekamen noch Blumen geschenkt und machten Brotzeit auf dem Bett. Das Apartment vefügt über keine Schere, stellten wir fest. Auch die Mülleimer- und Steckdosensituation ist nicht optimal, zudem kann man nur im Bett mit hochgelegten Füßen sitzen. Das wussten wir alles vorher schon, wir sind ja zum zweiten Mal hier, es ist überraschend, mit dem Komfort immer wieder gegen diese Kleinigkeiten zu prallen, obwohl sie ja bereits im Kopf als „nicht so wichtig“ eingeordnet wurden.
Insgesamt hatten wir eine gute Stunde, bevor wir los mussten Richtung Oper. Das reichte aber völlig aus. In der Oper gestern dann Wagner. Dieses Mal mit vielen Personen, die die ganze Zeit auf der Bühne eher herumstanden, manchmal mit einem Schwert wedelten, dennoch eher statisch. Vielleicht sind Opern mit Chor eher nichts für mich, ich mag auch dieses chorhafte Skandieren von Parolen bei Demos nicht, das geht für mich in dieselbe Richtung.
Musik ansonsten gut, lauter als gestern, ich mochte mehr die leisen Teile, Frau H mehr die lauten, in der ersten Pause kamen wir überein, dass wir noch weiterschauen. Da mich das Herumstehen auf der Bühne nicht so ansprach, klinkte ich mich optisch aus (also: Handyzeit), ich saß ganz hinten in der Loge, neben mir ein freier Stuhl, auf dem ich die Beine hochlegen konnte, einigermaßen Empfang und dazu Musik, das war entspannt und angenehm und die 80 Minuten bis zur nächsten Pause verflogen. Dann reicht es aber auch mit Wagner, es war ein bisschen viel „Heil!“, „Schwan!“und „Telramund!“
Unsere Abendessenreservierung hatte ich zwischenzeitlich storniert, weil das zeitlich nicht mehr hinkam. Wir spazierten zu einem Bistro, in dem wir gestern mal eine Reservierung hatten (ebenfalls storniert) und konnten davor auf Holzbänken so angenehm sitzen und Radler vom Fass trinken, dass wir auch die anschließende Reservierung in der Bristol Bar stornierten. So eine Bar ist vielleicht eher etwas für die kalte Jahreszeit, wenn man sich freut, dass es etwas höhlenartig, dunkel und mauschelig ist.
Für den Heimweg brauchten wir mehrere Stunden, zu Fuß, ca. 2 km, weil es so viele Tiere zu fangen und Arenen zu räumen gab. Gegen halb zwei lagen wir in den Betten.
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Erstaunlich, wie kurz 8 Stunden Zugfahrt sein können. Als wir in Wien ausstiegen, waren wir beide einigermaßen verblüfft. Ich hätte geschätzt, dass wir so grob 2 Stunden dort saßen und geplaudert haben.
Eine harmlos klingende, im Verlauf jedoch dramatische Situation bahnte sich bereits unterwegs an. Frau Herzbruch spielt nämlich (wieder oder immer noch) Pokemon Go und bat um Verständnis, dass sie ihr Handy die nächsten Tage nicht aus der Hand legen und mich auch nicht unbedingt immer anschauen, vermutlich aber doch beachten wird, außer es ist gerade etwas ganz Besonderes im Spiel zu erledigen. Das ist für mich völlig in Ordnung, ich mag ja schnell wechselnde, durchbrochene Situationen, erinnerte mich dann aber, dass ich ja auch mal gespielt hatte. Warum also nicht für die gemeinsame Reise das Account reaktivieren?
Das tat ich, also Spiel wieder installieren, Login ging sogar, ich bin Level 31 („da kann man ja sogar einigermaßen etwas mit dir anfangen“, sagte Frau Herzbruch), hatte aber absolut alles vergessen, die gesamte Bedienung, wie man Bälle wirft, worum es eigentlich geht. Das ist nicht der dramatische Aspekt. Der dramatische Aspekt ist, dass ich bei Spielen keinerlei Impulskontrolle habe. Mein Handy und meine Computer sind deshalb absolut spielefrei. Ich kann das schlicht nicht kontrollieren, allein mit CandyCrush habe ich mir schon ein Überbein an der Hand erspielt und nicht nur einmal sondern gleich zweimal hintereinander. Alle paar Jahre probiere ich mal wieder etwas aus, weil ich denke, ich habe mich vielleicht weiterentwickelt und kann das besser handhaben. Es war bisher nicht der Fall. Es ist auch jetzt nicht der Fall. Ich habe vielleicht 3 Stunden geschlafen in der letzten Nacht, vom Bett aus sind 3 Pokestops zu erreichen und manchmal eine Arena, es gibt viele neue Features im Spiel, viel zu Sortieren. In den 3 Stunden, in denen ich schlief, träumte ich vom Spiel. Ich werde es in ein paar Tagen, wenn ich ausreichend von den Folgeumständen durchgemangelt bin, wieder löschen.
Hauptprogrammpunkt gestern war Oper – Le Nozze di Figaro. Ich dachte, ich kenne diese Oper nicht, das stimmt aber gar nicht, ich hätte jede Arie quasi mitsingen können, irgendwo von ganz tief in meinem Gehirn kam das hervor. Bewusst habe ich sie nie zuvor gehört oder gesehen, Mama N hat früher aber viel Opern gehört zu Hause, wenn etwas im Radio lief oder teilweise auch von Schallplatten. Le Nozze die Figaro muss eine gewesen sein, die ihr besonders gut gefallen hat. Mir hat es auch gut gefallen. Im Zug hatten wir und die Handlung genau durchgelesen, da war ich etwas angestrengt, meine Güte, ständig Missverständnisse und Leute verstecken sich irgendwo, das ist ja nicht so mein Ding. Die Umsetzung gefiel mir gut. Ich hatte Oper ganz anders in Erinnerung. Meine letzten Opernbesuche waren, als ich noch studierte und damals hat es mir nie so richtig gut gefallen. Ich hatte das so im Kopf, dass Personen hauptsächlich auf der Bühne nur sehen und singen, es gibt wechselndes Bühnenbild aber die Bewegung ist eher reduziert. Das war gestern ganz anders, sehr viel Bewegung, sehr viel Ausdruck, sehr körperlich, eigentlich wie Schauspiel, nur dass die Stimmen sangen statt sprachen. Hatte ich das falsch in Erinnerung oder war das früher anders? Frau H kann es mir nicht sagen, sie war zum ersten Mal überhaupt in einer Oper. Wir hatten einen Platz in einer Loge, dritte Reihe, stark sichteingeschränkt, etwa die Hälfte der Bühne war sichtbar – für mich absolut in Ordnung, ich kann sowieso nicht mehrere Stunden lang einer Darbietung zuschauen, mir reicht es völlig aus, das zu hören. Man saß auf etwas höheren Stühlen mit Fußabstellmöglichkeit, da wir hinten saßen, hatten wir hinter uns noch die Wand der Loge zum Kopf anlehnen. Die Karten kosteten 17 Euro pro Person, ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis, die zwei auf den zwei Stühlen vor uns saßen zwischen vier wildfremden Menschen eingepfercht ohne Chance, ihre Stühle hin- und herzurücken oder sich irgendwo (vorne die Brüstung oder hinten die Wand) anzulehnen, das muss man schon wollen. Es war ein Pärchen, das sich aneinander anlehnte, immerhin. Die Sicht da marginal besser, die Karten kosten dann aber schon das 10fache.
Ich kann mir vorstellen, zukünftig häufiger in die Oper zu gehen. Entweder ist es anders als früher oder ich bin anders, habe einen anderen Blick darauf. Alles, was mir früher unglaublich laut, schrill, starr, barock-überladen erschien, war gar nicht so und ich hatte das Gefühl, das Stück richtig zu verstehen, also nicht nur inhaltlich, das hatten wir ja vorher gelesen, sondern die Musik, die Dynamik, die Entwicklungen – das ergab alles einen Sinn in meinem Kopf.
Der wesentliche Aspekt der Wienreise im letzten Jahr war ja „Kulinarik“. Dieses Mal, so hatten wir beschlossen, wird das Essen ein Nebenaspekt, leider ein in der Planung etwas schwieriger, denn an den meisten Abenden sind wir ab 17 oder 18 Uhr und bis 22:30 Uhr in der Oper. Vor 17 Uhr habe ich keinen Hunger, nach 22:30 Uhr ist es schwierig, noch was zu finden. Gestern lösten wir das durch ein spätes Mittagessen noch am Bahnhof, bei einem Thai, Orange Chicken und Cashew Nut Chicken durch zwei geteilt um 15 Uhr, das hielt gut vor bis 22:30 Uhr, dann schauten wir uns spontan auf der Straße um, was es so gäbe und entschieden uns für „Trdelnik“ vom Straßenstand, das tat seine Dienste, wir waren ausreichend aufgezuckert und gingen in die Bar, um mit den Nüsschen und Oliven dort gegenzusteuern. Um 2 Uhr waren wir zu Hause, nicht hungrig, nicht durstig, die Wohnung ist vom letzten Aufenthalt bekannt.
Heute Pferdeshow, später Wagner-Oper, anschließend wieder Bar, dazwischen Pokemons fangen, ich muss jetzt los!
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