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    Samstag, 27. Januar 2024
    27. Januar 2024

    Es ist eine Zumutung, heute waren schon zwei Antworten auf zwei meiner Veranlassungen der letzten Woche im Briefkasten und auch, wenn das eine nur eine Rechnung und die andere „Ja Frau N, machen wir so, wie Sie wollen“ war, gibt es nun halt wieder was zu tun, nämlich einmal einen Zahlungsvorgang (btw ist ein Klavierstimmer eine haushaltsnahe Dienstleistung? Ja, oder?) und zweitens eine Folgeterminvereinbarung. Wir sind nie fertig, nie, nie, nie. Vielleicht ganz gut so, ich konnte recht wenig heute mit mir anfangen. Ich las ein gutes Buch und war einkaufen, es gab Spaghettoni im Angebot, ich kaufte insgesamt für wahnsinnige 180 Euro ein, aber halt „Staples“ – was ist das deutsche Wort dafür? – Dinge wie Linsen, Bohnen, Nudeln, Kaffeebohnen, Reis, Taschentücher, Klopapier etc. Alles Frische kommt ja in der Gemüsekiste. Von der Putzhilfe hatte ich auch eine Einkaufsliste bekommen (sie bevorzugt bestimmte Putzmittel), die ist ebenfalls abgearbeitet. Der Haushalt sollte jetzt für die nächsten 1-2 Monate wieder mit grundlegendem Zeugs ausgestattet sein. Da haben wir schon das Wort für „Staples“: grundlegendes Zeugs!

    Nach dem Einkauf – es war 17 Uhr – war ich unterzuckert, als das behoben war, war ich schläfrig, dann kam M von Ikea nach Hause und ich habe jetzt eine kleine, batteriebetriebene, leuchtende Katze (erster Einsatz für den Batteriekoffer, M war NICHT angemessen beeindruckt sondern teenagerhaft desinteressiert), alles für’s Essen mit Teenagerbesuch bereitgelegt, Essen umgeplant wegen neuer Teenagerpläne, wieder im Buch gelesen, mit Freundinnen korrespondiert, mehrfach die Katze gebürstet und den Kater medikamentiert, das aktuelle Chorprogramm geübt (gestern erste Probe, am 17.2. Aufführung im Rahmen einer Ordination, bei einer der 4 Proben werde ich nicht dabei sein können), schwupps war der Tag schon um.

    In der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste ist heute die folgende Frage: Gibt es Eigenschaften, Gewohnheiten, Verhaltensweisen, die Sie sich aktiv abgewöhnt haben? Wenn ja, warum? Und hat es zum gewünschten Ergebnis geführt?

    Die Frage verunsichert mich. Machen das nicht alle dauernd? Also, sich irgendwas aktiv an- oder abgewöhnen? Die Zeit bleibt ja nicht stehen, es passieren immer neue Dinge, gibt immer neue Eindrücke, daran richtige ich mich neu aus, daraus ergeben sich dann auch wieder neue Dinge und neue Eindrücke und ich richte mich neu aus und so weiter, also: ist das nicht das Leben an sich?

    Simples Beispiel: wie andere meiner Generation habe ich mir rassistische Bezeichnungen für Süßigkeiten, die in meiner Kindheit noch nicht hinterfragt wurden, abgewöhnt, weil wir da heute einfach schlauer sind. Das funktioniert mittlerweile gut. Auf der anderen Seite bin ich noch im Prozess, mir geschlechtsinklusive Sprache anzugewöhnen, weil wir da heute einfach schlauer sind. Das ist auf einem guten Weg, wenn auch noch nicht perfekt.

    Weiter wollte ich mir vor kurzem das Wort „aber“ abgewöhnen, weil mir jemand sagte, den Teil des Satzes, der vor einem „aber“ kommt, könnte man auch gleich weglassen, weil er durch das „aber“ entwertet wird und ich fand in sehr vielen Fällen, dass das stimmt. Das hat nicht funktioniert, denn es stimmt eben nur in sehr vielen Fällen, nicht in allen. Das habe ich erkannt und mir dann abgewöhnt, das „aber“ unreflektiert zu verwenden, das funktioniert ziemlich gut und führt zum gewünschten Ergebnis. Ähnliche Themen habe ich mit manchen anderen Ausdrücken, spontan fällt mir ein, dass ich sehr vorsichtig sein möchte bei der Verwendung von "ich muss" und immer prüfen, ob das nicht durch "ich will" ersetzt werden kann oder sollte.

    Ich bemühe mich immer mal wieder, derzeit verstärkt, mir das Fingernägelkauen abzugewöhnen, weil ich es nicht schön finde. Das läuft aktuell gut, ist aber (sehen Sie! Hier entwertet das „aber“ die erste Satzhälfte, was aber sachlich korrekt ist) nur eine Momentaufnahmen, insgesamt läuft es nicht gut, sonst würde dieses Projekt nicht bereits Jahrzehnte andauern.

    Aus der unüberschaubaren Vielzahl an Dingen, die ich mir ab- (und an-)gewöhne, wie gesagt, weil nichts statisch ist, greife ich noch zwei als Beispiele heraus, weil sie weitreichende Folgen für mich haben, die sich auf ganz viele Lebensaspekte erstrecken.

    Das eine habe ich schon vor längerer Zeit begonnen und mittlerweile ist es komplett verinnerlicht: ich habe bei irrelevanten Dingen aufgehört, zu überlegen und nehme einfach die erste Möglichkeit und denke nicht weiter nach. Weil das unnötig Energie bindet, die ich lieber anderweitig verwende. Ich nehme zum Beispiel den ersten freien Platz in der Bahn, völlig irrelevant, ob noch ein besserer kommen könne, mit besserer Platzaufteilung, besseren Mitreisenden etc. Ich neige sonst dazu, mich zu verfransen, in Wirklichkeit könnte ich stundenlang im Zug auf- und ablaufen und abwägen, dann brauche ich am Ende gar keinen Sitzplatz. Macht mich das froh? Nein. Es macht mich froh, den erstbesten Platz zu nehmen und mich dann anderen Themen zuzuwenden, die in mir viel mehr Resonanz erzeugen als mein Sitzplatz. Ähnlich bei Toilettenkabinen, bei allzu großen Speisekarten (erstes Gericht, das lecker klingt), bei „welches Buch lese ich als nächstes“, welchen Toaster/Wasserkocher kaufe ich, all diese kleinen täglichen Entscheidungen, bei denen es es um nichts geht und die uns doch so viel Energie rauben. Fiel mir zu Anfang verblüffend schwer, ich erinnere mich noch. Ich dachte immer, ich könnte etwas nicht berücksichtigt haben (ist auch so – ist aber völlig egal!) und etwas anderes wäre evtl. besser gewesen (vermutlich, ist aber auch egal!), in der Gesamtabwägung habe ich aber ein für alle Mal entschieden, dass das Mehr an Energie, das mir zur Verfügung steht, kleine Abstriche bei Sitzplatz- oder Menüwahl mehr als ausgleicht. Ich bin enorm gut in Energiemanagement.

    Das zweite ist eine neuere Entwicklung, und zwar habe ich mir abgewöhnt, in Gespräche zu gehen mit einer vorgefertigten Ansicht, was passieren muss. Weil ich intellektuell der Überzeugung bin, dass das sowieso nicht funktioniert und daher dem Ausloten von Möglichkeiten abträglich ist, also: in gewisser Weise dumm. Jetzt ist die intellektuelle Ebene natürlich noch einmal was anderes als die unmittelbare Reaktion, zumal unter Stress. Ich bin unsicher, wie das Abgewöhnen genau funktioniert hat, es fand definitiv in den letzten zwei bis drei Jahren statt, vielleicht einfach durch hartnäckiges Üben und mich immer wieder erinnern und mir vor den Kopf schlagen, wenn ich wieder einmal hineingerutscht bin. Die große Sache, die dadurch passiert ist, dass auch kontroverse Gespräche partnerschaftlich werden, denn es geht ja nicht mehr darum, die andere Person zu überreden/überzeugen/an die Wand zu argumentieren sondern darum, gemeinsam die beste mögliche Lösung zu finden, eine bessere als die gemeinsam besten mögliche ist ja per Definition nicht möglich, also wozu der Stress und Kampf. Vorher waren Gespräche oft aufgeladen mit „es muss HEUTE in DIESEM EINEN Gespräch gelingen“ (jemanden zu überzeugen, etwas zu bekommen, meine Ansicht klarzumachen, was auch immer), das ist komplett weg, statt dessen ist da viel Ruhe (und so kann ich auch besser zuhören, weil ich ja nicht mehr ununterbrochen überlegen muss, was meine nächste Strategie sein könnte), viel Leichtigkeit und dadurch dann wiederum viel mehr Gedanken- und Handlungsspielraum.

    Ansonsten, wie gesagt, tausend Dinge. Und weitere werden folgen.

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