Durchgemangelt. Heute habe ich mir 1,5 Stunden lang von einem Team erzählen lassen, was alles schlecht ist (das war so geplant – ans Aufräumen der schlechten Sachen machen wir uns dann peu à peu), dann 1,5 Stunden lang im Keller herumgewühlt, weil da wirklich – ganz ungeplant – alles extrem schlecht ist und dann noch 1,5 Stunden auf dem Bau, um dort zusammen mit dem Mitarbeiter mit den Handwerkern, die heute da waren, ins Gespräch zu kommen, Dinge zu erfahren, Dinge zu platzieren, Strippen zu ziehen. Zwischendurch habe ich Pommes gegessen und mir vorgestellt, ich wäre im Schwimmbad und kleineren Irrsinn verwaltet wie Personen, die vergessen haben, dass sie am Arbeitsplatz erwartet werden und anderen Personen, die sich am Arbeitsplatz aufhalten möchten, obwohl sie planmäßig nicht arbeiten. Zum Abschluss noch ein grober Compliance-Verstoß. All das mit Unterleibskrämpfen und Kopfschmerzen. Meine Güte.
Wunderschön war der Blick aus dem Fenster. Wenn es sehr kalt ist, nimmt die Stadt von oben betrachtet Pastellfarben an. Der Sonnenuntergang sah aus wie rotglühend-flüssiges Metall und danach tiefschwarzer Himmel mit Sternen, ganz klar und kalt. Wunderschön. Tatsächlich finde jetzt auch ich die Temperaturen mal kalt. Das ist angenehm. Die Sache mit der Mütze habe ich wieder aufgegeben, das war zu viel, aber in Jeans bekomme ich am Bahnsteig kühle Beine, das mag ich. Wobei ich heute ja Auto gefahren bin und morgen auch, wegen bestreikter Bahn, morgen kommen dann übrigens die Bauern und Bäuerinnen nach Frankfurt, wohl gegen 9 Uhr, ich versuche, vorher durchzukommen und plane, gegen 7 Uhr aufzubrechen, das passt mir nicht gut, weil bei uns ja erst um 10 wirklich der Puls zu schlagen beginnt, man kann durchaus früher kommen aber daraus ergibt sich nicht, dass man früher wieder herauskommt, es ist also eher dumm, das zu machen. Morgen muss ich in dieser Hinsicht dumm sein, anders wäre es noch dümmer, also im Stau herumzustehen, ich gehe ja tausend Mal lieber ins Büro, als in einem Auto zu sitzen, zumal in einem, das nicht fährt. Ich bin echt ganz sicher, dass man sich zu irgendeinem späteren Zeitpunkt rückblickend über Menschen in diesen kleinen Blechkästchen, in denen man noch nicht einmal stehen kann, unglaublich belustigen wird, eigentlich unfassbar, dass jetzt noch niemand außer mir diese Absurdität sieht. Es ist zum Schreien komisch! Ich muss sehr lachen, während ich hier im Sessel sitze, Herr N guckt mich an, als sei ich verrückt, in Wirklichkeit sind alle anderen verrückt.
Egal, ich hoffe jedenfalls, der Abend wird morgen nicht allzu lang, natürlich muss ich warten, bis die Bauern und Bäuerinnen wieder weg sind, denke aber, da wird auch auf den Höfen noch zu tun sein, die mit Tieren müssen sicherlich irgendwann wieder los, was man mit Feldern um diese Jahreszeit jetzt macht, weiß ich nicht, vielleicht nutzen die mit Feldern auch den langen Donnerstag in der Stadt, wobei es den ja gar nicht mehr gibt, ein Glück.
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Ich möchte zunächst eine Warnung aussprechen, es ist möglich, dass die Welt heute noch implodiert. Kurz vor Feierabend nämlich saß ich mit zwei Mitarbeiterinnen zu einer Besprechung zusammen und wir merkten, dass eine Info fehlt, die vom nOC kommen müsste, der war aber nicht da, also griff ich zum Telefon und rief ihn an. Es antwortet aber nur die Mailbox und ich sprach kurz darauf, so in etwa in der Art „Hallo, Frau N hier, uns fehlt von Ihnen noch die Info, ob wir den Bewerber*innen absagen können.“ Als ich auflegte, herrschte Stille im Raum, vier Augen starrten mich an, blanke Panik im Blick. „Was is?!“, fragte ich irritiert und die eine sagte: „DU HAST DEM CHEF AUF DEN ANRUFBEANTWORTER GEGENDERT!“
Ja, so ist das wohl. Ich arbeite ja in einem Umfeld, in dem gendergerechte Sprache als ein bisschen crazy angesehen wird. Für mich selbst habe ich 2019 beschlossen, meinen Sprachgebrauch gendergerecht umzustellen und zunächst einmal mit der schriftlichen Form angefangen, da habe ich mehr Zeit, mich zu sammeln und zu sortieren als beim Sprechen. Zunächst schrieb ich nur noch gegendert, später unterschrieb ich auch nur noch gegenderte Texte, wobei ich in aller Regel keine Sonderzeichen verwende, das würde in meinem Umfeld verstören. Gleichzeitig mag ich persönlich keine substantivierten Adjektive oder Partizipien und auch keine Umschreibungen mit dem Passiv, die finde ich nicht schön, ist ja Geschmackssache und so verwende ich mehr Sachbezeichnungen, sexusindifferente Personenbezeichnungen, Relativsätze und besonders direkte Anreden. Es hat ja sowieso jede Person beim Schreiben einen eigenen Stil, meiner hat sich nun halt in diese Richtung entwickelt.
Erst kam es mir ganz merkwürdig vor, also so um 2019/2020 herum und ich seufzte immer ein wenig, wenn ich wieder was umformulierte. Mittlerweile hat sich das komplett gedreht, ich seufze nun, wenn mir doch mal ein generisches Maskulinum irgendwo reingerutscht ist und fühle mich kurz unwohl, wie bei einem Faux-Pas.
Vor ca. 2 Jahren fand ich, ich könnte den Effort jetzt auch beim Sprechen machen, Übung war schließlich mittlerweile vorhanden. Schwierigere Sache für mich, ich denke üblicherweise nicht so viel nach vor dem Sprechen, weiß nie so genau, wo ein begonnener Satz endet (beim Schreiben ehrlich gesagt auch nicht, aber da kann ich ja nochmal nachgucken), mit der Zeit wurde es aber auch beim Sprechen einfacher, nur in sehr langen Gesprächen, zum Beispiel Vorstellungsgesprächen, bei denen es dann immer wieder um die Beschreibung des Arbeitsumfeldes, um die Belegschaft mit ihren unterschiedlichen Positionsbezeichnungen geht, kam ich weiterhin nie schnell genug auf die Formulierungen oder verhaspelte mich in Doppelformen, so dass ich mich schlussendlich für den Glottal Stop entschied – jederzeit spontan noch einfügbar und minimalinvasiv, meiner Meinung nach. Privat mache ich den sowieso. Beruflich allerdings in Gesprächen mit Personen, von denen ich weiß, dass sie sich daran stören, eben nicht – es ist ja völlig unnötig, Sachthemen über Bord zu werfen für eine einzelne Ausprägung einer sprachlichen Haltung, die auch völlig anders ausgedrückt werden kann, Möglichkeiten gibt es ja eben genug.
Jetzt ist es aber wohl so, dass ich auf den Anrufbeantworter gegendert habe. Auch okay, ich denke – im Gegensatz zu den anderen – nicht, dass da was implodiert. Im Gegenteil, der nOC kann es sich zur Gewöhnung gleich ein paar Mal anhören, es sieht ja so aus, dass ich das sowieso jetzt aus meinem normalen Sprachgebrauch nicht mehr rauskriege, es werden sich also zukünftig alle arrangieren müssen, da kann er ganz vorn mit dabei sein, das ist eine tolle Chance.
Für ein sprachliches Problem habe ich übrigens noch keine ganz zufriedenstellende Lösung gefunden. Nämlich wenn eine Person morgens später kommt, jemand fragt „wo ist denn xy“ und meine Antwort wäre „kommt später, ist beim Arzt“. Das ist für mich so ein feststehender Ausdruck, dass alles andere auf mich konstruiert wirkt. „Kommt später, holt sich noch medizinischen Rat“ ist affig, „Kommt später, lässt noch was abklären“ viel zu vage, „Kommt später, ist noch in der Praxis“ ergibt keinen Sinn. Mit Frau Herzbruch habe ich das vorhin erörtert und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ich ja jetzt 51 Jahre lang „ist beim Arzt“ gesagt habe und daher nun die nächsten 51 Jahre einfach „ist bei der Ärztin“ sagen werde. Das finde ich eine gute Lösung. Falls Sie eine noch bessere haben, aber immer gerne her damit.
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