Seit Monaten schleiche ich um eine ganz schlichte schwarze Tasche herum. Genau gesagt, um die Tasche, die ich, ohne es zu wissen, schon immer gesucht hatte, perfekte Größe und perfekte Optik, die in einem kleinen Laden, der auf meinem Arbeitsweg liegt, im Fenster hängt. Bzw. hing. Nachdem ich mich über eben diese Monate hinweg nicht aufraffen konnte, diesen Laden während der Öffnungszeiten aufzusuchen, kam ich letzte Woche zufällig zur richtigen Zeit dort vorbei und: die Tasche war weg. Deshalb wollte ich sie dann natürlich sofort und unbedingt kaufen.
Ich betrat also den Laden und verlangte zu wissen, wo meine Tasche sei: Verkauft, natürlich, was sonst. Der Verkäufer war engagiert aber verständnisvoll. Er zeigte mir die gleiche Tasche in dunkelbraun und pries ihre Vorzüge ("isse gute Tasche fur dich, viele Facher, aus Buffelo, fuhl mal, und innen schon"), verstand aber auch gleich, dass dunkelbraun eben nicht schwarz ist ("brauchsu swarze Tasche weil hastu swarze Suhe"). Die schwarze Tasche sei aber nicht da. Sie käme aber, sehr bald, evtl. gleich heute, sonst morgen, ganz sicher sehr schnell.
Ich gebe zu, ich war ungläubig. So umschlich ich die Tasche ein paar weitere Tage im Internet und stellte dabei zähneknirschend fest, dass sich an dem dreistelligen Eurobetrag auch bei einer online-Bestellung nichts ändern würde, selbst wenn das Ding nicht überall "vergriffen" wäre.
Heute Mittag ergab sich kurzfristig eine Lücke im Tagesablauf. Laut überlegte ich beim Frühstück mit Herrn N., ob ich wohl in die Nachbarstadt fahren und schauen sollte, ob meine Tasche eingetroffen sei. Herr N. sagte etwas in der Art von "du hast doch schon eine", meine Bedenken gingen eher in Richtung Tobsuchtsanfall im negativen Fall, insgesamt beschloss ich jedoch, das Unterfangen könne riskiert werden.
Die Tasche sah ich in der Auslage nicht, aber der Ladenbesitzer begrüßte mich mit Umarmung und Wangenküsschen. "Kommstu fur deine Tasche", sagte er. "Habe ich versteckt." Er zog die schwarze, perfekte Tasche hinter dem Ladentisch hervor. "Mache ich Schild ab, kannstu gleich umpacken." Ich packte also gleich um und klammerte mich an die Tasche, um sie bloß nie mehr loszulassen (allein die Haptik!!). Der Ladenbesitzer schob mich vor einen Spiegel. Er legte den Arm um mich. Er schob mich auf Armeslänge von sich weg und musterte mich mit der Tasche. "Isse perfekt", befand er. "Musstu diese Tasche nehmen. Mache ich gute Preis." Er gab mir - die ich die Tasche vermutlich mittlerweile auch für das Doppelte mitgenommen hätte - 20% Nachlass.
Zum Abschied umarmte er mich noch einmal und sagte: "Hastu mich sehr sehr glucklich gemacht." "Sie mich auch", sagte ich, irgendwie gerührt.
Und jetzt habe ich die perfekte Tasche.